Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 509 |
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| 01 | stolz und eingebildet, als ob er die bejahende Partei und deren Behauptung | ||||||
| 02 | ergriffen hätte. | ||||||
| 03 | Man sieht also hieraus, daß im speculativen Gebrauche der Vernunft | ||||||
| 04 | Hypothesen keine Gültigkeit als Meinungen an sich selbst, sondern nur | ||||||
| 05 | relativ auf entgegengesetzte transscendente Anmaßungen haben. Denn | ||||||
| 06 | die Ausdehnung der Principien möglicher Erfahrung auf die Möglichkeit | ||||||
| 07 | der Dinge überhaupt ist eben sowohl transscendent, als die Behauptung | ||||||
| 08 | der objectiven Realität solcher Begriffe, welche ihre Gegenstände nirgend | ||||||
| 09 | als außerhalb der Grenze aller möglichen Erfahrung finden können. Was | ||||||
| 10 | reine Vernunft assertorisch urtheilt, muß (wie alles, was Vernunft erkennt) | ||||||
| 11 | nothwendig sein, oder es ist gar nichts. Demnach enthält sie in der That | ||||||
| 12 | gar keine Meinungen. Die gedachten Hypothesen aber sind nur problematische | ||||||
| 13 | Urtheile, die wenigstens nicht widerlegt, obgleich freilich durch | ||||||
| 14 | nichts bewiesen werden können, und sind also reine Privatmeinungen, | ||||||
| 15 | können aber doch nicht füglich (selbst zur inneren Beruhigung) gegen sich | ||||||
| 16 | regende Scrupel entbehrt werden. In dieser Qualität aber muß man sie | ||||||
| 17 | erhalten und ja sorgfältig verhüten, daß sie nicht als an sich selbst beglaubigt | ||||||
| 18 | und von einiger absoluten Gültigkeit auftreten und die Vernunft | ||||||
| 19 | unter Erdichtungen und Blendwerken ersäufen. | ||||||
| 20 | Des ersten Hauptstücks |
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| 21 | Vierter Abschnitt. |
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| 22 | Die Disciplin der reinen Vernunft in Ansehung |
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| 23 | ihrer Beweise. |
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| 24 | Die Beweise transscendentaler und synthetischer Sätze haben das | ||||||
| 25 | Eigenthümliche unter allen Beweisen einer synthetischen Erkenntniß a priori | ||||||
| 26 | an sich, daß die Vernunft bei jenen vermittelst ihrer Begriffe sich nicht | ||||||
| 27 | geradezu an den Gegenstand wenden darf, sondern zuvor die objective | ||||||
| 28 | Gültigkeit der Begriffe und die Möglichkeit der Synthesis derselben a priori | ||||||
| 29 | darthun muß. Dieses ist nicht etwa bloß eine nöthige Regel der Behutsamkeit, | ||||||
| 30 | sondern betrifft das Wesen und die Möglichkeit der Beweise selbst. | ||||||
| 31 | Wenn ich über den Begriff von einem Gegenstande a priori hinausgehen | ||||||
| 32 | soll, so ist dieses ohne einen besonderen und außerhalb diesem Begriffe | ||||||
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