Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 551

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 setzen; bliebe ihm aber nichts übrig, so würde er durch seinen Sto      
  02 den letzteren seiner großen Masse wegen gar nicht in Bewegung bringen. Einer      
  03 Bewegung kann nichts widerstehen, als entgegengesetzte Bewegung eines anderen,      
  04 keinesweges aber dessen Ruhe. Hier ist also nicht Trägheit der Materie, d. i. bloßes      
  05 Unvermögen sich von selbst zu bewegen, die Ursache eines Widerstandes. Eine besondere,      
  06 ganz eigenthümliche Kraft, blos um zu widerstehen, ohne einen Körper      
  07 bewegen zu können, wäre unter dem Namen einer Trägheitskraft ein Wort ohne      
  08 alle Bedeutung. Man könnte also die drei Gesetze der allgemeinen Mechanik schicklicher      
  09 so benennen: das Gesetz der Selbstständigkeit, der Trägheit und der      
  10 Gegenwirkung der Materien ( lex Subsistentiae, Inertiae et Antagonismi )      
  11 bei allen ihren Veränderungen derselben. Daß diese, mithin die gesammten      
  12 Lehrsätze gegenwärtiger Wissenschaft den Kategorien der Substanz, der      
  13 Causalität und der Gemeinschaft, so fern diese Begriffe auf Materie angewandt      
  14 werden, genau antworten, bedarf keiner weiteren Erörterung.      
           
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Allgemeine Anmerkung
     
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zur
     
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Mechanik.
     
           
  18 Die Mittheilung der Bewegung geschieht nur vermittelst solcher bewegenden      
  19 Kräfte, die einer Materie auch in Ruhe beiwohnen (Undurchdringlichkeit und Anziehung).      
  20 Die Wirkung einer bewegenden Kraft auf einen Körper in einem Augenblicke      
  21 ist die Sollicitation desselben, die gewirkte Geschwindigkeit des letzteren      
  22 durch die Sollicitation, so fern sie in gleichem Verhältniß mit der Zeit wachsen kann,      
  23 ist das Moment der Acceleration. (Das Moment der Acceleration muß also nur      
  24 eine unendlich kleine Geschwindigkeit enthalten, weil sonst der Körper durch dasselbe      
  25 in einer gegebenen Zeit eine unendliche Geschwindigkeit erlangen würde, welche      
  26 unmöglich ist. Übrigens beruht die Möglichkeit der Beschleunigung überhaupt      
  27 durch ein fortwährendes Moment derselben auf dem Gesetze der Trägheit.) Die      
  28 Sollicitation der Materie durch expansive Kraft (z. B. einer zusammengedrückten      
  29 Luft, die ein Gewicht trägt) geschieht jederzeit mit einer endlichen Geschwindigkeit,      
  30 die Geschwindigkeit aber, die dadurch einem anderen Körper eingedrückt (oder entzogen)      
  31 wird, kann nur unendlich klein sein; denn jene ist nur eine Flächenkraft oder,      
  32 welches einerlei ist, die Bewegung eines unendlich kleinen Quantum von Materie,      
  33 die folglich mit endlicher Geschwindigkeit geschehen muß, um der Bewegung eines      
  34 Körpers von endlicher Masse mit unendlich kleiner Geschwindigkeit (einem Gewichte)      
  35 gleich zu sein. Dagegen ist die Anziehung eine durchdringende Kraft, und als mit      
  36 einer solchen übt ein endliches Quantum der Materie auf ein gleichfalls endliches      
  37 Quantum einer andern bewegende Kraft aus. Die Sollicitation der Anziehung      
           
     

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