Text 137, Sigmund von Birken: Spiegel, Nürnberg 1668

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Text 137

Sigmund von Birken: Spiegel der Ehren des (...) Erzhauses Oesterreich (...) 1212 anfahend (...) 1519 sich endend. Erstlich vor mer als C Jahren verfasset durch (...) Johann Jacob Fugger (...) nunmehr aber (...) aus dem Original neu-uͤblicher uͤmgesetzet (...) erweitert (...) durch Sigmund von Birken

Nürnberg, 1668, Michael und Johann Friedrich Endter, A-CIIIj 1 (= 36 S.), 1416 S.
Ostfraenkisch (Nuernberg), Nürnberg.
Zeitraum: VII, 1668.
aufgenommen: S. 66-104.
Vorlage: lateinische Vorlage Johann Jacob Fuggers
Verfasser: Sigmund von Birken, *1626 in Waldstein/Eger, lebte überwiegend in Nürnberg, dort †1681
Schreiber: vermutl. Clemens Jäger, Ratsdiener in Augsburg
Drucker: Michael Endter, *1613 in Nürnberg, tätig in der Offizin Endter, †1682 in Nürnberg, und Johann Friedrich Endter, sein Bruder
Textart: Chronikalischer und Berichtstext
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10 Jn diesem stuck haben der loͤbliche Raht
11 und Buͤrgerschafft zu Straßburg den Roͤmern
12 nachgeahmet/ welche ihren wolverdienten
13 Kriegsfuͤrsten dergleichen Statuas
14 Equestres oder Ritterseulen offentlich zu
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1 widmen pflegten: wovon beym Lazio und
2 Rosino zulesen ist. Sie haben aber auch
3 dadurch/ indem sie unsern Rudolphum
4 auf Roͤmisch geehret/ unwissend gleichsam
5 ein Vorzeichen aufgestellet/ daß die Roͤmische
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1 Kron dermaleinst auf ihn und seine
2 Nachkommen erben wuͤrde. Den Tittel/
3 Victiriosus, der Sieghaffte/ deme sie ihm
4 in der Unterschrifft zugeeignet/ hatte er/
5 nicht nur in diesem/ sondern auch in vor-
6 und nachgehenden Kriegen verdienet/ den er
7 auch nachmals in allen Historien und Jahrbuͤchern
8 behalten: inmassen er in 14 Feldschlachten
9 die oberhand behalten/ und alle
10 seine Kriege mit Sieg soll hinausgefuhret
11 haben.
12 Rudolphus wurde/ nach sovielen
13 Siegen/ ein Schrecken derer/ so gewalt
14 uͤbten; und hingegen eine Zuflucht derer/
15 so gewalt litten. Er ware allbereit in der
16 that ein Keyser/ ehe er den Nahmen und
17 Tittel eines Keysers bekommen: dann/ da
18 andere Fuͤrsten und Herren/ bey damahliger
19 Unruhe des hauptlosen Reichs/ sich andere
20 zubedraͤngen befliessen/ ware er allein
21 derjenige/ der die Bedrangten schuͤtzte und
22 vertheidigte.
23 Die Stadt Zuͤrich / besorgte sich/
24 bey solchem fortwuͤrigen Unwesen/ einer
25 Feindseeligkeit von ihren Nachbaren/ sonderlich
26 aber von den Prælaten: weil sie
27 Keys. Friderichs partey gehalten/ und daher
28 ihnen verhasst ware. Aus furcht nun/
29 daß sie/ durch deren frevelhafften Uberfall/
30 ( wie andern Staͤdten geschehen ) vom
31 Reich und um ihre Freyheit kommen mochte/
32 wurde der Raht und gemeine Burgerschafft
33 entschlossen/ einen Schutzherrn/ bis
34 wieder ein Keyser erwehlt wurde/ anzunehmen.
35 Nun ware dazumal/ Herr Ulrich von Regensberg /
36 der maͤchtigsten Landherren
37 einer in Helvetien / uͤberdas ihr naͤchster
38 Nachbar/ der auch rings um sie her seine
39 faͤste Staͤdte und Schloͤsser hatte. Zu diesem
40 schickten sie ihre Botschafft/ und liessen
41 ihm/ mit versprechen einer ansehnlichen Besoldung/
42 solches Schutz-Amt auftragen.
43 Aber sie lieffen uͤbel damit an. Der von Regensberg /
44 hatte sich etwan schon lang
45 ihnen in die haare gewuͤnschet: weil er nun
46 merkte/ daß sie in furchten waͤren/ gedachte
47 er/ daß diß die rechte zeit sey/ sie unterzudrucken.
48 Demnach gabe er/ den Gesandten/
49 diese stoltze und trotzige Antwort: Er verwundere
50 "sich/ daß die Zuͤricher mit ihrem
51 "Geld ihn zum Knecht erkauffen wolten.
