Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 406 |
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| 01 | Ursache, welche die Vorstellung eines Zwecks zu ihrem Bestimmungsgrunde | ||||||
| 02 | hat, gebe, mithin ohne in Abrede zu ziehen, daß nicht ein anderer (höherer) | ||||||
| 03 | Verstand, als der menschliche auch im Mechanism der Natur, d. i. einer | ||||||
| 04 | Causalverbindung, zu der nicht ausschließungsweise ein Verstand als Ursache | ||||||
| 05 | angenommen wird, den Grund der Möglichkeit solcher Producte der | ||||||
| 06 | Natur antreffen könne. | ||||||
| 07 | Es kommt hier also auf das Verhalten unseres Verstandes zur Urtheilskraft | ||||||
| 08 | an, daß wir nämlich darin eine gewisse Zufälligkeit der Beschaffenheit | ||||||
| 09 | des unsrigen aufsuchen, um diese Eigenthümlichkeit unseres | ||||||
| 10 | Verstandes zum Unterschiede von anderen möglichen anzumerken. | ||||||
| 11 | Diese Zufälligkeit findet sich ganz natürlich in dem Besondern, | ||||||
| 12 | welches die Urtheilskraft unter das Allgemeine der Verstandesbegriffe | ||||||
| 13 | bringen soll; denn durch das Allgemeine unseres (menschlichen) Verstandes | ||||||
| 14 | ist das Besondere nicht bestimmt; und es ist zufällig, auf wie vielerlei | ||||||
| 15 | Art unterschiedene Dinge, die doch in einem gemeinsamen Merkmale | ||||||
| 16 | Übereinkommen, unserer Wahrnehmung vorkommen können. Unser Verstand | ||||||
| 17 | ist ein Vermögen der Begriffe, d. i. ein discursiver Verstand, für | ||||||
| 18 | den es freilich zufällig sein muß, welcherlei und wie sehr verschieden das | ||||||
| 19 | Besondere sein mag, das ihm in der Natur gegeben werden und das unter | ||||||
| 20 | seine Begriffe gebracht werden kann. Weil aber zum Erkenntniß doch auch | ||||||
| 21 | Anschauung gehört, und ein Vermögen einer völligen Spontaneität | ||||||
| 22 | der Anschauung ein von der Sinnlichkeit unterschiedenes und davon | ||||||
| 23 | ganz unabhängiges Erkenntnißvermögen, mithin Verstand in der allgemeinsten | ||||||
| 24 | Bedeutung sein würde: so kann man sich auch einen intuitiven | ||||||
| 25 | Verstand (negativ, nämlich bloß als nicht discursiven) denken, welcher | ||||||
| 26 | nicht vom Allgemeinen zum Besonderen und so zum Einzelnen (durch Begriffe) | ||||||
| 27 | geht, und für welchen jene Zufälligkeit der Zusammenstimmung | ||||||
| 28 | der Natur in ihren Producten nach besondern Gesetzen zum Verstande | ||||||
| 29 | nicht angetroffen wird, welche dem unsrigen es so schwer macht, das Mannigfaltige | ||||||
| 30 | derselben zur Einheit des Erkenntnisses zu bringen; ein Geschäft, | ||||||
| 31 | das der unsrige nur durch Übereinstimmung der Naturmerkmale | ||||||
| 32 | zu unserm Vermögen der Begriffe, welche sehr zufällig ist, zu Stande | ||||||
| 33 | bringen kann, dessen ein anschauender Verstand aber nicht bedarf. | ||||||
| 34 | Unser Verstand hat also das Eigene für die Urtheilskraft, daß im | ||||||
| 35 | Erkenntniß durch denselben durch das Allgemeine das Besondere nicht bestimmt | ||||||
| 36 | wird, und dieses also von jenem allein nicht abgeleitet werden | ||||||
| 37 | kann; gleichwohl aber dieses besondere in der Mannigfaltigkeit der Natur | ||||||
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