Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 263 |
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| 01 | lieber will, das Urtheil: Ich denke. Man sieht aber leicht, daß er das Vehikel | ||||||
| 02 | aller Begriffe überhaupt und mithin auch der transscendentalen sei und also | ||||||
| 03 | unter diesen jederzeit mit Begriffen werde und daher eben sowohl transscendental | ||||||
| 04 | sei, aber keinen besondern Titel haben könne, weil er nur dazu | ||||||
| 05 | dient, alles Denken als zum Bewußtsein gehörig aufzuführen. Indessen so | ||||||
| 06 | rein er auch vom Empirischen (dem Eindrucke der Sinne) ist, so dient er doch | ||||||
| 07 | dazu, zweierlei Gegenstände aus der Natur unserer Vorstellungskraft zu | ||||||
| 08 | unterscheiden. Ich, als denkend, bin ein Gegenstand des innern Sinnes | ||||||
| 09 | und heiße Seele. Dasjenige, was ein Gegenstand äußerer Sinne ist, | ||||||
| 10 | heißt Körper. Demnach bedeutet der Ausdruck: Ich, als ein denkend Wesen, | ||||||
| 11 | schon den Gegenstand der Psychologie, welche die rationale Seelenlehre | ||||||
| 12 | heißen kann, wenn ich von der Seele nichts weiter zu wissen verlange, | ||||||
| 13 | als was unabhängig von aller Erfahrung (welche mich näher und in concreto | ||||||
| 14 | bestimmt) aus diesem Begriffe Ich, so fern er bei allem Denken vorkommt, | ||||||
| 15 | geschlossen werden kann. | ||||||
| 16 | Die rationale Seelenlehre ist nun wirklich ein Unterfangen von dieser | ||||||
| 17 | Art; denn wenn das mindeste Empirische meines Denkens, irgend eine | ||||||
| 18 | besondere Wahrnehmung meines inneren Zustandes, noch unter die Erkenntnißgründe | ||||||
| 19 | dieser Wissenschaft gemischt würde, so wäre sie nicht mehr | ||||||
| 20 | rationale, sondern empirische Seelenlehre. Wir haben also schon eine | ||||||
| 21 | angebliche Wissenschaft vor uns, welche auf dem einzigen Satze: Ich | ||||||
| 22 | denke, erbaut worden, und deren Grund oder Ungrund wir hier ganz | ||||||
| 23 | schicklich und der Natur einer Transscendentalphilosophie gemäß untersuchen | ||||||
| 24 | können. Man darf sich daran nicht stoßen, daß ich doch an diesem | ||||||
| 25 | Satze, der die Wahrnehmung seiner selbst ausdrückt, eine innere Erfahrung | ||||||
| 26 | habe, und mithin die rationale Seelenlehre, welche darauf erbauet | ||||||
| 27 | wird, niemals rein, sondern zum Theil auf ein empirisches Principium gegründet | ||||||
| 28 | sei. Denn diese innere Wahrnehmung ist nichts weiter, als die bloße | ||||||
| 29 | Apperception: Ich denke, welche sogar alle transscendentale Begriffe | ||||||
| 30 | möglich macht, in welchen es heißt: Ich denke die Substanz, die Ursache etc. | ||||||
| 31 | Denn innere Erfahrung überhaupt und deren Möglichkeit, oder Wahrnehmung | ||||||
| 32 | überhaupt und deren Verhältniß zu anderer Wahrnehmung, | ||||||
| 33 | ohne daß irgend ein besonderer Unterschied derselben und Bestimmung | ||||||
| 34 | empirisch gegeben ist, kann nicht als empirische Erkenntniß, sondern mu | ||||||
| 35 | als Erkenntniß des Empirischen überhaupt angesehen werden und gehört | ||||||
| 36 | zur Untersuchung der Möglichkeit einer jeden Erfahrung, welche allerdings | ||||||
| 37 | transscendental ist. Das mindeste Object der Wahrnehmung (z. B. nur | ||||||
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