Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 188 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | von Wechselwirkungen aus dem Stoffe, den uns die Wahrnehmung darbietet, | ||||||
| 02 | machen wollte, ohne von der Erfahrung selbst das Beispiel ihrer | ||||||
| 03 | Verknüpfung zu entlehnen: so würde man in lauter Hirngespinste gerathen, | ||||||
| 04 | deren Möglichkeit ganz und gar kein Kennzeichen für sich hat, weil | ||||||
| 05 | man bei ihnen nicht Erfahrung zur Lehrerin annimmt, noch diese Begriffe | ||||||
| 06 | von ihr entlehnt. Dergleichen gedichtete Begriffe können den Charakter | ||||||
| 07 | ihrer Möglichkeit nicht so, wie die Kategorien, a priori als Bedingungen, | ||||||
| 08 | von denen alle Erfahrung abhängt, sondern nur a posteriori als | ||||||
| 09 | solche, die durch die Erfahrung selbst gegeben werden, bekommen, und | ||||||
| 10 | ihre Möglichkeit muß entweder a posteriori und empirisch, oder sie kann | ||||||
| 11 | gar nicht erkannt werden. Eine Substanz, welche beharrlich im Raume | ||||||
| 12 | gegenwärtig wäre, doch ohne ihn zu erfüllen (wie dasjenige Mittelding | ||||||
| 13 | zwischen Materie und denkenden Wesen, welches einige haben einführen | ||||||
| 14 | wollen), oder eine besondere Grundkraft unseres Gemüths, das Künftige | ||||||
| 15 | zum voraus anzuschauen (nicht etwa bloß zu folgern), oder endlich ein | ||||||
| 16 | Vermögen desselben, mit andern Menschen in Gemeinschaft der Gedanken | ||||||
| 17 | zu stehen (so entfernt sie auch sein mögen): das sind Begriffe, deren Möglichkeit | ||||||
| 18 | ganz grundlos ist, weil sie nicht auf Erfahrung und deren bekannte | ||||||
| 19 | Gesetze gegründet werden kann und ohne sie eine willkürliche Gedankenverbindung | ||||||
| 20 | ist, die, ob sie zwar keinen Widerspruch enthält, doch keinen | ||||||
| 21 | Anspruch auf objective Realität, mithin auf die Möglichkeit eines solchen | ||||||
| 22 | Gegenstandes, als man sich hier denken will, machen kann. Was Realität | ||||||
| 23 | betrifft, so verbietet es sich wohl von selbst, sich eine solche in concreto zu | ||||||
| 24 | denken, ohne die Erfahrung zu Hülfe zu nehmen: weil sie nur auf Empfindung, | ||||||
| 25 | als Materie der Erfahrung, gehen kann und nicht die Form des | ||||||
| 26 | Verhältnisses betrifft, mit der man allenfalls in Erdichtungen spielen | ||||||
| 27 | könnte. | ||||||
| 28 | Aber ich lasse alles vorbei, dessen Möglichkeit nur aus der Wirklichkeit | ||||||
| 29 | in der Erfahrung kann abgenommen werden, und erwäge hier nur die | ||||||
| 30 | Möglichkeit der Dinge durch Begriffe a priori, von denen ich fortfahre zu | ||||||
| 31 | behaupten, daß sie niemals aus solchen Begriffen für sich allein, sondern | ||||||
| 32 | jederzeit nur als formale und objective Bedingungen einer Erfahrung | ||||||
| 33 | überhaupt stattfinden können. | ||||||
| 34 | Es hat zwar den Anschein, als wenn die Möglichkeit eines Triangels | ||||||
| 35 | aus seinem Begriffe an sich selbst könne erkannt werden (von der Erfahrung | ||||||
| 36 | ist er gewiß unabhängig); denn in der That können wir ihm gänzlich | ||||||
| 37 | a priori einen Gegenstand geben, d. i. ihn construiren. Weil dieses | ||||||
| [ Seite 187 ] [ Seite 189 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||