Kant: AA I, Geschichte und Naturbeschreibung ... , Seite 449

     
           
 

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  01 bei Santorino im Mittelländischen Meer, die in unserm Jahrhundert vor      
  02 den Augen vieler Menschen aus dem Meeresgrunde in die Höhe kam, und      
  03 viele andere Beispiele, die ich der Weitläuftigkeit wegen übergehe, sind unverwerfliche      
  04 Beweise hievon.      
           
  05 Wie oft erleiden nicht die Schiffer ein Seebeben; und es sind in einigen      
  06 Gegenden, vornehmlich in der Nachbarschaft gewisser Inseln, die Meere      
  07 mit den Bimssteinen und anderer Gattung vom Auswurfe eines durch      
  08 den Boden des Oceans ausgebrochenen Feuers genugsam angefüllt. Die      
  09 Bemerkung der häufigen Erschütterungen des Seegrundes hängt mit der      
  10 Frage natürlicher Weise zusammen: woher unter allen Örtern des      
  11 festen Landes keine heftigern und öfteren Erdbeben unterworfen      
  12 sind, als diejenige, die nicht weit vom Meeresufer liegen.      
  13 Dieser letztere Satz hat eine unzweifelhafte Richtigkeit: Laßt uns die Geschichte      
  14 der Erdbeben durchlaufen, so finden wir unendlich viel Unglücksfälle,      
  15 die Städten oder Ländern durch Erdbeben widerfahren sind, welche      
  16 nahe beim Seeufer liegen, aber sehr wenige und alsdann von geringer Erheblichkeit,      
  17 welche in der Mitte des festen Landes wahrgenommen worden.      
  18 Die alte Geschichte berichtet uns schon entsetzliche Verheerungen, die dieses      
  19 Unheil an den Meeresküsten von Kleinasien oder Afrika verübt hat. Wir      
  20 finden aber weder darunter noch unter den neuern beträchtliche Erschütterungen      
  21 in der Mitte großer Länder. Italien, welches eine Halbinsel ist,      
  22 die mehresten Inseln aller Meere, der Theil von Peru, der am Meeresufer      
  23 liegt, erleiden die größte Anfälle dieses Übels. Und noch in unsern      
  24 Tagen sind alle westliche und südliche Küsten von Portugal und Spanien      
  25 weit mehr erschüttert worden, als das Innere des festen Landes. Ich gebe      
  26 von beiden Fragen folgende Auflösung.      
           
  27 Unter allen fortgehenden Höhlen, die unter der obersten Rinde der      
  28 Erde begriffen sind, müssen diejenige ohne Zweifel die engsten sein, die      
  29 unter dem Meergrunde fortlaufen, weil daselbst der fortgesetzte Boden des      
  30 festen Landes in die größte Tiefe herabgesunken ist und weit niedriger auf      
  31 seiner untersten Grundlage ruhen muß, als die Örter, die gegen die Mitte      
  32 des Landes hinliegen. Nun ist es aber bekannt, daß in engen Höhlen eine      
  33 entzündete, sich ausdehnende Materie heftiger um sich wirken müsse, als      
  34 wo sie sich ausbreiten kann. Überdem ist es natürlich zu glauben, daß,      
  35 da bei der unterirdischen Erhitzung nicht zu zweifeln ist, die aufwallende      
  36 mineralischen und entzündbare Materien werden sehr öfters in Fluß gerathen      
  37 sein, wie die Schwefelströme und die Lava, die aus den feuerspeienden      
           
     

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