Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 143 |
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Text (Kant):
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| 01 | dessen Prädicate, welches mit jenem synthetisch verbunden worden, abgiebt | ||||||
| 02 | und zwar nur dann, wenn das erste und zweite Prädicat zu gleicher Zeit | ||||||
| 03 | gesetzt werden. Sage ich: ein Mensch, der ungelehrt ist, ist nicht gelehrt, | ||||||
| 04 | so muß die Bedingung: zugleich, dabei stehen; denn der, so zu einer | ||||||
| 05 | Zeit ungelehrt ist, kann zu einer andern gar wohl gelehrt sein. Sage ich | ||||||
| 06 | aber: kein ungelehrter Mensch ist gelehrt, so ist der Satz analytisch, weil | ||||||
| 07 | das Merkmal (der Ungelahrtheit) nunmehr den Begriff des Subjects mit | ||||||
| 08 | ausmacht; und alsdann erhellt der verneinende Satz unmittelbar aus | ||||||
| 09 | dem Satze des Widerspruchs, ohne daß die Bedingung: zugleich, hinzu | ||||||
| 10 | kommen darf. Dieses ist denn auch die Ursache, weswegen ich oben die | ||||||
| 11 | Formel desselben so verändert habe, daß die Natur eines analytischen | ||||||
| 12 | Satzes dadurch deutlich ausgedrückt wird. | ||||||
| 13 | Des |
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| 14 | Systems der Grundsätze des reinen Verstandes |
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| 15 | Zweiter Abschnitt. |
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| 16 | Von dem obersten Grundsatze aller synthetischen Urtheile. |
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| 17 | Die Erklärung der Möglichkeit synthetischer Urtheile ist eine Aufgabe, | ||||||
| 18 | mit der die allgemeine Logik gar nichts zu schaffen hat, die auch sogar | ||||||
| 19 | ihren Namen nicht einmal kennen darf. Sie ist aber in einer transscendentalen | ||||||
| 20 | Logik das wichtigste Geschäfte unter allen und sogar das | ||||||
| 21 | einzige, wenn von der Möglichkeit synthetischer Urtheile a priori die Rede | ||||||
| 22 | ist, imgleichen den Bedingungen und dem Umfange ihrer Gültigkeit. | ||||||
| 23 | Denn nach Vollendung desselben kann sie ihrem Zwecke, nämlich den Umfang | ||||||
| 24 | und die Grenzen des reinen Verstandes zu bestimmen, vollkommen ein | ||||||
| 25 | Gnüge thun. | ||||||
| 26 | Im analytischen Urtheile bleibe ich bei dem gegebenen Begriffe, um | ||||||
| 27 | etwas von ihm auszumachen. Soll es bejahend sein, so lege ich diesem | ||||||
| 28 | Begriffe nur dasjenige bei, was in ihm schon gedacht war; soll es verneinend | ||||||
| 29 | sein, so schließe ich nur das Gegentheil desselben von ihm aus. | ||||||
| 30 | In synthetischen Urtheilen aber soll ich aus dem gegebenen Begriff hinausgehen, | ||||||
| 31 | um etwas ganz anderes, als in ihm gedacht war, mit demselben | ||||||
| 32 | in Verhältniß zu betrachten, welches daher niemals weder Verhältniß | ||||||
| 33 | der Identität, noch des Widerspruchs ist, und wobei dem Urtheile an ihm | ||||||
| 34 | selbst weder die Wahrheit, noch der Irrthum angesehen werden kann. | ||||||
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