Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 232 |
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| 01 | Die Schmerzen, die langsam vergehen (wie das allmählige | ||||||
| 02 | Genesen von einer Krankheit oder der langsame Wiedererwerb eines verlornen | ||||||
| 03 | Capitals), haben kein lebhaftes Vergnügen zur Folge, | ||||||
| 04 | weil der Übergang unmerklich ist. - Diese Sätze des Grafen Veri unterschreibe | ||||||
| 05 | ich mit voller Überzeugung. | ||||||
| 06 | Erläuterung durch Beispiele. |
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| 07 | Warum ist das Spiel (vornehmlich um Geld) so anziehend und, | ||||||
| 08 | wenn es nicht gar zu eigennützig ist, die beste Zerstreuung und Erholung | ||||||
| 09 | nach einer langen Anstrengung der Gedanken; denn durch Nichtsthun erholt | ||||||
| 10 | man sich nur langsam? Weil es der Zustand eines unablässig wechselnden | ||||||
| 11 | Fürchtens und Hoffens ist. Die Abendmahlzeit nach demselben | ||||||
| 12 | schmeckt und bekommt auch besser. - Wodurch sind Schauspiele (es | ||||||
| 13 | mögen Trauer= oder Lustspiele sein) so anlockend? Weil in allen gewisse | ||||||
| 14 | Schwierigkeiten - Ängstlichkeit und Verlegenheit zwischen Hoffnung und | ||||||
| 15 | Freude - eintreten und so das Spiel einander widriger Affecten beim | ||||||
| 16 | Schlusse des Stücks dem Zuschauer Beförderung des Lebens ist, indem es | ||||||
| 17 | ihn innerlich in Motion versetzt hat. - Warum schließt ein Liebesroman | ||||||
| 18 | mit der Trauung, und weswegen ist ein ihm angehängter Supplement | ||||||
| 19 | Band (wie im Fielding), der ihn von der Hand eines Stümpers noch in | ||||||
| 20 | der Ehe fortsetzt, widrig und abgeschmackt? Weil Eifersucht, als Schmerz | ||||||
| 21 | der Verliebten zwischen ihre Freuden und Hoffnungen, vor der Ehe Würze | ||||||
| 22 | für den Leser, in der Ehe aber Gift ist; denn um in der Romanensprache | ||||||
| 23 | zu reden, ist "das Ende der Liebesschmerzen zugleich das Ende der Liebe" | ||||||
| 24 | (versteht sich mit Affect). - Warum ist Arbeit die beste Art sein Leben | ||||||
| 25 | zu genießen? Weil sie beschwerliche (an sich unangenehme und nur durch | ||||||
| 26 | den Erfolg ergötzende) Beschäftigung ist, und die Ruhe durch das bloße | ||||||
| 27 | Verschwinden einer langen Beschwerde zur fühlbaren Lust, dem Frohsein, | ||||||
| 28 | wird; da sie sonst nichts Genießbares sein würde. - - Der Toback (er | ||||||
| 29 | werde geraucht oder geschnupft) ist zunächst mit einer unangenehmen Empfindung | ||||||
| 30 | verbunden. Aber gerade dadurch, daß die Natur (durch Absonderung | ||||||
| 31 | eines Schleims der Gaumen oder der Nase) diesen Schmerz augenblicklich | ||||||
| 32 | aufhebt, wird er (vornehmlich der erstere) zu einer Art von Gesellschaft | ||||||
| 33 | durch Unterhaltung und immer neue Erweckung der Empfindungen | ||||||
| 34 | und selbst der Gedanken; wenn diese gleich hiebei nur herumschweifend | ||||||
| 35 | sind. - Wen endlich auch kein positiver Schmerz zur Thätigkeit anreizt, | ||||||
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