52 "Er habe/ weder ihrer huͤlffe/ noch
53 "ihres Solds/ vonnoͤten/ als der sich/ an
54 "Geld und Gut/ an Land und Leuten/ reich
55 "genug befinde. Dafern sie sich ihm unterwerffen/
56 "und ihme/ als ihrem Oberherren/
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1 schwoͤren wolten/ waͤre er gesonnen/
2 sie gnaͤdiglich zubeherrschen/ und
3 wider allen fremden gewalt zu schuͤtzen. "
4 Jm fall sie aber solches nicht in der guͤte "
5 thun wolten/ solten sie bald darzu gezwungen "
6 werden: weil er sie/ mit seinen "
7 Schloͤssern und Vestungen/ gleichwie "
8 die Fische mit Netzen und Reussen/ umzogen "
9 haͤtte.
10 Aus dieser Antwort/ konten die von
11 Zuͤrich leichtlich abnehmen/ daß sie nicht
12 allein ihrer hoffnung beraubt/ sondern auch
13 aus der hitze gar ins fieber gefallen waͤren/
14 und/ an stat der begehrten Freundschafft/
15 des von Regensberg Feindschafft zuerwarten
16 haͤtten. Weil ihnen nun Gr. Rudolfs von Habsburg
17 edles Gemuͤt/ auch wasmassen
18 er andere Staͤdte maͤchtiglich beschuͤtzet/
19 bekandt ware: als nahmen sie ihre
20 zuflucht zu ihme/ und baten ihn durch ihre
21 Gesandten/ daß er wider den von Regensberg /
22 da er sie bedraͤngen wuͤrde/ und wider
23 andere seines gleichen/ ihr Schutzherr und
24 Hauptmann seyn wolte. Rudolphus, der/
25 den Unterdruckten huͤlfflich beyzutretten/
26 hingegen die frevelhafften zu unterdrucken/
27 von Natur geneigt ware/ uͤberdas wider
28 den von Regensberg ( als der ihn/ wie etliche/
29 wiewol nicht umstaͤndlich/ schreiben/ in
30 seiner jugend soll ausgekrieget haben ) einen
31 alten Groll hatte/ liesse sich hierzu leichtlich
32 erbitten/ zumal/ weil er wuste/ daß die Zuͤricher
33 gute Kriegsleute waren/ deren dienstes
34 er sich solchergestalt wuͤrde zugebrauchen
35 haben. Demnach kame er alsobald
36 nach Zuͤrich / daselbst er sich mit den Burgern
37 eidlich verbunden/ und darauf mit ihhen/
38 auf allen fall/ sich zum Kriege geruͤstet.
39 Zu ende diß Jahrs/ starb Grav Hartman
40 der aͤltere und letzte zu Kyburg / Rudolphi
41 Mutter Bruder/ der von ihme die drey
42 stattlichen Gravschafften/ Kyburg / Baden
43 und Lentzburg / sein Vetter aber/ Gr. Gottfried /
44 als Hartmanni Tochtermann/ die
45 Landgravschaft Nider-Burgund / samt
46 Burgdorf und Thuͤn / erbte. Solchergestalt
47 ward Rudolphus dermassen reich
48 an Land und Leuten/ daß er den maͤchtigsten
49 Graven in Teutschland die wage halten
50 konte. Es wurde ihm aber diese Erbnehmung
51 anfangs etwas sauer gemacht/ durch
52 Gr. Hartmans Wittib/ welche durchaus
53 mit der Gravschafft Baden bewittumt bleiben/
54 und ihm dieselbe nicht abtretten wolte.
55 Jhr Bruder/ Gr. Peter von Saffoy /
56 als Rudolphus sich darwider setzte/ wolte
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1 sie darbey schuͤtzen/ auch hierneben sich der
2 Stadt Freyburg in Uchtland / die er ihm
3 wol anstaͤndig achtete/ zu bemaͤchtigen/ gelegenheit
4 suchen: bewarb sich derhalben um
5 Huͤlffe und Kriegsvolk/ und brachte den
6 von Regensberg auf seine seite. Aber Rudolphus,
7 wolte seines anzugs nicht erwarten/
8 sondern kame ihm zuvor/ und fiele ihm
9 selber ins Land mit seinen dapfren wolgeuͤbten
10 Reisigen. Nach etlichen Scharmuͤtzeln/
11 brachte er ihn durch list und gewalt
12 dahin/ daß er Frieden suchte/ seines vorhabens/
13 andere heimzusuchen vergasse/ und
14 froh ward/ daß er dieser Gaͤste wieder loß werden/
15 und in dem seinigen selbst mit ruhe
16 bleiben mochte: inmassen ihm allbereit etliche
17 plaͤtze waren abgenom̅en worden. Diß
18 geschach im eingang des 1265sten Jahrs.
19 Die von Wintertur hatten/ noch
20 bey lebzeiten Hartmanni, sich nach der
21 Freyheit umgesehen/ das alte Roͤmische
22 Schloß/ naͤchst ober der Stadt gelegen/
23 undergerissen/ und sich sonst mehr Frevels
24 geluͤsten lassen. Dieser Unfug halber/ wurden
25 sie von Rudolpho unversehens belaͤgert/
26 und in kurtzen zu gehorsam gebracht/
27 da sie dann mit einer starken Geldbusse ihm
28 die begnadigung abkauffen musten. Nach
29 diesem haben ihn/ die von Freyburg in Uchtland /
30 durch Conraden von Wetiswyl /
31 nachdem sie von Gr. Eberharden / seinem
32 Vettern/ in diesen gefaͤhrlichen Laͤufften
33 ( sonderlich weil der Gr. von Saffoy ein
34 aug auf sie hatte ) sich geringen Schutzes
35 versehen konten/ zum Schutzherrn angenommen.
