Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 423 |
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01 | sein müssen. Wenn aber auch nur von der Form der | ||||||
02 | Welt, der Art ihrer Verbindung und dem Wechsel derselben die Rede wäre, | ||||||
03 | ich wollte aber daraus auf eine Ursache schließen, die von der Welt gänzlich | ||||||
04 | unterschieden ist: so würde dieses wiederum ein Urtheil der bloß | ||||||
05 | speculativen Vernunft sein, weil der Gegenstand hier gar kein Object einer | ||||||
06 | möglichen Erfahrung ist. Aber alsdann würde der Grundsatz der Causalität, | ||||||
07 | der nur innerhalb dem Felde der Erfahrungen gilt und außer demselben | ||||||
08 | ohne Gebrauch, ja selbst ohne Bedeutung ist, von seiner Bestimmung | ||||||
09 | gänzlich abgebracht. | ||||||
10 | Ich behaupte nun, daß alle Versuche eines bloß speculativen Gebrauchs | ||||||
11 | der Vernunft in Ansehung der Theologie gänzlich fruchtlos und ihrer | ||||||
12 | inneren Beschaffenheit nach null und nichtig sind, daß aber die Principien | ||||||
13 | ihres Naturgebrauchs ganz und gar auf keine Theologie führen; folglich, | ||||||
14 | wenn man nicht moralische Gesetze zum Grunde legt oder zum Leitfaden | ||||||
15 | braucht, es überall keine Theologie der Vernunft geben könne. Denn alle | ||||||
16 | synthetische Grundsätze des Verstandes sind von immanentem Gebrauch; | ||||||
17 | zu der Erkenntniß eines höchsten Wesens aber wird ein transscendenter | ||||||
18 | Gebrauch derselben erfordert, wozu unser Verstand gar nicht ausgerüstet | ||||||
19 | ist. Soll das empirisch gültige Gesetz der Causalität zu dem Urwesen | ||||||
20 | führen, so müßte dieses in die Kette der Gegenstände der Erfahrung mitgehören; | ||||||
21 | alsdann wäre es aber wie alle Erscheinungen selbst wiederum | ||||||
22 | bedingt. Erlaubte man aber auch den Sprung über die Grenze der Erfahrung | ||||||
23 | hinaus vermittelst des dynamischen Gesetzes der Beziehung der | ||||||
24 | Wirkungen auf ihre Ursachen: welchen Begriff kann uns dieses Verfahren | ||||||
25 | verschaffen? Bei weitem keinen Begriff von einem höchsten Wesen, weil | ||||||
26 | uns Erfahrung niemals die größte aller möglichen Wirkungen (als welche | ||||||
27 | das Zeugniß von ihrer Ursache ablegen soll) darreicht. Soll es uns erlaubt | ||||||
28 | sein, bloß um in unserer Vernunft nichts Leeres übrig zu lassen, diesen | ||||||
29 | Mangel der völligen Bestimmung durch eine bloße Idee der höchsten Vollkommenheit | ||||||
30 | und ursprünglichen Nothwendigkeit auszufüllen: so kann | ||||||
31 | dieses zwar aus Gunst eingeräumt, aber nicht aus dem Rechte eines unwiderstehlichen | ||||||
32 | Beweises gefordert werden. Der physischtheologische Beweis | ||||||
33 | könnte also vielleicht wohl anderen Beweisen (wenn solche zu haben | ||||||
34 | sind) Nachdruck geben, indem er Speculation mit Anschauung verknüpft: | ||||||
35 | für sich selbst aber bereitet er mehr den Verstand zur theologischen Erkenntniß | ||||||
36 | vor und giebt ihm dazu eine gerade und natürliche Richtung, als daß | ||||||
37 | er allein das Geschäfte vollenden könnte. | ||||||
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