Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 095 |
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| 01 | könne, zu schließen, daß die Kräfte der Körper in diesem Zustande wie | ||||||
| 02 | das Quadrat ihrer Geschwindigkeit sein müßten, da sie bei einer unendlich | ||||||
| 03 | kurz gedauerten Bewegung, oder, welches einerlei ist, bei der | ||||||
| 04 | bloßen Bestrebung zu derselben nichts wie die Geschwindigkeit zum | ||||||
| 05 | Maße haben. Ich schloß hieraus: wenn die Mathematik die Wirklichkeit | ||||||
| 06 | der Bewegung als den Grund der Schätzung nach dem Quadrat | ||||||
| 07 | für sich hat und sonst nichts, so müssen ihre Schlüsse sehr hinken. | ||||||
| 08 | Mit diesem gegründeten Mißtrauen in Ansehung aller Leibnizischen | ||||||
| 09 | Beweise bewappnet, griff ich die Schlusse der Vertheidiger dieser | ||||||
| 10 | Schätzung an, um außer dem, daß ich nunmehr wußte, es müßten in | ||||||
| 11 | denselben Fehler vorhanden sein, auch zu wissen, worin sie bestehen. | ||||||
| 12 | Ich bilde mir ein, mein Vorhaben habe mir nicht gänzlich fehl geschlagen. | ||||||
| 13 | § 89. |
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| 14 | Wenn man sich jederzeit dieser Art zu denken beflissen | Der Mangel | |||||
| 15 | hätte, so hätte man sich in der Philosophie viel Irrthümer | dieser Methode | |||||
| 16 | ersparen können, zum wenigsten wäre es ein Mittel gewesen, | ist eine Ursache | |||||
| 17 | sich aus denselben viel zeitiger heraus zu reißen. | mit gewesen, | |||||
| 18 | Ich unterstehe mich gar zu sagen, daß die Tyrannei der | woher gewisse | |||||
| 19 | Irrthümer über den menschlichen Verstand, die zuweilen | offenbare Irrthümer | |||||
| 20 | ganze Jahrhunderte hindurch gewährt hat, vornehmlich von | sehr | |||||
| 21 | dem Mangel dieser Methode, oder anderer, die mit derselben | lange sind verborgen | |||||
| 22 | eine Verwandtschaft haben, hergerührt hat, und | geblieben. | |||||
| 23 | daß man sich also dieser nunmehr vor andern zu befleißigen habe, um | ||||||
| 24 | jenem Übel inskünftige vorzubeugen. Wir wollen dieses beweisen. | ||||||
| 25 | Wenn man vermittelst gewisser Schlüsse, die irgendwo einen | ||||||
| 26 | Fehler versteckt halten, der sehr scheinbar ist, eine gewisse Meinung | ||||||
| 27 | erwiesen zu haben glaubt, und man hat hernach kein anderes Mittel, | ||||||
| 28 | die Ungültigkeit des Beweises gewahr zu werden, als nur so, daß sich | ||||||
| 29 | zuerst der Fehler entdecke, der in demselben verborgen liegt, und da | ||||||
| 30 | man also vorher wissen müsse, was es für ein Fehler sei, der den | ||||||
| 31 | Beweis verwerflich macht, ehe man sagen kann, daß einer in demselben | ||||||
| 32 | befindlich sei, wenn man, sage ich, keine andre Methode als diese hat, | ||||||
| 33 | so behaupte ich, der Irrthum werde ungemein lange unentdeckt bleiben, | ||||||
| 34 | und der Beweis werde unzählige mal betrügen, ehe der Betrug offenbar | ||||||
| 35 | wird. Die Ursache hievon ist folgende. Ich setze voraus: daß, | ||||||
| 36 | wenn die in einem Beweise vorkommende Sätze und Schlüsse vollkommen | ||||||
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