36 Diese Stadt hat Rudolphus
37 hernach nimmer aus seinen handen lassen
38 wollen: daher sie ihm endlich sein Vetter/
39 wie an seinem ort soll erwaͤhnt werden/ um
40 ein stuck Gelds kaͤufflich uͤberlassen.
41 Der von Regensberg / konte ihm/ nach
42 endung dieses Kriegs/ wol einbilden/ daß es
43 nunmehr ihme gelten wuͤrde/ und er nicht
44 zu feyren haͤtte. Demnach verband er sich
45 mit vielen Graven und Herren/ seinen Vettern/
46 Schwaͤgern und Befreundten/ als
47 mit den Graven von Rapperswyl / Nidow /
48 Tockenburg / Arberg und Homburg / mit
49 den Herren von Eschenbach / Kilchberg /
50 Rinkenberg / Palm und Warth. Soviel
51 Feinde hatte/ wie gewoͤhnlich/ die Tugend
52 in Rudolpho: welche so gar auch von seinen
53 naͤchsten Blutsfreunden/ den Graven
54 zu Habsburg / als die sich auch mit ( vielleicht
55 aus unwillen/ um/ daß die von Freyburg
56 sich in seinen Schutz begeben ) in diesen
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1 Bund ziehen lassen/ verfolgt wurde.
2 Diß verursachte der Neid/ uͤber dem Ruhm
3 der Dapferkeit Rudolphi, wodurch sich
4 diese andere/ als die Sternen von der Sonne/
5 verdunkelt sahen. Es mag auch wol
6 eine ursach gewesen seyn/ die obberuͤhrte
7 Weissagung des Astrologi von Rudolpho,
8 so ohne zweifel seinen Landsleuten
9 nicht unbekandt gewesen: daher er/ als ein
10 anderer Joseph / von seinen Bruͤdern und
11 Befreundten angefeindet und verfolgt/ aber
12 dadurch nur naͤher zum Ehrenziel gefoͤrdert
13 wurde/ indem sie/ als Uberwundene/ seine
14 Siegszeichen/ und folgbar die Lobstimmen
15 seines Ruhmgeruͤchts/ vermehreten. Also
16 geschahe auch vor dißmal/ wie der ausgang
17 bezeugen wird. Der Bischoff von Basel /
18 lage heimlich auch mit unter der decke: dessen
19 er hernach uͤbel entgelten muͤssen.
20 Das spiel wurde mit den Zuͤrichern
21 angefangen/ denen der von Regensberg ihre
22 Vorstaͤdte hinweggebrennt/ und eine
23 grosse Beute gleich anfangs davon gebracht.
24 Sie hatten diese Glocke gar heimlich
25 gegossen: dannenhero sich/ weder Rudolphus
26 noch die von Zuͤrich / eines so starken
27 Einfalls versehen. Rudolphus. hatte
28 viel Fußvolks in der Gravschafft Baden
29 und Kyburg ligend. Sobald er aber von
30 des Feinds Einfall botschafft bekommen/
31 machte er sich auf/ den Zuͤrichern zuhelffen/
32 mit 500 Pferden/ die er bey sich hatte: und
33 befahle dem uͤbrigen hauffen/ ihme nachzufolgen.
34
35 Der von Regensberg / hatte/ durch
36 seine Kundschaffter/ von diesem Anzug
37 nachricht eingebracht: demnach gedachte
38 er/ ihme mit seiner gantzen Macht unterwegs
39 vorzuwarten/ und ihn also mit seinem
40 haͤufflein aufzureiben. Aber dieses sein vorhaben
41 wurde zu nicht gemacht/ durch eine
42 laͤcherliche Begebnis: aus welcher abzunehmen/
43 daß GOtt seinen geliebten/ auch
44 durch kleine mittel/ grosse Huͤlffe zuthun
45 pflege/ und offtmals durch die Thoren der
46 Weisen Anschlaͤge hintertreibe. Als/ zu
47 vollziehung gedachten Anschlags/ die Voͤlker
48 zusammen gefuͤhrt wurden/ sagte der
49 von Regensberg zu den seinigen: Jch
50 meyne ja/ wir haben Leute genug/
51 dem von Habsburg seine grosse Nasen
52 zuzerschmeissen. Diß hoͤrte sein Hofnarr/
53 und verwunderte sich/ daß man soviel
54 Volks brauchen solte/ eine einige Nasen
55 zu uͤberwaͤltigen: bekame derhalben begierde/
56 diese Wunder-Nasen zusehen. Also
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1 machte er sich auf den weg/ und lieffe eilends
2 auf Kyburg zu/ allwo Rudolphus
3 sich dazumal enthielte. Als er daselbst ankommen/
4 und ins Gemach zu Rudolpho
5 eingelassen worden/ stunde er eine gute weil/
6 ihn anschauend und betrachtend/ endlich
7 fieng er an zu lachen/ und sagte: Wie ich
8 "sihe/ so ist die Nase so groß nicht/
9 "daß mein Herr soviel Volks brauche/
10 "dieselbe zu zerschlagen. Jch
11 "meyne/ ich wolle wol allein so stark
12 "seyn/ diese Nase dermassen zuzerdreschen/
13 "daß weder stumpf noch
14 "stiel davon soll uͤbrig bleiben. Rudolphus
15 lachte/ mit den seinen/ uͤber dieser
16 Abenteur/ merkte aber etwas anders darunter/
17 forschte von dem Narren/ und erfuhre
18 die hinterlist seiner Feinde. Demnach versammlete
19 er zu sich alle seine Voͤlker/ schriebe
20 auch denen von Zuͤrich / daß sie ihm entgegen ziehen/
21 und dem Feind in den Rucken
22 fallen solten. als nun die Regensbergischen
23 ihn so stark anziehen sahen/ befanden
24 sie sich in ihrer hoffnung geaͤffet: gleichwol
25 musten sie mit ihm schlagen/ auch eine harte
26 niderlag leiden/ und endlich/ mit schand
27 und schaden/ die flucht geben.
