Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 246 |
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| 01 | Erhabenes, was zugleich schön ist, verbinden (wie ein prachtvoller bestirnter | ||||||
| 02 | Himmel, oder, wenn es nicht zu niedrig klingt, eine St. Peterskirche | ||||||
| 03 | in Rom). Aber Pomp, eine prahlerische Ausstellung zur Schau, | ||||||
| 04 | kann zwar auch mit Geschmack verbunden werden, aber nicht ohne Weigerung | ||||||
| 05 | des Letzteren: weil der Pomp für den großen Haufen, der viel Pöbel | ||||||
| 06 | in sich faßt, berechnet ist, dessen Geschmack, als stumpf, mehr Sinnenempfindung | ||||||
| 07 | als Beurtheilungsfähigkeit erfordert. | ||||||
| 08 | B. |
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| 09 | Vom Kunstgeschmack. |
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| 10 | Ich ziehe hier nur die redenden Künste: Beredsamkeit und | ||||||
| 11 | Dichtkunst, in Betrachtung, weil diese auf eine Stimmung des Gemüths | ||||||
| 12 | angelegt sind, wodurch dieses unmittelbar zur Thätigkeit aufgeweckt | ||||||
| 13 | wird und so in einer pragmatischen Anthropologie, wo man den | ||||||
| 14 | Menschen nach dem zu kennen sucht, was aus ihm zu machen ist, ihren | ||||||
| 15 | Platz hat. | ||||||
| 16 | Man nennt das durch Ideen belebende Princip des Gemüths Geist. | ||||||
| 17 | - Geschmack ist ein bloßes regulatives Beurtheilungsvermögen der | ||||||
| 18 | Form in der Verbindung des Mannigfaltigen in der Einbildungskraft; | ||||||
| 19 | Geist aber das productive Vermögen der Vernunft, ein Muster für jene | ||||||
| 20 | Form a priori der Einbildungskraft unterzulegen. Geist und Geschmack: | ||||||
| 21 | der erste, um Ideen zu schaffen, der zweite, um sie für die den Gesetzen | ||||||
| 22 | der productiven Einbildungskraft angemessene Form zu beschränken und | ||||||
| 23 | so ursprünglich (nicht nachahmend) zu bilden ( fingendi ). Ein mit | ||||||
| 24 | Geist und Geschmack abgefaßtes Product kann überhaupt Poesie genannt | ||||||
| 25 | werden und ist ein Werk der schönen Kunst, es mag den Sinnen vermittelst | ||||||
| 26 | der Augen oder der Ohren unmittelbar vorgelegt werden, welche | ||||||
| 27 | auch Dichtkunst ( poetica in sensu lato ) genannt werden kann: sie mag | ||||||
| 28 | Maler=, Garten=, Baukunst oder Ton= und Versmacherkunst ( poetica in | ||||||
| 29 | sensu stricto ) sein. Dichtkunst aber im Gegensatz mit der Beredsamkeit | ||||||
| 30 | ist von dieser nur der wechselseitigen Unterordnung des Verstandes | ||||||
| 31 | und der Sinnlichkeit nach unterschieden, so daß die erstere ein Spiel der | ||||||
| 32 | Sinnlichkeit, durch den Verstand geordnet, die zweite aber ein Geschäfte | ||||||
| 33 | des Verstandes, durch Sinnlichkeit belebt, beide aber, der Redner sowohl | ||||||
| 34 | als der Poet (in weitem Sinn), Dichter sind und aus sich selbst neue | ||||||
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