Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 197

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 mehr werden die übrige verdunkelt und ihre Klarheit verringert, so daß      
  02 das Positive, was bei einer solchen Veränderung wirklich wird, mit einer      
  03 realen und wirklichen Entgegensetzung verbunden ist, die, wenn man alles      
  04 nach der erwähnten Art zu schätzen zusammen nimmt, den Grad des Positiven      
  05 durch die Veränderung weder vermehrt noch vermindert.      
           
  06 Der zweite Satz ist folgender: Alle Realgründe des Universum,      
  07 wenn man diejenige summirt, welche einstimmig sind      
  08 und die von einander abzieht, die einander entgegengesetzt      
  09 sind, geben ein Facit, das dem Zero gleich ist. Das Ganze der      
  10 Welt ist an sich selbst Nichts, außer in so fern es durch den Willen eines      
  11 andern Etwas ist. Es ist demnach die Summe aller existirenden Realität,      
  12 in so fern sie in der Welt gegründet ist, für sich selbst betrachtet dem      
  13 Zero = 0 gleich. Ob nun gleich alle mögliche Realität in Verhältniß      
  14 auf den göttlichen Willen ein Facit giebt, das positiv ist, so wird gleichwohl      
  15 dadurch das Wesen einer Welt nicht aufgehoben. Aus diesem Wesen      
  16 aber fließt nothwendiger Weise, daß die Existenz desjenigen, was in ihr      
  17 gegründet ist, an und für sich allein dem Zero gleich sei. Also ist die      
  18 Summe des Existirenden in der Welt in Verhältniß auf denjenigen      
  19 Grund, der außer ihr ist, positiv, aber in Verhältniß der inneren Realgründe      
  20 gegen einander dem Zero gleich. Da nun in dem ersten Verhältnisse      
  21 niemals eine Entgegensetzung der Realgründe der Welt gegen den      
  22 göttlichen Willen statt finden kann, so ist in dieser Absicht keine Aufhebung,      
  23 und die Summe ist positiv. Weil aber in dem zweiten Verhältnisse das      
  24 Facit Zero ist, so folgt, daß die positiven Gründe in einer Entgegensetzung      
  25 stehen müssen, in welcher sie betrachtet und summirt Zero geben.      
           
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Anmerkung zur zweiten Nummer.
     
           
  27 Ich habe diese zwei Sätze in der Absicht vorgetragen, um den Leser      
  28 zum Nachdenken über diesen Gegenstand einzuladen. Ich gestehe auch,      
  29 daß sie für mich selbst nicht licht genug, noch mit genugsamer Augenscheinlichkeit      
  30 aus ihren Gründen einzusehen sind. Indessen bin ich gar sehr      
  31 überführt, daß unvollendete Versuche, im abstracten Erkenntnisse problematisch      
  32 vorgetragen, dem Wachsthum der höhern Weltweisheit sehr zuträglich      
  33 sein können: weil ein anderer sehr oft den Aufschluß in einer tief      
  34 verborgenen Frage leichter antrifft, als derjenige, der ihm dazu Anla      
  35 giebt und dessen Bestrebungen vielleicht nur die Hälfte der Schwierigkeiten      
           
     

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