Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 039

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zum Maße haben; welches solche Ausschweifungen sind, die niemand      
  02 unternehmen wird zu vertheidigen.      
           
  03 Man darf an der Richtigkeit dieser Schlüsse nicht zweifeln. Denn      
  04 wenn man verlangt, daß eine Zeit von bestimmter Größe, die von      
  05 dem Anfange der Bewegung eines Körpers bis zu einem gewissen      
  06 Punkte verfließt, die Bedingungen der lebendigen Kraft ganz und gar      
  07 in sich fasse: so kann man auch nicht leugnen, daß in einer zweimal      
  08 größeren Zeit auch zweimal mehr von diesen Bedingungen sein würden,      
  09 denn die Zeit hat keine andere Bestimmungen wie ihre Größe. Und      
  10 wenn daher eine einfache Zeit der zureichende Grund ist, eine neue      
  11 Dimension in die Kraft eines Körpers hineinzubringen: so wird eine      
  12 zwiefache Zeit zwei solcher Dimensionen setzen (nach der Regel: rationata      
  13 sunt in proportione rationum suarum ). Man kann noch hinzu setzen:      
  14 daß die Zeit nur deswegen eine Bedingung zur lebendigen Kraft sein      
  15 konnte, weil der Körper bei der Verfließung derselben sich von der      
  16 Bedingung der todten, welche in dem Anfangsaugenblicke besteht, entfernt;      
  17 und deswegen diese Zeit eine bestimmte Größe haben müsse,      
  18 weil er in weniger Zeit sich von den Bestimmungen der todten Kraft      
  19 nicht genugsam entfernt haben würde, als es die Größe einer lebendigen      
  20 Kraft erfordert. Da er sich nun in einer größeren Zeit von      
  21 dem Anfangsaugenblicke, d. i. von der Bedingung der todten Kraft,      
  22 immer weiter entfernt: so müßte die Kraft des Körpers ins unendliche,      
  23 je länger er sich bewegt, auch bei seiner einförmigen Geschwindigkeit      
  24 immer mehr und mehr Abmessungen erlangen; welches ungereimt      
  25 ist.      
           
  26 Es ist also erstens die Abwesenheit der Wirklichkeit der      
  27 Bewegung nicht die wahre und rechte Bedingung, welche der      
  28 Kraft eines Körpers die Schätzung der schlechten Geschwindigkeit      
  29 zueignet.      
           
  30 Zweitens: weder die Wirklichkeit der Bewegung überhaupt      
  31 und die damit verknüpfte allgemeine und unbestimmte      
  32 Betrachtung der verflossenen Zeit, noch die bestimmte und      
  33 gesetzte Größe der Zeit ist ein zureichender Grund der      
  34 lebendigen Kraft und der Schätzung derselben nach dem      
  35 Quadrat der Geschwindigkeit.      
           
           
     

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