Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 151 |
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| 01 | Sätze muß man also nicht Axiomen (denn sonst gäbe es deren | ||||||
| 02 | unendliche), sondern Zahlformeln nennen. | ||||||
| 03 | Dieser transscendentale Grundsatz der Mathematik der Erscheinungen | ||||||
| 04 | giebt unserem Erkenntniß a priori große Erweiterung. Denn er ist es | ||||||
| 05 | allein, welcher die reine Mathematik in ihrer ganzen Präcision auf Gegenstände | ||||||
| 06 | der Erfahrung anwendbar macht, welches ohne diesen Grundsatz | ||||||
| 07 | nicht so von selbst erhellen möchte, ja auch manchen Widerspruch veranlaßt | ||||||
| 08 | hat. Erscheinungen sind keine Dinge an sich selbst. Die empirische | ||||||
| 09 | Anschauung ist nur durch die reine (des Raumes und der Zeit) möglich; | ||||||
| 10 | was also die Geometrie von dieser sagt, gilt auch ohne Widerrede von | ||||||
| 11 | jener, und die Ausflüchte, als wenn Gegenstände der Sinne nicht den Regeln | ||||||
| 12 | der Construction im Raume (z. E. der unendlichen Theilbarkeit der | ||||||
| 13 | Linien oder Winkel) gemäß sein dürfen, müssen wegfallen. Denn dadurch | ||||||
| 14 | spricht man dem Raume und mit ihm zugleich aller Mathematik objective | ||||||
| 15 | Gültigkeit ab und weiß nicht mehr, warum und wie weit sie auf Erscheinungen | ||||||
| 16 | anzuwenden sei. Die Synthesis der Räume und Zeiten als der | ||||||
| 17 | wesentlichen Form aller Anschauung ist das, was zugleich die Apprehension | ||||||
| 18 | der Erscheinung, mithin jede äußere Erfahrung, folglich auch alle | ||||||
| 19 | Erkenntniß der Gegenstände derselben möglich macht, und was die Mathematik | ||||||
| 20 | im reinen Gebrauch von jener beweiset, das gilt auch nothwendig | ||||||
| 21 | von dieser. Alle Einwürfe dawider sind nur Chicanen einer falsch belehrten | ||||||
| 22 | Vernunft, die irriger Weise die Gegenstände der Sinne von der formalen | ||||||
| 23 | Bedingung unserer Sinnlichkeit loszumachen gedenkt und sie, obgleich | ||||||
| 24 | sie bloß Erscheinungen sind, als Gegenstände an sich selbst, dem | ||||||
| 25 | Verstande gegeben, vorstellt; in welchem Falle freilich von ihnen a priori | ||||||
| 26 | gar nichts, mithin auch nicht durch reine Begriffe vom Raume synthetisch | ||||||
| 27 | erkannt werden könnte, und die Wissenschaft, die diese bestimmt, nämlich | ||||||
| 28 | die Geometrie, selbst nicht möglich sein würde. | ||||||
| 29 | 2. |
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| 30 | Anticipationen der Wahrnehmung. |
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| 31 | Das Princip derselben ist: In allen Erscheinungen hat das | ||||||
| 32 | Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist, intensive | ||||||
| 33 | Größe, d. i. einen Grad. | ||||||
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