Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 163 |
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| 01 | Bastschuhen, stehen nicht im Contrast, sondern im Widerspruch, und eine | ||||||
| 02 | Sinnenvorstellung vernichtet oder schwächt die andere, weil sie unter einem | ||||||
| 03 | und demselben Begriffe das Entgegengesetzte vereinigen will, welches unmöglich | ||||||
| 04 | ist. -- Doch kann man auch komisch contrastiren und einen | ||||||
| 05 | augenscheinlichen Widerspruch im Ton der Wahrheit, oder etwas offenbar | ||||||
| 06 | Verächtliches in der Sprache der Lobpreisung vortragen, um die Ungereimtheit | ||||||
| 07 | noch fühlbarer zu machen, wie Fielding in seinem Jonathan Wild | ||||||
| 08 | dem Großen, oder Blumauer in seinem travestirten Virgil, und z. B. | ||||||
| 09 | einen herzbeklemmenden Roman, wie Clarissa, lustig und mit Nutzen | ||||||
| 10 | parodiren und so die Sinne stärken, dadurch daß man sie vom Widerstreite | ||||||
| 11 | befreit, den falsche und schädliche Begriffe ihnen beigemischt haben. | ||||||
| 12 | b. |
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| 13 | Die Neuigkeit. |
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| 14 | Durch das Neue, wozu auch das Seltene und das verborgen Gehaltene | ||||||
| 15 | gehört, wird die Aufmerksamkeit belebt. Denn es ist Erwerb; | ||||||
| 16 | die Sinnenvorstellung gewinnt also dadurch mehr Stärke. Das Alltägige | ||||||
| 17 | oder Gewohnte löscht sie aus. Doch ist darunter nicht die | ||||||
| 18 | Entdeckung, Berührung oder öffentliche Ausstellung eines Stücks des | ||||||
| 19 | Alterthums zu verstehen, wodurch eine Sache vergegenwärtigt wird, | ||||||
| 20 | von der man nach dem natürlichen Lauf der Dinge hätte vermuthen sollen, | ||||||
| 21 | daß die Gewalt der Zeit sie längst vernichtet hätte. Auf einem Stück des | ||||||
| 22 | Gemäuers des alten Theaters der Römer (in Verona oder Nimes) zu | ||||||
| 23 | sitzen, einen Hausrath jenes Volks aus dem alten, nach viel Jahrhunderten | ||||||
| 24 | unter der Lava entdeckten Herculanum in Händen zu haben, eine Münze | ||||||
| 25 | macedonischer Könige, oder eine Gemme von der alten Sculptur vorzeigen | ||||||
| 26 | zu können u. d. g., weckt die Sinne des Kenners zur größten Aufmerksamkeit. | ||||||
| 27 | Der Hang zur Erwerbung einer Kenntniß bloß ihrer Neuigkeit, | ||||||
| 28 | Seltenheit und Verborgenheit halber wird die Curiosität genannt. | ||||||
| 29 | Diese Neigung, ob sie zwar nur mit Vorstellungen spielend und sonst ohne | ||||||
| 30 | Interesse an ihrem Gegenstande ist, wenn sie nur nicht auf Ausspähung | ||||||
| 31 | dessen geht, was eigentlich nur Andere interessirt, ist nicht zu tadeln. | ||||||
| 32 | Was aber den bloßen Sinneindruck betrifft, so macht jeder Morgen blos | ||||||
| 33 | durch die Neuigkeit seiner Empfindungen alle Vorstellungen der Sinne | ||||||
| 34 | (wenn diese nur sonst nicht krankhaft sind) klärer und belebter, als sie | ||||||
| 35 | gegen Abend zu sein pflegen. | ||||||
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