| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 242 | |||||||
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| 01 | Gebrauch derselben auf die kleinstmögliche Zahl derselben zu | ||||||
| 02 | bringen, ohne daß man deswegen von den Gegenständen selbst eine solche | ||||||
| 03 | Einhelligkeit, die der Gemächlichkeit und Ausbreitung unseres Verstandes | ||||||
| 04 | Vorschub thue, zu fordern und jener Maxime zugleich objective Gültigkeit | ||||||
| 05 | zu geben berechtigt wäre. Mit einem Worte, die Frage ist: ob Vernunft | ||||||
| 06 | an sich, d. i. die reine Vernunft a priori, synthetische Grundsätze und Regeln | ||||||
| 07 | enthalte, und worin diese Principien bestehen mögen? | ||||||
| 08 | Das formale und logische Verfahren derselben in Vernunftschlüssen | ||||||
| 09 | giebt uns hierüber schon hinreichende Anleitung, auf welchem Grunde das | ||||||
| 10 | transscendentale Principium derselben in der synthetischen Erkenntniß | ||||||
| 11 | durch reine Vernunft beruhen werde. | ||||||
| 12 | Erstlich geht der Vernunftschluß nicht auf Anschauungen, um dieselbe | ||||||
| 13 | unter Regeln zu bringen (wie der Verstand mit seinen Kategorien), | ||||||
| 14 | sondern auf Begriffe und Urtheile. Wenn also reine Vernunft auch auf | ||||||
| 15 | Gegenstände geht, so hat sie doch auf diese und deren Anschauung keine | ||||||
| 16 | unmittelbare Beziehung, sondern nur auf den Verstand und dessen Urtheile, | ||||||
| 17 | welche sich zunächst an die Sinne und deren Anschauung wenden, | ||||||
| 18 | um diesen ihren Gegenstand zu bestimmen. Vernunfteinheit ist also nicht | ||||||
| 19 | Einheit einer möglichen Erfahrung,sondern von dieser als der Verstandeseinheit | ||||||
| 20 | wesentlich unterschieden. Daß alles, was geschieht, eine Ursache | ||||||
| 21 | habe, ist gar kein durch Vernunft erkannter und vorgeschriebener Grundsatz. | ||||||
| 22 | Er macht die Einheit der Erfahrung möglich und entlehnt nichts | ||||||
| 23 | von der Vernunft, welche ohne diese Beziehung auf mögliche Erfahrung, | ||||||
| 24 | aus bloßen Begriffen, keine solche synthetische Einheit hätte gebieten | ||||||
| 25 | können. | ||||||
| 26 | Zweitens sucht die Vernunft in ihrem logischen Gebrauche die allgemeine | ||||||
| 27 | Bedingung ihres Urtheils (des Schlußsatzes), und der Vernunftschluß | ||||||
| 28 | ist selbst nichts andres als ein Urtheil vermittelst der Subsumtion | ||||||
| 29 | seiner Bedingung unter eine allgemeine Regel (Obersatz). Da nun diese | ||||||
| 30 | Regel wiederum eben demselben Versuche der Vernunft ausgesetzt ist, und | ||||||
| 31 | dadurch die Bedingung der Bedingung (vermittelst eines Prosyllogismus) | ||||||
| 32 | gesucht werden muß, so lange es angeht, so sieht man wohl, der eigenthümliche | ||||||
| 33 | Grundsatz der Vernunft überhaupt (im logischen Gebrauche) sei: | ||||||
| 34 | zu dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, | ||||||
| 35 | womit die Einheit desselben vollendet wird. | ||||||
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