| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 067 | |||||||
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| 01 | angetroffen werden kann, indem eben diese subjective Beschaffenheit die | ||||||
| 02 | Form desselben als Erscheinung bestimmt. | ||||||
| 03 | Wir unterscheiden sonst wohl unter Erscheinungen das, was der Anschauung | ||||||
| 04 | derselben wesentlich anhängt und für jeden menschlichen Sinn | ||||||
| 05 | überhaupt gilt, von demjenigen, was derselben nur zufälliger Weise zukommt, | ||||||
| 06 | indem es nicht auf die Beziehung der Sinnlichkeit überhaupt, sondern | ||||||
| 07 | nur auf eine besondre Stellung oder Organisation dieses oder jenes | ||||||
| 08 | Sinnes gültig ist. Und da nennt man die erstere Erkenntniß eine solche, | ||||||
| 09 | die den Gegenstand an sich selbst vorstellt, die zweite aber nur die Erscheinung | ||||||
| 10 | desselben. Dieser Unterschied ist aber nur empirisch. Bleibt man | ||||||
| 11 | dabei stehen (wie es gemeiniglich geschieht) und sieht jene empirische Anschauung | ||||||
| 12 | nicht wiederum (wie es geschehen sollte) als bloße Erscheinung | ||||||
| 13 | an, so daß darin gar nichts, was irgend eine Sache an sich selbst anginge, | ||||||
| 14 | anzutreffen ist, so ist unser transscendentaler Unterschied verloren, und | ||||||
| 15 | wir glauben alsdann doch, Dinge an sich zu erkennen, ob wir es gleich | ||||||
| 16 | überall (in der Sinnenwelt) selbst bis zu der tiefsten Erforschung ihrer | ||||||
| 17 | Gegenstände mit nichts als Erscheinungen zu thun haben. So werden | ||||||
| 18 | wir zwar den Regenbogen eine bloße Erscheinung bei einem Sonnenregen | ||||||
| 19 | nennen, diesen Regen aber die Sache an sich selbst, welches auch richtig | ||||||
| 20 | ist, so fern wir den letztern Begriff nur physisch verstehen, als das, was | ||||||
| 21 | in der allgemeinen Erfahrung unter allen verschiedenen Lagen zu den | ||||||
| 22 | Sinnen doch in der Anschauung so und nicht anders bestimmt ist. Nehmen | ||||||
| 23 | wir aber dieses Empirische überhaupt und fragen, ohne uns an die Einstimmung | ||||||
| 24 | desselben mit jedem Menschensinne zu kehren, ob auch dieses | ||||||
| 25 | einen Gegenstand an sich selbst (nicht die Regentropfen, denn die sind dann | ||||||
| 26 | schon als Erscheinungen empirische Objecte) vorstelle, so ist die Frage von | ||||||
| 27 | der Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand transscendental, und | ||||||
| 28 | nicht allein diese Tropfen sind bloße Erscheinungen, sondern selbst ihre | ||||||
| 29 | runde Gestalt, ja sogar der Raum, in welchem sie fallen, sind nichts an | ||||||
| 30 | sich selbst, sondern bloße Modificationen oder Grundlagen unserer sinnlichen | ||||||
| 31 | Anschauung, das transscendentale Object aber bleibt uns unbekannt. | ||||||
| 33 | Die zweite wichtige Angelegenheit unserer transscendentalen Ästhetik | ||||||
| 34 | ist, daß sie nicht bloß als scheinbare Hypothese einige Gunst erwerbe, sondern | ||||||
| 35 | so gewiß und ungezweifelt sei, als jemals von einer Theorie gefordert | ||||||
| 36 | werden kann, die zum Organon dienen soll. Um diese Gewißheit | ||||||
| 37 | völlig einleuchtend zu machen, wollen wir irgend einen Fall wählen, woran | ||||||
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