Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 204 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | Untersuchungen erfordert, die wir angestellt haben. Kann er aber nicht | ||||||
| 02 | unterscheiden, ob gewisse Fragen in seinem Horizonte liegen, oder nicht, | ||||||
| 03 | so ist er niemals seiner Ansprüche und seines Besitzes sicher, sondern darf | ||||||
| 04 | sich nur auf vielfältige beschämende Zurechtweisungen Rechnung machen, | ||||||
| 05 | wenn er die Grenzen seines Gebiets (wie es unvermeidlich ist) unaufhörlich | ||||||
| 06 | überschreitet und sich in Wahn und Blendwerke verirrt. | ||||||
| 07 | Daß also der Verstand von allen seinen Grundsätzen a priori, ja von | ||||||
| 08 | allen seinen Begriffen keinen andern als empirischen, niemals aber einen | ||||||
| 09 | transscendentalen Gebrauch machen könne, ist ein Satz, der, wenn er mit | ||||||
| 10 | Überzeugung erkannt werden kann, in wichtige Folgen hinaussieht. Der | ||||||
| 11 | transscendentale Gebrauch eines Begriffs in irgend einem Grundsatze ist | ||||||
| 12 | dieser: daß er auf Dinge überhaupt und an sich selbst, der empirische | ||||||
| 13 | aber, wenn er bloß auf Erscheinungen, d. i. Gegenstände einer möglichen | ||||||
| 14 | Erfahrung, bezogen wird. Daß aber überall nur der letztere stattfinden | ||||||
| 15 | könne, ersieht man daraus. Zu jedem Begriff wird erstlich die logische | ||||||
| 16 | Form eines Begriffs (des Denkens) überhaupt und dann zweitens | ||||||
| 17 | auch die Möglichkeit, ihm einen Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe, | ||||||
| 18 | erfordert. Ohne diesen letztern hat er keinen Sinn und ist völlig | ||||||
| 19 | leer an Inhalt, ob er gleich noch immer die logische Function enthalten | ||||||
| 20 | mag, aus etwanigen datis einen Begriff zu machen. Nun kann der Gegenstand | ||||||
| 21 | einem Begriffe nicht anders gegeben werden, als in der Anschauung, | ||||||
| 22 | und wenn eine reine Anschauung noch vor dem Gegenstande a priori möglich | ||||||
| 23 | ist, so kann doch auch diese selbst ihren Gegenstand, mithin die objective | ||||||
| 24 | Gültigkeit nur durch die empirische Anschauung bekommen, wovon | ||||||
| 25 | sie die bloße Form ist. Also beziehen sich alle Begriffe und mit ihnen alle | ||||||
| 26 | Grundsätze, so sehr sie auch a priori möglich sein mögen, dennoch auf empirische | ||||||
| 27 | Anschauungen, d. i. auf data zur möglichen Erfahrung. Ohne | ||||||
| 28 | dieses haben sie gar keine objective Gültigkeit, sondern sind ein bloßes | ||||||
| 29 | Spiel, es sei der Einbildungskraft oder des Verstandes, respective mit | ||||||
| 30 | ihren Vorstellungen. Man nehme nur die Begriffe der Mathematik zum | ||||||
| 31 | Beispiele und zwar erstlich in ihren reinen Anschauungen. Der Raum | ||||||
| 32 | hat drei Abmessungen, zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie | ||||||
| 33 | sein etc. Obgleich alle diese Grundsätze und die Vorstellung des Gegenstandes, | ||||||
| 34 | womit sich jene Wissenschaft beschäftigt, völlig a priori im Gemüth | ||||||
| 35 | erzeugt werden, so würden sie doch gar nichts bedeuten, könnten wir | ||||||
| 36 | nicht immer an Erscheinungen (empirischen Gegenständen) ihre Bedeutung | ||||||
| 37 | darlegen. Daher erfordert man auch, einen abgesonderten Begriff | ||||||
| [ Seite 203 ] [ Seite 205 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||