Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 174 |
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| 01 | anderer Art (als die hier des Sehens), im Gemüth zu spielen und sich im | ||||||
| 02 | Nachdenken zu vertiefen. Selbst Musik für den, der sie nicht als Kenner anhört, | ||||||
| 03 | kann einen Dichter oder Philosophen in eine Stimmung setzen, darin | ||||||
| 04 | ein jeder nach seinen Geschäften oder seiner Liebhaberei Gedanken haschen | ||||||
| 05 | und derselben auch mächtig werden kann, die er, wenn er in seinem Zimmer | ||||||
| 06 | einsam sich hingesetzt hätte, nicht so glücklich würde aufgefangen haben. | ||||||
| 07 | Die Ursache dieses Phänomens scheint darin zu liegen: daß, wenn der | ||||||
| 08 | Sinn durch Ein Mannigfaltiges, was für sich gar keine Aufmerksamkeit | ||||||
| 09 | erregen kann, vom Aufmerken auf irgend einen andern, stärker in den | ||||||
| 10 | Sinn fallenden Gegenstand abgezogen wird, das Denken nicht allein erleichtert, | ||||||
| 11 | sondern auch belebt wird, so fern es nämlich einer angestrengteren | ||||||
| 12 | und anhaltendern Einbildungskraft bedarf, um seinen Verstandesvorstellungen | ||||||
| 13 | Stoff unterzulegen. - Der Engl. Zuschauer erzählt von einem | ||||||
| 14 | Advocaten: daß er gewohnt war beim Plaidiren einen Bindfaden aus der | ||||||
| 15 | Tasche zu nehmen, den er unaufhörlich um den Finger auf= und abwickelte; | ||||||
| 16 | da denn, als der Schalk, sein Gegenadvocat, ihn heimlich aus der Tasche | ||||||
| 17 | praktisirte, jener ganz in Verlegenheit kam und lauter Unsinn redete, weswegen | ||||||
| 18 | man sagte: er habe den Faden seiner Rede verloren. - Der Sinn, | ||||||
| 19 | der an einer Empfindung fest gehalten wird, läßt (der Angewöhnung | ||||||
| 20 | Wegen) auf keine andere, fremde Empfindung Acht geben, wird also | ||||||
| 21 | dadurch nicht zerstreut; die Einbildungskraft aber kann sich hiebei desto | ||||||
| 22 | besser im regelmäßigen Gange erhalten. | ||||||
| 23 | Von dem sinnlichen Dichtungsvermögen nach seinen |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 138) ] | |||||
| 24 | verschiedenen Arten. |
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| 25 | § 31. Es giebt drei verschiedene Arten des sinnlichen Dichtungsvermögens. | [ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 157)] | |||||
| 26 | Diese sind das bildende der Anschauung im Raum ( imaginatio | ||||||
| 27 | plastica ), das beigesellende der Anschauung in der Zeit ( imaginatio | ||||||
| 28 | associans ) und das der Verwandtschaft aus der gemeinschaftlichen | ||||||
| 29 | Abstammung der Vorstellungen von einander ( affinitas ). | ||||||
| 30 | A. |
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| 31 | Von dem sinnlichen Dichtungsvermögen der Bildung. |
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| 32 | Ehe der Künstler eine körperliche Gestalt (gleichsam handgreiflich) | ||||||
| 33 | darstellen kann, muß er sie in der Einbildungskraft verfertigt haben, und | ||||||
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