Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 101 |
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| 01 | Vernunft im Menschen, über seine sinnliche Gefühle durch einen sich selbst | ||||||
| 02 | gegebenen Grundsatz Meister zu sein, die Lebensweise bestimmt. Dagegen | ||||||
| 03 | wenn sie diese Empfindungen zu erregen oder abzuwehren die Hülfe außer | ||||||
| 04 | sich in körperlichen Mitteln (der Apotheke, oder der Chirurgie) sucht, sie | ||||||
| 05 | bloß empirisch und mechanisch ist. | ||||||
| 06 | Die Wärme, der Schlaf, die sorgfältige Pflege des nicht kranken | ||||||
| 07 | sind solche Verwöhnungen der Gemächlichkeit. | ||||||
| 08 | 1) Ich kann der Erfahrung an mir selbst gemäß der Vorschrift nicht | ||||||
| 09 | bestimmen: man soll Kopf und Füße warm halten. Ich finde es dagegen | ||||||
| 10 | gerathener, beide kalt zu halten (wozu die Russen auch die Brust | ||||||
| 11 | zählen), gerade der Sorgfalt wegen, um mich nicht zu verkälten. | ||||||
| 12 | Es ist freilich gemächlicher, im laulichen Wasser sich die Füße zu waschen, | ||||||
| 13 | als es zur Winterszeit mit beinahe eiskaltem zu thun; dafür aber entgeht | ||||||
| 14 | man dem Übel der Erschlaffung der Blutgefäße in so weit vom Herzen | ||||||
| 15 | entlegenen Theilen, welches im Alter oft eine nicht mehr zu hebende Krankheit | ||||||
| 16 | der Füße nach sich zieht. -Den Bauch, vornehmlich bei kalter Witterung, | ||||||
| 17 | warm zu halten, möchte eher zur diätetischen Vorschrift statt der | ||||||
| 18 | Gemächlichkeit gehören: weil er Gedärme in sich schließt, die einen langen | ||||||
| 19 | Gang hindurch einen nicht=flüssigen Stoff forttreiben sollen; wozu der sogenannte | ||||||
| 20 | Schmachtriemen (ein breites, den Unterleib haltendes und die | ||||||
| 21 | Muskeln desselben unterstützendes Band) bei Alten, aber eigentlich nicht | ||||||
| 22 | der Wärme wegen gehört. | ||||||
| 23 | 2) Lange oder (wiederholentlich, durch Mittagsruhe) viel schlafen | ||||||
| 24 | ist freilich eben so viel Ersparniß am Ungemache, was überhaupt das | ||||||
| 25 | Leben im Wachen unvermeidlich bei sich führt, und es ist wunderlich genug, | ||||||
| 26 | sich ein langes Leben zu wünschen, um es größtentheils zu verschlafen. | ||||||
| 27 | Aber das, worauf es hier eigentlich ankommt, dieses vermeinte Mittel des | ||||||
| 28 | des langen Lebens, die Gemächlichkeit, widerspricht sich in seiner Absicht selbst. | ||||||
| 29 | Denn das wechselnde Erwachen und wieder Einschlummern in langen | ||||||
| 30 | Winternächten ist für das ganze Nervensystem lähmend, zermalmend und | ||||||
| 31 | in täuschender Ruhe krafterschöpfend: mithin die Gemächlichkeit hier eine | ||||||
| 32 | Ursache der Verkürzung des Lebens. -Das Bett ist das Nest einer Menge | ||||||
| 33 | von Krankheiten. | ||||||
| 34 | 3) Im Alter sich pflegen oder pflegen zu lassen, blos um seine | ||||||
| 35 | Kräfte durch die Vermeidung der Ungemächlichkeit (z. B. des Ausgehens | ||||||
| 36 | in schlimmem Wetter) oder überhaupt die Übertragung der Arbeit an | ||||||
| 37 | Andere, die man selbst verrichten könnte, zu schonen, so aber das Leben | ||||||
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