Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 261 |
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Text (Kant):
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| 01 | Der |
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| 02 | Transscendentalen Dialektik |
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| 03 | Zweites Buch. |
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| 04 | Von den dialektischen Schlüssen der reinen Vernunft. |
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| 05 | Man kann sagen, der Gegenstand einer bloßen transscendentalen | ||||||
| 06 | Idee sei etwas, wovon man keinen Begriff hat, obgleich diese Idee ganz | ||||||
| 07 | nothwendig in der Vernunft nach ihren ursprünglichen Gesetzen erzeugt | ||||||
| 08 | worden. Denn in der That ist auch von einem Gegenstande, der der | ||||||
| 09 | Forderung der Vernunft adäquat sein soll, kein Verstandesbegriff möglich, | ||||||
| 10 | d. i. ein solcher, welcher in einer möglichen Erfahrung gezeigt und anschaulich | ||||||
| 11 | gemacht werden kann. Besser würde man sich doch und mit weniger | ||||||
| 12 | Gefahr des Mißverständnisses ausdrücken, wenn man sagte: daß | ||||||
| 13 | wir vom Object, welches einer Idee correspondirt, keine Kenntniß, obzwar | ||||||
| 14 | einen problematischen Begriff haben können. | ||||||
| 15 | Nun beruht wenigstens die transscendentale (subjective) Realität der | ||||||
| 16 | reinen Vernunftbegriffe darauf, daß wir durch einen nothwendigen Vernunftschluß | ||||||
| 17 | auf solche Ideen gebracht werden. Also wird es Vernunftschlüsse | ||||||
| 18 | geben, die keine empirische Prämissen enthalten und vermittelst | ||||||
| 19 | deren wir von etwas, das wir kennen, auf etwas anderes schließen, wovon | ||||||
| 20 | wir doch keinen Begriff haben, und dem wir gleichwohl durch einen unvermeidlichen | ||||||
| 21 | Schein objective Realität geben. Dergleichen Schlüsse sind in | ||||||
| 22 | Ansehung ihres Resultats also eher vernünftelnde als Vernunftschlüsse | ||||||
| 23 | zu nennen: wiewohl sie ihrer Veranlassung wegen wohl den letzteren Namen | ||||||
| 24 | führen können, weil sie doch nicht erdichtet oder zufällig entstanden, | ||||||
| 25 | sondern aus der Natur der Vernunft entsprungen sind. Es sind Sophisticationen | ||||||
| 26 | nicht der Menschen, sondern der reinen Vernunft selbst, von denen | ||||||
| 27 | selbst der Weiseste unter allen Menschen sich nicht losmachen und vielleicht | ||||||
| 28 | zwar nach vieler Bemühung den Irrthum verhüten, den Schein aber, der | ||||||
| 29 | ihn unaufhörlich zwackt und äfft, niemals völlig los werden kann. | ||||||
| 30 | Dieser dialektischen Vernunftschlüsse giebt es also nur dreierlei Arten, | ||||||
| 31 | so vielfach als die Ideen sind, auf die ihre Schlußsätze auslaufen. In dem | ||||||
| 32 | Vernunftschlusse der ersten Classe schließe ich von dem transscendentalen | ||||||
| 33 | Begriffe des Subjects, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute | ||||||
| 34 | Einheit dieses Subjects selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen | ||||||
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