Kant: AA II, M. Immanuel Kants Nachricht ... , Seite 306 |
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01 | geschieht, er dennoch durch die Unterweisung gewonnen hat und, wo | ||||||
02 | nicht für die Schule, doch für das Leben geübter und klüger geworden. | ||||||
03 | Wenn man diese Methode umkehrt, so erschnappt der Schüler eine | ||||||
04 | Art von Vernunft, ehe noch der Verstand an ihm ausgebildet wurde, und | ||||||
05 | trägt erborgte Wissenschaft, die an ihm gleichsam nur geklebt und nicht | ||||||
06 | gewachsen ist, wobei seine Gemüthsfähigkeit noch so unfruchtbar wie jemals, | ||||||
07 | aber zugleich durch den Wahn von Weisheit viel verderbter geworden | ||||||
08 | ist. Dieses ist die Ursache, weswegen man nicht selten Gelehrte | ||||||
09 | (eigentlich Studirte) antrifft, die wenig Verstand zeigen, und warum die | ||||||
10 | Akademien mehr abgeschmackte Köpfe in die Welt schicken als irgend ein | ||||||
11 | anderer Stand des gemeinen Wesens. | ||||||
12 | Die Regel des Verhaltens also ist diese: zuvörderst den Verstand zu | ||||||
13 | zeitigen und seinen Wachsthum zu beschleunigen, indem man ihn in Erfahrungsurtheilen | ||||||
14 | übt und auf dasjenige achtsam macht, was ihm die verglichene | ||||||
15 | Empfindungen seiner Sinne lehren können. Von diesen Urtheilen | ||||||
16 | oder Begriffen soll er zu den höheren und entlegnern keinen kühnen | ||||||
17 | Schwung unternehmen, sondern dahin durch den natürlichen und gebähnten | ||||||
18 | Fußsteig der niedrigern Begriffe gelangen, die ihn allgemach weiter | ||||||
19 | führen; alles aber derjenigen Verstandesfähigkeit gemäß, welche die vorhergehende | ||||||
20 | Übung in ihm nothwendig hat hervorbringen müssen, und | ||||||
21 | nicht nach derjenigen, die der Lehrer an sich selbst wahrnimmt, oder wahrzunehmen | ||||||
22 | glaubt, und die er auch bei seinem Zuhörer fälschlich voraussetzt. | ||||||
23 | Kurz, er soll nicht Gedanken, sondern denken lernen; man soll ihn | ||||||
24 | nicht tragen, sondern leiten, wenn man will, daß er in Zukunft von | ||||||
25 | sich selbst zu gehen geschickt sein soll. | ||||||
26 | Eine solche Lehrart erfordert die der Weltweisheit eigene Natur. Da | ||||||
27 | diese aber eigentlich nur eine Beschäftigung für das Mannesalter ist, so | ||||||
28 | ist kein Wunder, daß sich Schwierigkeiten hervorthun, wenn man sie der | ||||||
29 | ungeübteren Jugendfähigkeit bequemen will. Der den Schulunterweisungen | ||||||
30 | entlassene Jüngling war gewohnt zu lernen. Nunmehr denkt er, er | ||||||
31 | werde Philosophie lernen, welches aber unmöglich ist, denn er soll | ||||||
32 | jetzt philosophiren lernen. Ich will mich deutlicher erklären. Alle | ||||||
33 | Wissenschaften, die man im eigentlichen Verstande lernen kann, lassen | ||||||
34 | sich auf zwei Gattungen bringen: die historische und mathematische. | ||||||
35 | Zu den ersteren gehören außer der eigentlichen Geschichte auch die Naturbeschreibung, | ||||||
36 | Sprachkunde, das positive Recht etc. etc. Da nun in allem, | ||||||
37 | was historisch ist, eigene Erfahrung oder fremdes Zeugniß, in dem aber, | ||||||
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