Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 359 |
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Text (Kant):
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| 01 | der sonst nichts Selbstständiges hat, aufhören würde (welches unmöglich | ||||||
| 02 | ist); allein daß, wenn alle Zusammensetzung der Materie in Gedanken aufgehoben | ||||||
| 03 | würde, gar nichts übrig bleiben solle, scheint sich nicht mit dem | ||||||
| 04 | Begriffe einer Substanz vereinigen zu lassen, die eigentlich das Subject | ||||||
| 05 | aller Zusammensetzung sein sollte und in ihren Elementen übrig bleiben | ||||||
| 06 | müßte, wenn gleich die Verknüpfung derselben im Raume, dadurch sie | ||||||
| 07 | einen Körper ausmachen, aufgehoben wäre. Allein mit dem, was in der | ||||||
| 08 | Erscheinung Substanz heißt, ist es nicht so bewandt, als man es wohl | ||||||
| 09 | von einem Dinge an sich selbst durch reinen Verstandesbegriff denken | ||||||
| 10 | würde. Jenes ist nicht absolutes Subject, sondern beharrliches Bild der | ||||||
| 11 | Sinnlichkeit und nichts als Anschauung, in der überall nichts Unbedingtes | ||||||
| 12 | angetroffen wird. | ||||||
| 13 | Ob nun aber gleich diese Regel des Fortschritts ins Unendliche bei | ||||||
| 14 | der Subdivision einer Erscheinung als einer bloßen Erfüllung des Raumes | ||||||
| 15 | ohne allen Zweifel stattfindet: so kann sie doch nicht gelten, wenn wir sie | ||||||
| 16 | auch auf die Menge der auf gewisse Weise in dem gegebenen Ganzen schon | ||||||
| 17 | abgesonderten Theile, dadurch diese ein quantum discretum ausmachen, | ||||||
| 18 | erstrecken wollen. Annehmen, daß in jedem gegliederten (organisirten) | ||||||
| 19 | Ganzen ein jeder Theil wiederum gegliedert sei, und daß man auf solche | ||||||
| 20 | Art bei Zerlegung der Theile ins Unendliche immer neue Kunsttheile antreffe, | ||||||
| 21 | mit einem Worte, daß das Ganze ins Unendliche gegliedert sei, will | ||||||
| 22 | sich gar nicht denken lassen, obzwar wohl, daß die Theile der Materie | ||||||
| 23 | bei ihrer Decomposition ins Unendliche gegliedert werden könnten. Denn | ||||||
| 24 | die Unendlichkeit der Theilung einer gegebenen Erscheinung im Raume | ||||||
| 25 | gründet sich allein darauf, daß durch diese bloß die Theilbarkeit, d. i. eine | ||||||
| 26 | an sich schlechthin unbestimmte Menge von Theilen, gegeben ist, die Theile | ||||||
| 27 | selbst aber nur durch die Subdivision gegeben und bestimmt werden, kurz | ||||||
| 28 | daß das Ganze nicht an sich selbst schon eingetheilt ist. Daher die Theilung | ||||||
| 29 | eine Menge in demselben bestimmen kann, die so weit geht, als man | ||||||
| 30 | im Regressus der Theilung fortschreiten will. Dagegen wird bei einem | ||||||
| 31 | ins Unendliche gegliederten organischen Körper das Ganze eben durch diesen | ||||||
| 32 | Begriff schon als eingetheilt vorgestellt und eine an sich bestimmte, aber | ||||||
| 33 | unendliche Menge der Theile vor allem Regressus der Theilung in ihm angetroffen; | ||||||
| 34 | wodurch man sich selbst widerspricht, indem diese unendliche Einwickelung | ||||||
| 35 | als eine niemals zu vollendende Reihe (unendlich) und gleichwohl | ||||||
| 36 | doch in einer Zusammennehmung als vollendet angesehen wird. Die | ||||||
| 37 | unendliche Theilung bezeichnet nur die Erscheinung als quantum continuum | ||||||
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