Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 151 |
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| 01 | etwas Unerhörtes habe an sich selbst viel Anlockendes für den Schwachen: | ||||||
| 02 | nicht blos weil ihm auf einmal neue Aussichten eröffnet werden, sondern | ||||||
| 03 | weil er dadurch von dem ihm lästigen Gebrauch der Vernunft losgesprochen | ||||||
| 04 | zu sein, dagegen Andere in der Unwissenheit sich gleich zu machen | ||||||
| 05 | verleitet wird. | ||||||
| 06 | Von dem erlaubten moralischen Schein. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 091) ] | |||||
| 07 | § 14. Die Menschen sind insgesammt, je civilisirter, desto mehr Schauspieler; | ||||||
| 08 | sie nehmen den Schein der Zuneigung, der Achtung vor Anderen, | ||||||
| 09 | der Sittsamkeit, der Uneigennützigkeit an, ohne irgend jemand dadurch zu | ||||||
| 10 | betrügen, weil ein jeder Andere, daß es hiemit eben nicht herzlich gemeint | ||||||
| 11 | sei, dabei einverständigt ist, und es ist auch sehr gut, daß es so in der | ||||||
| 12 | Welt zugeht. Denn dadurch, daß Menschen diese Rolle spielen, werden | ||||||
| 13 | zuletzt die Tugenden, deren Schein sie eine geraume Zeit hindurch nur | ||||||
| 14 | gekünstelt haben, nach und nach wohl wirklich erweckt und gehen in die | ||||||
| 15 | Gesinnung über. - Aber den Betrüger in uns selbst, die Neigung, zu | ||||||
| 16 | betrügen, ist wiederum Rückkehr zum Gehorsam unter das Gesetz der Tugend | ||||||
| 17 | und nicht Betrug, sondern schuldlose Täuschung unserer selbst. | ||||||
| 18 | So ist die Anekelung seiner eigenen Existenz aus der Leerheit des | ||||||
| 19 | Gemüths an Empfindungen, zu denen es unaufhörlich strebt, der langen | ||||||
| 20 | Weile, wobei man doch zugleich ein Gewicht der Trägheit fühlt, d. i. des | ||||||
| 21 | Überdrusses an aller Beschäftigung, die Arbeit heißen und jenen Ekel vertreiben | ||||||
| 22 | könnte, weil sie mit Beschwerden verbunden ist, ein höchst widriges | ||||||
| 23 | Gefühl, dessen Ursache keine andere ist, als die natürliche Neigung zur | ||||||
| 24 | Gemächlichkeit (einer Ruhe, vor der keine Ermüdung vorhergeht). | ||||||
| 25 | Diese Neigung ist aber betrügerisch, selbst in Ansehung der Zwecke, welche | ||||||
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