Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 435 |
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| 01 | bloßen zwecklosen Spiel unserer Gemüthskräfte, gemäß ist, einen Affectionspreis; | ||||||
| 02 | das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein | ||||||
| 03 | etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Werth, | ||||||
| 04 | d. i. einen Preis, sondern einen innern Werth, d. i. Würde. | ||||||
| 05 | Nun ist Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges | ||||||
| 06 | Wesen Zweck an sich selbst sein kann, weil nur durch sie es möglich ist, ein | ||||||
| 07 | gesetzgebend Glied im Reiche der Zwecke zu sein. Also ist Sittlichkeit und | ||||||
| 08 | die Menschheit, so fern sie derselben fähig ist, dasjenige, was allein Würde | ||||||
| 09 | hat. Geschicklichkeit und Fleiß im Arbeiten haben einen Marktpreis; Witz, | ||||||
| 10 | lebhafte Einbildungskraft und Launen einen Affectionspreis; dagegen | ||||||
| 11 | Treue im Versprechen, Wohlwollen aus Grundsätzen (nicht aus Instinct) | ||||||
| 12 | haben einen innern Werth. Die Natur sowohl als Kunst enthalten nichts, | ||||||
| 13 | was sie in Ermangelung derselben an ihre Stelle setzen könnten; denn ihr | ||||||
| 14 | Werth besteht nicht in den Wirkungen, die daraus entspringen, im Vortheil | ||||||
| 15 | und Nutzen, den sie schaffen, sondern in den Gesinnungen, d. i. den | ||||||
| 16 | Maximen des Willens, die sich auf diese Art in Handlungen zu offenbaren | ||||||
| 17 | bereit sind, obgleich auch der Erfolg sie nicht begünstigte. Diese Handlungen | ||||||
| 18 | bedürfen auch keiner Empfehlung von irgend einer subjectiven Disposition | ||||||
| 19 | oder Geschmack, sie mit unmittelbarer Gunst und Wohlgefallen | ||||||
| 20 | anzusehen, keines unmittelbaren Hanges oder Gefühles für dieselbe: sie | ||||||
| 21 | stellen den Willen, der sie ausübt, als Gegenstand einer unmittelbaren | ||||||
| 22 | Achtung dar, dazu nichts als Vernunft gefordert wird, um sie dem Willen | ||||||
| 23 | aufzuerlegen, nicht von ihm zu erschmeicheln, welches letztere bei | ||||||
| 24 | Pflichten ohnedem ein Widerspruch wäre. Diese Schätzung giebt also den | ||||||
| 25 | Werth einer solchen Denkungsart als Würde zu erkennen und setzt sie über | ||||||
| 26 | allen Preis unendlich weg, mit dem sie gar nicht in Anschlag und Vergleichung | ||||||
| 27 | gebracht werden kann, ohne sich gleichsam an der Heiligkeit derselben | ||||||
| 28 | zu vergreifen. | ||||||
| 29 | Und was ist es denn nun, was die sittlich gute Gesinnung oder die | ||||||
| 30 | Tugend berechtigt, so hohe Ansprüche zu machen? Es ist nichts Geringeres | ||||||
| 31 | als der Antheil, den sie dem vernünftigen Wesen an der allgemeinen | ||||||
| 32 | Gesetzgebung verschafft und es hiedurch zum Gliede in einem möglichen | ||||||
| 33 | Reiche der Zwecke tauglich macht, wozu es durch seine eigene Natur | ||||||
| 34 | schon bestimmt war, als Zweck an sich selbst und eben darum als gesetzgebend | ||||||
| 35 | im Reiche der Zwecke, in Ansehung aller Naturgesetze als frei, nur | ||||||
| 36 | denjenigen allein gehorchend, die es selbst giebt und nach welchen seine | ||||||
| 37 | Maximen zu einer allgemeinen Gesetzgebung (der es sich zugleich selbst | ||||||
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