Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 525

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die metaphysisch=dynamische einen Vortheil, der ihr nicht abgewonnen werden kann,      
  02 nämlich aus einem durchgehends gleichartigen Stoffe durch die mannigfaltige Gestalt      
  03 der Theile vermittelst eingestreuter leerer Zwischenräume eine große specifische      
  04 Mannigfaltigkeit der Materien sowohl ihrer Dichtigkeit, als Wirkungsart nach      
  05 (wenn fremde Kräfte hinzukommen) zu Stande zu bringen. Denn die Möglichkeit      
  06 der Gestalten sowohl als der leeren Zwischenräume läßt sich mit mathematischer      
  07 Evidenz darthun; dagegen, wenn der Stoff selbst in Grundkräfte verwandelt wird      
  08 (deren Gesetze a priori zu bestimmen, noch weniger aber eine Mannigfaltigkeit derselben,      
  09 welche zu Erklärung der specifischen Verschiedenheit der Materie zureichte,      
  10 zuverlässig anzugeben, wir nicht im Stande sind), uns alle Mittel abgehen, diesen      
  11 Begriff der Materie zu construiren und, was wir allgemein dachten, in der Anschauung      
  12 als möglich darzustellen. Aber jenen Vortheil büßt dagegen eine blos      
  13 mathematische Physik auf der anderen Seite doppelt ein, indem sie erstlich einen      
  14 leeren Begriff (der absoluten Undurchdringlichkeit) zum Grunde legen, zweitens      
  15 alle der Materie eigene Kräfte aufgeben muß und überdem noch mit ihren ursprünglichen      
  16 Configurationen des Grundstoffs und Einstreuung der leeren Räume,      
  17 nachdem es das Bedürfniß zu erklären erfordert, der Einbildungskraft im Felde      
  18 der Philosophie mehr Freiheit, ja gar rechtmäßigen Anspruch verstatten muß, als      
  19 sich wohl mit der Behutsamkeit der letzteren zusammen reimen läßt.      
           
  20 Statt einer hinreichenden Erklärung der Möglichkeit der Materie und ihrer      
  21 specifischen Verschiedenheit aus jenen Grundkräften, die ich nicht zu leisten vermag,      
  22 will ich die Momente, worauf ihre specifische Verschiedenheit sich insgesammt      
  23 a priori bringen (obgleich nicht eben so ihrer Möglichkeit nach begreifen) lassen      
  24 muß, wie ich hoffe, vollständig darstellen. Die zwischen die Definitionen geschobene      
  25 Anmerkungen werden die Anwendung derselben erläutern.      
           
  26 1) Ein Körper in physischer Bedeutung ist eine Materie zwischen bestimmten      
  27 Grenzen (die also eine Figur hat). Der Raum zwischen diesen      
  28 Grenzen, seiner Größe nach betrachtet, ist der Raumesinhalt ( volumen ).      
  29 Der Grad der Erfüllung eines Raumes von bestimmtem Inhalt heißt      
  30 Dichtigkeit. (Sonst wird der Ausdruck dicht auch absolut gebraucht für das,      
  31 was nicht hohl [ blasicht, löchericht ] ist.) In dieser Bedeutung giebt es eine absolute      
  32 Dichtigkeit in dem System der absoluten Undurchdringlichkeit und zwar,      
  33 wenn eine Materie gar keine leere Zwischenräume enthält. Nach diesem Begriffe      
  34 von Erfüllung des Raumes stellt man Vergleichungen an und nennt eine Materie      
  35 dichter als die andere, die weniger Leeres in sich enthält, bis endlich die, in der      
  36 kein Theil des Raumes leer ist, vollkommen dicht heißt. Des letzteren Ausdrucks      
  37 kann man sich nur nach dem blos mathematischen Begriffe der Materie bedienen,      
  38 allein im dynamischen System einer blos relativen Undurchdringlichkeit giebt es      
  39 kein Maximum oder Minimum der Dichtigkeit, und gleichwohl kann jede noch so      
  40 dünne Materie doch völlig dicht heißen, wenn sie ihren Raum ganz erfüllt, ohne      
           
     

[ Seite 524 ] [ Seite 526 ] [ Inhaltsverzeichnis ]