28 Diese blutige Abfaͤrtigung/ wolte den
29 Regensbergischen gar nicht schmecken:
30 und weil sie dergleichen bittre Bissen weiter
31 nicht zu kosten begehrten/ beschlossen sie/
32 forthin es zu keinem Haupt-Ernst mehr
33 kommen zulassen/ sondern allein von den
34 Schloͤssern die Habsburgischen/ und die
35 von Zuͤrich / zubelauren/ und sie also mit
36 Raub und Mord zubeschaͤdigen und auszumuͤden.
37 Dieser Anschlag/ gieng ihnen
38 baͤsser von statten/ als der vorige/ und geschahe/
39 auf diese weise/ Rudolpho und
40 den Zuͤrichern grosser abbruch/ weil sie sich
41 vor der Stadt nicht anderst/ als mit einem
42 starken hauffen/ dorften erblicken lassen.
43 Doch ist es ohne Scharmuͤtzel nicht abgangen:
44 in derer einem/ Rudolphus, sich
45 einst zutieff unter die Feinde geschwungen/
46 da er/ von ihnen umringet/ in gefahr seines
47 Lebens stunde/ gleichwol aber sich so dapfer
48 wehrte/ daß sie wol sahen/ wie er sein Leben
49 ihnen theuer genug zuverkauffen gesonnen
50 waͤre/ und sie also/ ungeacht sie ihm sein
51 Pferd erstochen/ sich nicht wol zu ihm nahen
52 dorften/ auser daß sie hofften/ die Muͤdigkeit
53 wuͤrde ihn endlich selber zu platz legen.
54 Solche seine Gefahr ersahe ein Burger
55 von Zuͤrich / nahmens Jacob Muͤller:
56 dieser/ nachdem er sich zu ihm durchgeschlagen/
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1 nahme ihn vor sich auf sein Pferd/
2 und brachte ihn also davon/ wie uͤbel auch
3 die Feinde damit mochten zufrieden seyn.
4 Also ward Rudolphus, der zu hoͤhern Sachen
5 verordnet und vorbehalten ware/ fuͤr
6 dißmal dem Tod aus dem rachen gerissen:
7 der dann seinem dapfren Erloͤser nachmals/
8 als er Keyser worden/ diesen guten Dienst
9 wol vergolten hat.
10 Itztgedachter Jacob Muͤller / ware
11 vordessen mit Rudolpho ( ungewiß/ aus
12 was ursachen ) in grosser Feindschafft gestanden:
