Kant: AA VIII, Über die Buchmacherei. ... , Seite 433 |
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01 | Erster Brief. |
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02 | An Herrn Friedrich Nicolai, den Schriftsteller. |
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03 | Die gelehrte Reliquien des vortrefflichen (oft auch ins Komisch | ||||||
04 | Burleske malenden) Mösers fielen in die Hände seines vieljährigen | ||||||
05 | Freundes, des Herrn Friedrich Nicolai. Es war ein Theil einer fragmentarischen | ||||||
06 | Abhandlung Mösers mit der Aufschrift: Über Theorie | ||||||
07 | und Praxis, welche jenem in der Handschrift mitgetheilt worden, und | ||||||
08 | wie Herr Nicolai annimmt, daß Möser selbst sie würde mitgetheilt haben, | ||||||
09 | wenn er sie noch ganz beendigt hätte, und wobei angemerkt wird: da | ||||||
10 | Möser nicht allein Royalist, sondern auch, wenn man es so nennen will, | ||||||
11 | ein Aristokrat oder ein Vertheidiger des Erbadels zur Verwunderung und | ||||||
12 | zum Ärgerniß vieler neueren Politiker in Deutschland gewesen sei. | ||||||
13 | Unter andern habe man (S. Kants metaphysische Anfangsgründe der | ||||||
14 | Rechtslehre, erste Auflage, Seite 192) behaupten wollen: daß nie ein Volk | ||||||
15 | aus freiem und überlegtem Entschlusse eine solche Erblichkeit einräumen | ||||||
16 | würde. Wogegen denn Möser in seiner bekannten launichten Manier eine | ||||||
17 | Erzählung dichtet: da Personen in sehr hohen Ämtern gleich als Vice | ||||||
18 | Könige doch eigentlich als wahre Unterthanen des Staats auftreten | ||||||
19 | und zwölf Fälle angeführt werden, in deren sechs ersteren die Söhne | ||||||
20 | des verstorbenen Beamten übergangen werden, dafür es mit den Unterthanen | ||||||
21 | schlecht steht; dagegen man sie in den sechs letztern wählt, wobei | ||||||
22 | das Volk sich besser befindet; - woraus dann klar erhelle: daß ein ganzes | ||||||
23 | Volk seine eigne Erbunterthänigkeit unter einem höheren Mitunterthanen | ||||||
24 | gar wohl beschließen und handgreifliche Praxis diese, so wie manche | ||||||
25 | andere luftige Theorie zur Belustigung der Leser als Spreu wegblasen | ||||||
26 | werde. | ||||||
27 | So ist es mit der auf den Vortheil des Volks berechneten Maxime | ||||||
28 | immer bewandt: daß, so klug es sich auch durch Erfahrung geworden zu | ||||||
29 | sein dünken möchte, wen es sich zum subalternen Herrscher wählen | ||||||
30 | wollte: es kann und wird sich dabei oft häßlich verrechnen, weil die | ||||||
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