| Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 441 | |||||||
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| 01 | Die Heteronomie des Willens | ||||||
| 02 | als der Quell aller unächten Principien der Sittlichkeit. | ||||||
| 03 | Wenn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner | ||||||
| 04 | Maximen zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn | ||||||
| 05 | er, indem er über sich selbst hinausgeht, in der Beschaffenheit irgend eines | ||||||
| 06 | seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit | ||||||
| 07 | Heteronomie heraus. Der Wille giebt alsdann sich nicht selbst, sondern | ||||||
| 08 | das Object durch sein Verhältniß zum Willen giebt diesem das Gesetz. | ||||||
| 09 | Dies Verhältniß, es beruhe nun auf der Neigung, oder auf Vorstellungen | ||||||
| 10 | der Vernunft, läßt nur hypothetische Imperativen möglich werden: ich | ||||||
| 11 | soll etwas thun darum, weil ich etwas anderes will. Dagegen sagt | ||||||
| 12 | der moralische, mithin kategorische Imperativ: ich soll so oder so handeln, | ||||||
| 13 | ob ich gleich nichts anderes wollte. Z. E. jener sagt: ich soll nicht lügen, | ||||||
| 14 | wenn ich bei Ehren bleiben will; dieser aber: ich soll nicht lügen, ob es | ||||||
| 15 | mir gleich nicht die mindeste Schande zuzöge. Der letztere muß also von | ||||||
| 16 | allem Gegenstande so fern abstrahiren, daß dieser gar keinen Einfluß | ||||||
| 17 | auf den Willen habe, damit praktische Vernunft (Wille) nicht fremdes | ||||||
| 18 | Interesse bloß administrire, sondern bloß ihr eigenes gebietendes Ansehen | ||||||
| 19 | als oberste Gesetzgebung beweise. So soll ich z. B. fremde Glückseligkeit | ||||||
| 20 | zu befördern suchen, nicht als wenn mir an deren Existenz was gelegen | ||||||
| 21 | wäre (es sei durch unmittelbare Neigung, oder irgend ein Wohlgefallen | ||||||
| 22 | indirect durch Vernunft), sondern bloß deswegen, weil die Maxime, die sie | ||||||
| 23 | ausschließt, nicht in einem und demselben Wollen, als allgemeinen Gesetz, | ||||||
| 24 | begriffen werden kann. | ||||||
| 25 | Eintheilung | ||||||
| 26 | aller möglichen Principien der Sittlichkeit | ||||||
| 27 | aus dem | ||||||
| 28 | angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie. | ||||||
| 29 | Die menschliche Vernunft hat hier, wie allerwärts in ihrem reinen | ||||||
| 30 | Gebrauche, so lange es ihr an Kritik fehlt, vorher alle mögliche unrechte | ||||||
| 31 | Wege versucht, ehe es ihr gelingt, den einzigen wahren zu treffen. | ||||||
| 32 | Alle Principien, die man aus diesem Gesichtspunkte nehmen mag, | ||||||
| 33 | sind entweder empirisch oder rational. Die ersteren, aus dem Princip | ||||||
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