13 und hatte ihm/ als ein handfaͤster
14 Mann/ viel seiner Leute auf der strassen niedergeworfen.
15 Einsmals aber/ wurde er/
16 von Rudolpho und seinen Reisigen/ auf
17 dem Feld angetroffen. Als er nun sahe/
18 daß er nicht zuentreiten vermochte/ sprang
19 er geschwind vom Pferd/ ließ die Kleider ab
20 und hauchte zur Erden/ gleich als wann er
21 sich ledig machen wolte. Rudolphus
22 sprengte ihn begierig an/ und rieffe ihm zu/
23 er solte sich wehren. Muͤller bate ihn/ wann
24 er ein rechtschaffner Reutersmann waͤre/
25 solte er seiner schonen/ bis er zuvor die Kleider
26 wieder aufgezogen haͤtte. Rudolphus,
27 sagte geschwind: ja ja Da antwortete
28 Muͤller: So ziehe sie S. Veltin auf/
29 und ich nicht Rudolphus sahe/ daß er
30 durch seine antwort gefangen ware/ thaͤte
31 ihm nichts am Leben/ fuͤhrte ihn mit sich
32 nach haus/ und gewann ihme das hertz also
33 ab/ daß er nachmals immer bey ihm geblieben/
34 und ihme ein nuͤtzlicher getreuer Diener
35 worden ist: wie dann aus vor-erzehlter
36 That genugsam erscheinet.
37 Aber/ wieder auf unsren Krieg zukommen/
38 nachdem Rudolphus sahe/ daß er
39 also wenig schaffete/ und nur die Zeit und
40 Leute unnuͤtzlich verloͤhre: wurde er rahts/
41 den Feind im Nest anzugreiffen/ und seine
42 Staͤdte und Schloͤsser/ es sey durch List
43 oder Gewalt/ einzunehmen. Baldern / das
44 naͤchste an Zuͤrich / ware das erste/ so er eroberte:
45 und zwar mit dieser List. Er versteckte
46 30 Fußknechte in ein Gebuͤsche/ mit
47 welchem um das Schloß her der Berg bewachsen
48 ware. Darnach befahle er 30
49 Reisigen/ daß sie das Schloß berennen/
50 und die Besatzung mit gezuckten Schwerdern/
51 auch allerhand trotz- und schmachreden/
52 herauslocken solten. Als nun die im
53 Schloß mit ihrer gantzen Macht auf diese
54 herausfielen/ und ihnen/ als die sich einer
55 Flucht anmasseten/ gar weit nachgesetzet:
56 da wuͤscheten/ die Versteckten/ aus dem Gebuͤsch
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1 hervor/ in das offne und leere Schloß
2 hinein/ welches sie alsobald anzuͤndeten.
3 Auf diß gegebene zeichen/ fiele Rudolphus
4 aus der Stadt/ den Reisigen zu huͤlff/ die
5 dann mit ihme sich gegen dem Feind umkehrten/
6 und sie alle/ entweder nidermachten/
7 oder gefangen nahmen. Hierauf
8 wurde das Schloß gepluͤndert/ und geschleiffet.
9
10 Das faͤste Schloß Utliberg / welches
11 nicht weit von diesem gelegen ware/ und
12 worauf man die gantze Stadt Zuͤrich uͤbersehen
13 konte/ auf deren auch der von Regensberg
14 sich meinst enthielte/ und allda sich wol
15 versichert achtete/ ward mit einer andern
16 und sonderbaren List uͤberwaͤltigt. Der von Regensberg
17 hatte 12 weisse Pferde/ und
18 eben soviel Windspiele/ oder Hetzhunde/
19 gleicher farbe: mit denen pflag er offtmals
20 ab- und zuzureiten. Rudolphus, hatte ihm
21 dieses abgemerket: demnach brachte er eben
22 solcher farb und anzahl Pferde und Hunde
23 zuwegen. Diese versteckte er mit ihren
24 Reutern/ ( deren er selber einer ware ) in einer
25 Nacht/ unferne von dem Schloß/ als
26 Ulricus den tag zuvor mit seinen Pferden
27 und Hunden verritten ware: den Zuͤrichern
28 aber befahle er/ wessen sie sich hierbey verhalten
29 solten. Am morgen/ zogen die Zuͤricher
30 mit ihrem Faͤhnlein aus der Stadt/
31 dem Orte zu/ da die 12 Reisigen hielten:
32 welche alsobald/ mit grossem geschrey/
33 berg-auf dem Schlosse zu sprengten/ und
34 von den Zuͤrichern verfolgt wurden. Die
35 Wacht am Thor/ von den Hunden und
36 Pferden geblendet/ meinte nicht anderst/ ihr
37 Herr werde vom Feind gejaget: dannenhero
38 liessen sie alsobald die Bruͤcke fallen/
39 und oͤffneten Rudolpho den eingang/ welcher
40 solang unter dem Thor verzoge/ bis
41 die Zuͤricher hernach kamen. Solcher gestalt
42 wurde auch dieses veste Schloß/ ( samt
43 einer reichen Beute ) erobert/ verbrennt und
44 zu grund verheeret: so im Monat September
45 geschehen. Durch diese zween gluͤckliche
46 streiche/ wurde der Hochmut des von Regensberg
47 nidergelegt/ auch die Geldmittel
48 durch solange und viele Kriegskosten
49 gaͤntzlich erschoͤpfet/ also/ daß er die Schloͤsser/
50 so ihm Rudolphus uͤbrig gelassen/ verpfaͤnden/
51 und hin und wider Geld aufnehmend
52 mit grossem Schuldenlast sich beladen
53 muste. So tratte̅ auch fast alle Bundsgenossen
54 von ihm ab/ und suchten sich mit
55 Rudolpho wieder zuversoͤhnen/ nachdem
56 sie sahen/ daß ihme alles nach wunsch hinausgienge/
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1 und es nicht sicher waͤre/ sich
2 mit ihm in Fehde einzulassen.
