Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 146

     
           
 

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Text (Kant):

 

Randtext (Kant)

 

 

 
  01 daß er in dem Anfangsaugenblicke selber diese lebendige Kraft schon      
  02 habe. Denn das Gesetz der Continuität und selbst die Mathematik      
  03 beweiset, daß es einerlei sei, ob ich sage, der Körper befinde sich im      
  04 Anfangs=Augenblicke seiner Bewegung, oder in dem unendlich kleinen      
  05 Zeittheilchen nach demselben. Nun ist aber die Kraft in dem Anfangspunkte      
  06 der Bewegung selber todt: also kann man, ohne einen Widerspruch      
  07 zu begehen, nicht sagen, daß sie hernach lebendig sei, als wenn      
  08 man zugleich festsetzt, daß diese lebendige Kraft in ihr allererst nach      
  09 einer endlichen Zeit nach der Wirkung der äußerlichen Ursache in ihr      
  10 angetroffen werde.      
           
  11 Die Naturkraft des Körpers setzt nämlich den von Erläuterung    
  12 draußen empfangenen Eindruck in sich selber fort, und desselben.    
  13 indem sie durch eine fortgesetzte Bestrebung die Intension,      
  14 die vorher wie ein Punkt war, in sich häuft, bis sie wie eine Linie      
  15 wird, die der von draußen in sie erregten Kraft, die sich wie die Geschwindigkeit      
  16 verhielt, proportional ist, so häuft sie hiedurch die von      
  17 draußen erlangte Kraft selber, welche vorher auch nur wie eine Linie      
  18 war, daß sie jetzt wie eine Fläche ist, in der die eine Seite die äußerlich      
  19 ertheilte Geschwindigkeit und Kraft vorstellt, die andere aber die      
  20 aus dem Inneren des Körpers von selber erwachsene Intension vorbildet,      
  21 die jener proportional ist.      
           
  22
§ 123.
     
           
  23 Denjenigen Zustand, da die Kraft des Körpers zwar Was die Vivification    
  24 noch nicht lebendig ist, aber doch dazu fortschreitet, nenne ist.    
  25 ich die Lebendigwerdung oder Vivification derselben.      
           
  26 In der Zwischenzeit also, darin die Kraft sich zur Wie die Intension    
  27 lebendigen erhebt, welche zwischen den beiden Punkten, während    
  28 dem Anfangspunkte und demjenigen, da die Kraft schon der Lebendigwerdung    
  29 völlig lebendig ist, begriffen wird, hat der Körper noch der    
  30 nicht seine Kraft und Geschwindigkeit in sich selber hinlänglich Kraft beschaffen    
  31 gegründet. Hier wird es vielleicht meinem Leser sei.    
  32 einfallen zu fragen, wie denn der Körper in dieser Zwischenzeit im      
  33 Stande sei, seine ihm ertheilte Geschwindigkeit frei und einförmig zu      
  34 erhalten und fortzusetzen, da er doch alsdann seine Kraft und Bewegung      
  35 in sich selber noch nicht hinlänglich gegründet hat und folglich      
           
     

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