Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 332

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 spielen dabei, indem sie jeden Augenblick ihre Rolle wechseln, und sind so      
  02 lebhaft, daß dadurch als eine innere Motion das ganze Lebensgeschäft im      
  03 Körper befördert zu sein scheint, wie eine dadurch erzeugte Munterkeit des      
  04 Gemüths es beweist, obgleich weder etwas gewonnen noch gelernt worden.      
  05 Aber da das Glücksspiel kein schönes Spiel ist, so wollen wir es hier bei      
  06 Seite setzen. Hingegen Musik und Stoff zum Lachen sind zweierlei Arten      
  07 des Spiels mit ästhetischen Ideen, oder auch Verstandesvorstellungen, wodurch      
  08 am Ende nichts gedacht wird, und die bloß durch ihren Wechsel und      
  09 dennoch lebhaft vergnügen können; wodurch sie ziemlich klar zu erkennen      
  10 geben, daß die Belebung in beiden bloß körperlich sei, ob sie gleich von      
  11 Ideen des Gemüths erregt wird, und daß das Gefühl der Gesundheit      
  12 durch eine jenem Spiele correspondirende Bewegung der Eingeweide das      
  13 ganze, für so fein und geistvoll gepriesene Vergnügen einer aufgeweckten      
  14 Gesellschaft ausmacht. Nicht die Beurtheilung der Harmonie in Tönen      
  15 oder Witzeinfällen, die mit ihrer Schönheit nur zum nothwendigen Vehikel      
  16 dient, sondern das beförderte Lebensgeschäft im Körper, der Affect, der die      
  17 Eingeweide und das Zwerchfell bewegt, mit einem Worte das Gefühl der      
  18 Gesundheit (welche sich ohne solche Veranlassung sonst nicht fühlen läßt),      
  19 machen das Vergnügen aus, welches man daran findet, daß man dem      
  20 Körper auch durch die Seele beikommen und diese zum Arzt von jenem      
  21 brauchen kann.      
           
  22 In der Musik geht dieses Spiel von der Empfindung des Körpers      
  23 zu ästhetischen Ideen (der Objecte für Affecten), von diesen alsdann wieder      
  24 zurück, aber mit vereinigter Kraft auf den Körper. Im Scherze (der eben      
  25 sowohl wie jene eher zur angenehmen, als schönen Kunst gezählt zu werden      
  26 verdient) hebt das Spiel von Gedanken an, die insgesammt, sofern sie sich      
  27 sinnlich ausdrücken wollen, auch den Körper beschäftigen; und indem der      
  28 Verstand in dieser Darstellung, worin er das Erwartete nicht findet, plötzlich      
  29 nachläßt, so fühlt man die Wirkung dieser Nachlassung im Körper      
  30 durch die Schwingung der Organen, welche die Herstellung ihres Gleichgewichts      
  31 befördert und auf die Gesundheit einen wohlthätigen Einfluß hat.      
           
  32 Es muß in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen      
  33 soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen      
  34 finden kann). Das Lachen ist ein Affect aus der plötzlichen      
  35 Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.      
  36 Eben diese Verwandlung, die für den Verstand gewiß nicht erfreulich ist,      
  37 erfreuet doch indirect auf einen Augenblick sehr lebhaft. Also muß die      
           
     

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