3 Rudolphus aber/ gedachte dem lauff
4 seines sieghafften Gluͤcks nachzuhaͤngen/
5 und machte abermals einen anschlag auf
6 das Staͤdtlein und Schloß Glantzenberg /
7 unterhalb Zuͤrich an der Lindmat gelegen:
8 und zwar auf diese weise. Er zoge/ in einer
9 Nacht/ mit seinen baͤsten Reisigen/ auf das
10 Staͤdtlein zu/ versteckte sich daselbst in einem
11 Eichwald/ und nahme alles/ was der
12 Stadt zuwolte/ gefangen/ damit er nicht
13 angesagt wuͤrde. Zuvor aber hatte er zwey
14 Schiffe mit grossen Faͤssern beladen/ und
15 in dieselben/ als in ein Trojanisches Holtzpferd/
16 eine anzahl dapfrer Zuͤricher gleichfalls
17 verstecket. Diesen befahl er/ mit anbrechendem
18 Tag/ gleich als wann es Kauffmannsschiffe
19 waͤren/ die nach Basel seglen
20 wolten/ den Fluß hinabzufahren: da er
21 dann wol wuste/ daß die Regensbergischen
22 aus Glantzenberg / die Schiffe anzuhalten
23 und zupluͤndern/ herausfallen wuͤrden.
24 Diß geschahe also: Die Glantzenberger
25 platzten heraus/ stuͤrmten mit Pfeilen und
26 Schleudersteinen auf die Schiffe loß/ und
27 noͤtigten sie/ dem augenschein nach/ daß sie
28 ans Land fahren musten. Als nun jederman
29 aus der Stadt lieffe/ und einen theil
30 an der Beute haben wolte/ eilte Rudolphus
31 mit den seinigen dem Thor zu/ und nahmen
32 die Stadt ein: indem krochen auch die Zuͤricher
33 aus den Faͤssern/ und scharmuͤtzelten
34 mit den Beutmachern/ denen Rudolphus
35 mit den Reisigen/ nachdem er die
36 Stadt-gassen und Thore besetzt/ zu huͤlff
37 kame. Also wurde den Burgern nicht allein
38 die Stadt abgerennet/ sondern sie musten
39 sich auch draussen vor dem Thor/ das
40 ihnen vor der Nasen zugeschlossen worden/
41 an Rudolphum ergeben. Die Zuͤricher
42 pluͤnderte̅ das Staͤdtlein samt dem Schloß/
43 und steckten es in brand: und zur gedaͤchtniß
44 dieser Eroberung/ fuͤhrten sie die Glocke
45 samt andern sachen/ so das feuer nicht
46 verzehren solte/ mit sich nach Zuͤrich / da
47 ein jedes/ gemeiner Stadt zu nutzen/ seinen
48 ort fande.
49 Der Ausgang dieses Kriegs/ welcher
50 bis in das folgende 1266ste Jahr gewaͤhret/
51 ware mit der heiligen Gerechtigkeit einstimmig/
52 und lieffe auf des Anfaͤngers verderben
53 hinaus. Ulrich von Regensberg / nunmehr
54 von aller Welt verlassen/ auch aller
55 seiner Staͤdte und Schloͤsser/ ( auf Regensberg
56 sasse sein Bruder/ Ludolphus, welcher
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1 sich in diesen Krieg nicht gemaͤnget/
2 und daher das seine behielte ) sowol durch
3 verpfaͤndung/ als durch List/ Gluͤck und
4 Dapferkeit Rudolphi, beraubet/ von allen
5 Geld- und Lebensmitteln entbloͤsst und seiner
6 Herrlichkeit entsetzt/ ware endlich in aͤuserste
7 armut gerahten und dermassen gedemuͤtigt/
8 daß er bey seinem herzugenoͤtigten
9 Feind Rudolpho Gnade suchen/ auch/ da
10 er zuvor/ der Zuͤricher Schutzherr zuwerden/
11 hochmuͤtiglich verweigert/ nunmehr
12 selbst sich in ihren Schutz begeben/ ihr Burger
13 und Pfruͤndner werden/ und sein noch
14 wenig - uͤbriges im Lande/ ihnen/ um ein
15 schlechtes Leibgeding auf lebenszeit/ uͤberlassen
16 und abtretten muste. Ein recht-merkwuͤrdiges
17 beyspiel der Goͤttlichen Straffverhaͤngniß
18 uͤber die hoffaͤrtigen daran
19 sich maͤnniglich zuspiegeln hat. Wie dann
20 "diß GOttes meinste arbeit ist/ daß er/
21 "gleichwie er im anfang aus Nichts Etwas
22 "gemacht/ also hingegen aus denen/
23 "so sich Etwas zuseyn duͤnken lassen/
24 "Nichts zumachen pfleget. So ruͤhmlich
25 hat Rudolphus seinen Feind gedemuͤtigt/
26 und seine Freunde/ die Zuͤricher geschuͤtzt:
27 welchen es ( wie Albrecht Muͤller in seiner
28 Chronik schreibt ) in allem gegluͤckt/ so lang
29 sie ihn zum Hauptmann gehabt.
30 Unter Ulrici Bundsverwandten/ war
31 noch der einige Gr. Crafft von Toggenburg /
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1 der nicht ruhen wolte/ und die
2 Habsburgischen aus seinem Schloß Uznaberg /
3 ( welches am Staͤdtlein Uzenach gelegen )
4 mit Raub und Mord beschaͤdigte.
