Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 021 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | aus einander gesetzt und mir selbst verständlich gemacht werde; 2) daß | ||||||
| 02 | bei synthetischen Urtheilen ich außer dem Begriffe des Subjects noch etwas | ||||||
| 03 | anderes (X) haben müsse, worauf sich der Verstand stützt, um ein Prädicat, | ||||||
| 04 | das in jenem Begriffe nicht liegt, doch als dazu gehörig zu erkennen. | ||||||
| 05 | Bei empirischen oder Erfahrungsurtheilen hat es hiemit gar keine | ||||||
| 06 | Schwierigkeit. Denn dieses X ist die vollständige Erfahrung von dem | ||||||
| 07 | Gegenstande, den ich durch einen Begriff A denke, welcher nur einen Theil | ||||||
| 08 | dieser Erfahrung ausmacht. Denn ob ich schon in dem Begriff eines Körpers | ||||||
| 09 | überhaupt das Prädicat der Schwere gar nicht einschließe, so bezeichnet | ||||||
| 10 | er doch die vollständige Erfahrung durch einen Theil derselben, zu | ||||||
| 11 | welchem also ich noch andere Theile eben derselben Erfahrung als zu dem | ||||||
| 12 | ersteren gehörig hinzufügen kann. Ich kann den Begriff des Körpers vorher | ||||||
| 13 | analytisch durch die Merkmale der Ausdehnung, der Undurchdringlichkeit, | ||||||
| 14 | der Gestalt etc., die alle in diesem Begriff gedacht werden, erkennen. | ||||||
| 15 | Nun erweitere ich aber meine Erkenntniß, und indem ich auf die Erfahrung | ||||||
| 16 | zurück sehe, von welcher ich diesen Begriff des Körpers abgezogen | ||||||
| 17 | hatte, so finde ich mit obigen Merkmalen auch die Schwere jederzeit verknüpft. | ||||||
| 18 | Es ist also die Erfahrung jenes X, was außer dem Begriffe A | ||||||
| 19 | liegt, und worauf sich die Möglichkeit der Synthesis des Prädicats der | ||||||
| 20 | Schwere B mit dem Begriffe A gründet. | ||||||
| 21 | Aber bei synthetischen Urtheilen a priori fehlt dieses Hülfsmittel | ||||||
| 22 | ganz und gar. Wenn ich außer dem Begriffe A hinaus gehen soll, um | ||||||
| 23 | einen andern B als damit verbunden zu erkennen: was ist das, worauf | ||||||
| 24 | ich mich stütze, und wodurch die Synthesis möglich wird, da ich hier den | ||||||
| 25 | Vortheil nicht habe, mich im Felde der Erfahrung darnach umzusehen? | ||||||
| 26 | Man nehme den Satz: Alles, was geschieht, hat seine Ursache. In dem | ||||||
| 27 | Begriff von Etwas, das geschieht, denke ich zwar ein Dasein, vor welchem | ||||||
| 28 | eine Zeit vorhergeht etc., und daraus lassen sich analytische Urtheile ziehen. | ||||||
| 29 | Aber der Begriff einer Ursache zeigt etwas von dem, was geschieht, Verschiedenes | ||||||
| 30 | an und ist in dieser letzteren Vorstellung gar nicht mit enthalten. | ||||||
| 31 | Wie komme ich denn dazu, von dem, was überhaupt geschieht, etwas davon | ||||||
| 32 | ganz Verschiedenes zu sagen und den Begriff der Ursache, obzwar in jenem | ||||||
| 33 | nicht enthalten, dennoch als dazu gehörig zu erkennen? Was ist hier das | ||||||
| 34 | X, worauf sich der Verstand stützt, wenn er außer dem Begriff von A ein | ||||||
| 35 | demselben fremdes Prädicat aufzufinden glaubt, das gleichwohl damit | ||||||
| 36 | verknüpft sei? Erfahrung kann es nicht sein, weil der angeführte Grundsatz | ||||||
| 37 | nicht allein mit größerer Allgemeinheit, als die Erfahrung verschaffen | ||||||
| [ Seite 020 ] [ Seite 022 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||