Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 331 |
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01 | der Verminderung endlich in den gänzlichen Mangel der | ||||||
02 | Überlegung und des Denkens verliert. In der That, wenn man erwägt, | ||||||
03 | daß der Mittelpunkt der Natur zugleich der Anfang ihrer Bildung | ||||||
04 | aus dem rohen Zeuge und ihre Grenze mit dem Chaos ausmacht; | ||||||
05 | wenn man dazu setzt, daß die Vollkommenheit geistiger Wesen, welche | ||||||
06 | wohl eine äußerste Grenze ihres Anfanges hat, wo ihre Fähigkeiten | ||||||
07 | mit der Unvernunft zusammenstoßen, aber keine Grenzen der Fortsetzung, | ||||||
08 | über welche sie nicht könnte erhoben werden, sondern nach der | ||||||
09 | Seite hin eine völlige Unendlichkeit vor sich findet; so wird man, wenn | ||||||
10 | ja ein Gesetz statt finden soll, nach welchem der vernünftigen Creaturen | ||||||
11 | Wohnplätze nach der Ordnung ihrer Beziehung zum gemeinschaftlichen | ||||||
12 | Mittelpunkte vertheilt sind, die niedrigste und unvollkommenste Gattung, | ||||||
13 | die gleichsam den Anfang des Geschlechtes der Geisterwelt ausmacht, | ||||||
14 | an demjenigen Orte zu setzen haben, der der Anfang des gesammten | ||||||
15 | Universi zu nennen ist, um zugleich mit diesem in gleicher Fortschreitung | ||||||
16 | alle Unendlichkeit der Zeit und der Räume mit ins unendliche | ||||||
17 | wachsenden Graden der Vollkommenheit des Denkungsvermögens | ||||||
18 | zu erfüllen und sich gleichsam nach und nach dem Ziele der höchsten | ||||||
19 | Trefflichkeit, nämlich der Gottheit, zu näheren, ohne es doch jemals erreichen | ||||||
20 | zu können. | ||||||
21 | Achtes Hauptstück. |
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22 | Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit einer mechanischen Lehrverfassung, |
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23 | der Einrichtung des Weltbaues überhaupt, insonderheit |
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24 | von der Gewißheit der gegenwärtigen. |
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25 | Man kann das Weltgebäude nicht ansehen, ohne die trefflichste | ||||||
26 | Anordnung in seiner Einrichtung und die sicheren Merkmaale der Hand | ||||||
27 | Gottes in der Vollkommenheit seiner Beziehungen zu kennen. Die | ||||||
28 | Vernunft, nachdem sie so viel Schönheit, so viel Trefflichkeit erwogen | ||||||
29 | und bewundert hat, entrüstet sich mit Recht über die kühne Thorheit, | ||||||
30 | welche sich unterstehen darf, alles dieses dem Zufalle und einem glücklichen | ||||||
31 | Ungefähr zuzuschreiben. Es muß die höchste Weisheit den Entwurf | ||||||
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