5 Demnach ward dieses Schloß von Rudolpho
6 und den Zuͤrichern / aber langzeit vergeblich/
7 belaͤgert: dan̅ es ein uͤberaus-faͤster
8 ort ware. Rudolphus wurde zuletzt ungedultig/
9 nachdem er nun in das sechste Monat
10 die zeit unnuͤtzlich davor verloren hatte:
11 gleichwol achtete er es vor eine Schande/
12 die Belaͤgerung aufzuheben. So machte
13 der harte Winter/ die Knechte auch unwillig/
14 welche sich taͤglich verlohren. Die Belaͤgerten
15 hingegen/ waren gar trotzig/ und
16 entweder ihn zubespotten/ oder zuerweisen/
17 daß sie noch Lebensmittel genug haͤtten/
18 warfen sie etliche lebendige Fische uͤber die
19 Mauer heraus. Als die Rudolpho gebracht
20 wurden/ hielte er es vor ein gutes zeichen/
21 und sagte uͤberlaut: Nun ist Uznaberg
22 unser. Beschickte hierauf etliche Hirten
23 selbiger gegend/ deren einer ihm einen verborgnen
24 Gang in die Vestung anzeigte.
25 Durch denselben kame er/ mit etlichen hertzhafften
26 Zuͤrichern / heimlich in das Schloß/
27 welches sie der Besatzung ablieffen/ hernach
28 dem hellen hauffen das Thor oͤffneten. Also
29 wurde/ zu ende des Jahrs/ diß Schloß
30 erobert/ gepluͤndert/ in die Asche gelegt und
31 zu grund verstoͤret.
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1 Das 8. Capitel.
2 Rudolphi 7 und 8 Krieg.
3 Jnnhalt.
4 (]Rudolphi 7 Krieg/ mit Abt Berchtolden zu S. Gallen.
5 (}Blutige Kurtzweil zu Basel. (3) Feindschafft zwischen ihm
6 und dem Bischoff. (4) Rudolphus vertraͤgt sich mit dem Abt.
7 (5) Sein 8 Krieg mit Bisch. Heinrichen zu Basel. (6) Nach
8 einem kurtzen Anstand/ wird dieser Krieg scharf fortgesetzt.
9 (7) Andrer Anstand und Compromißbrief.
10 NAchdem Rudolphus
11 den von Regensberg
12 gedemuͤtiget/ bekame er
13 abermals ursach zu
14 kriegen/ mit Abt Berchtolden
15 zu S. Gallen /
16 welcher ein gebohrner
17 Grav von Falkenstein(] gewesen. Die
18 Gravschaft Kyburg gienge diesem Gotteshaus
19 zu lehen: und weil Rudolphus dieselbe
20 geerbet/ als ward er von dem Abt zum
21 oͤfftern durch Schreiben beruffen/ die Lehen
22 von ihm zu empfangen/ und die gewoͤhnliche
23 gebuͤhr und pflicht abzulegen. Als aber
24 Rudolphus damit verzoge und seiner nicht
25 groß achtete/ setzte er ihm endlich einen tag/
26 an welchem/ so er nicht erscheinen wuͤrde/
27 solte er der Lehen verlustigt seyn. Rudolphus,
28 der zuvor auf sein freundlichs begehren
29 sich zu nichts verstehen wollen/ thaͤte itzt
30 noch viel weniger/ da er ihm drohete. Er
31 hatte ursach/ dem Abt eine Feindschafft
32 nachzutragen/ sonderlich aber um eben dieser
33 Gravschaft willen. Jm verwichenen
34 Straßburger-Krieg/ hatte der Abt dem
35 Bischoff wider Rudolphum beystand geleistet:
36 nicht aus Liebe zum Bischoff/ oder
37 daß er seine Kriegsverfassung vor rechtmaͤssig
38 hielte/ sondern allein darum/ daß er
39 hoffete/ durch diesen weg Rudolphum unterzudrucken/
40 und alsdann sich der Stadt
41 Winterthur / auch anderer plaͤtze in der
42 Gravschaft Kyburg / zubemaͤchtigen. Er
43 hatte auch/ zu dem ende/ den Bischoff heimlich
44 wider Rudolphum verhetzet/ daß er/
45 wie er dann gethan/ in sein begehren/ wegen
46 zuruͤckgebung des Kyburgischen Schenkungsbriefs/
47 nicht bewilligen solte. Aus diesen
48 handlungen/ deren Rudolphus wolwissend
49 ware/ ist zwischen ihnen die Feindschaft/
50 und letztlich ein Krieg/ erwachsen.
51 Jndem aber Rudolphus sich zu diesem
52 Krieg ruͤstete/ ward ihme auch von der
53 Stadt Basel / sie zubekriegen/ ursach gegeben.
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1 Es hatten sich A. 1267 seine Vettern/
2 die zu Lauffenberg wohneten/ miteinander
3 verglichen/ auf den Fruͤling einen
4 Thurnier und Ritterspiel zu Basel anzustellen:
5 worzu dann eine grosse Ritterschaft
6 von Graven/ Freyherren und Edlen/ aus
7 dem Elsaß / Breisgaw / Suntgaw und andern
8 umligenden Landen/ erschienen. Als
9 nun dieses Freudenfest etliche tage gewaͤhret/
10 und manche kurtzweil/ mit rennen/ stechen
11 und dergleichen Ubungen/ verbracht
12 worden: begabe es sich endlich in einer
13 nacht/ bey einem Dantz- und Freudenmahl/
14 daß die Ritter und Edlen mit der Burger
15 ihren Weibern und Toͤchtern sich etwas
16 gemein machten: wie dann die Nacht/ die
17 Lieb und der Wein zu dergleichen Uppigkeit
18 anlaß zugeben pfleget. Diese vertraͤulichkeit/
19 wolte den Buͤrgern gar nicht gefallen:
20 darum griffen sie zu den waffen/ und uͤberfielen
21 ihre verbuhlte Gaͤste mit grossem geschrey
22 und eiffrigem Wuͤten. Etliche schlugen
23 sie zu boden/ tratten sie mit fuͤssen/ und
24 schmissen ihnen die Koͤpfe wider das Pflaster.
25 Andere wurden aus lieben Armen gerissen/
26 an ihren Gliedern zerstuͤmmelt/ oder
27 gar zu stuͤcken gehauen. Die wenigsten
28 entkamen in ihre Herbergen/ wiewol halbtodt
29 und hart verwundet: etliche sollen gar
30 uͤber die Mauern entsprungen seyn. So
31 ein wuͤtendes Thier/ ist die vielkoͤpfichte
32 Bestie/ der gemeine Poͤbel/ wann sie sich
33 erzuͤrnet.
34 Rudolphus hatte dem Thurnier auch
35 ein paar tage beygewohnt: ware aber bald
36 wieder gegen Winterthur abgereiset/ allda
37 er seine Voͤlker aus dem Winterlager zusammenfuͤhrte/
38 dem Abt zubegegnen/ welcher
39 auch allbereit ein fein Heer nach Wyl
40 besammlet. Dorthin kamen zu ihme diejenigen/
41 so von dem blutigen Reihen zu Basel
42 entronnen waren. Es brauchte nicht
43 viel erzehlens/ weil ihre empfangene Beulen
44 und Wunden genugsam redeten. Rudolphus
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1 merkte wol/ daß den Buͤrgern etwas
2 ursache waͤre gegeben worden: doch
3 befande er die Straffe weit groͤsser/ als das
4 verbrechen gewesen. Gleichwol sahe er auch
5 seines theils vor dißmal kein mittel zur Rache/
6 weil er allbereit einen maͤchtigen Feind
7 in den haaren hatte/ der auf nichts wartete/
8 als auf seine abwesenheit/ damit er ihm
9 ins Land fallen moͤchte: der sich auch nicht
10 ins Feld herauslocken lassen wolte/ weil
11 er keine lust zum schlagen hatte. Also konte
12 Rudolphus, weder den Feind zu platz
13 bringen/ noch ohne schaden von dannen ziehen.
14 Nach langem bedencken/ drange endlich
15 die neue Rachbegierde dem alten Grollen
16 vor/ und beschlosse er/ diesen abzulegen/
17 damit er jene ins werk setzen koͤnte. Jch
18 "kan mir zwar wol einbilden/ ( sagte
19 "er zu den seinen ) daß der Raht und
20 "eine erbare Burgerschafft zu Basel /
21 "an dieser schaͤndlichen that keine
22 "schuld haben: doch muß der frevel
23 "ihres Poͤbels/ anderen zum abscheu/
24 "nicht ungestrafft bleiben. Jch
25 "sihe mich aber an dieser Rache verhindert/
26 "durch diesen Moͤnchen/ der
27 "mit mir sich weder schlagen noch
28 "vertragen will. Also muͤste ich hier
29 "die zeit unnuͤtzlich verspielen/ und
30 "inzwischen ein anders Geschaͤffte
31 "versaͤumen. Jch habe offt gehoͤrt/
32 "wer auf einmal zween Feinde hat/
33 "soll sich auf alle weise mit dem einen
34 "vergleichen. Und wann ichs recht
35 "betrachte/ so hat der Abt mehr um
36 "mich/ als ich um ihn/ verdienet: ist
37 "auch die billichkeit/ daß ich ihm/ als
38 "meinem Lehenherren/ pflicht und
39 "gehorsam leiste. Daß ich mich dessen
40 "bisher geweigert/ hat er mir
41 "zwar ursach gegeben. Doch will
42 "ich/ um/ meiner Freunde erlittenes
43 "Unrecht zuraͤchen/ mein eignes hintansetzen/
44 "und mittel und wege suchen/
45 "wann es euch fuͤr gut ansihet/
46 "mich mit dem Abt zubefriedigen.
47 "Jch hoffe auch/ solches leichtlich zu
48 "enden/ weil er mit dem Bischoff zu
49 "Basel ebenmaͤssig in Feindschafft
50 "begriffen. Vielleicht bring ich ihn
51 "gar auf unsere seite: so haben wir
52 "alsdann/ nicht allein weniger Feinde/
53 "sondern auch mehr Freunde und
54 "Bundsgenossen.
55 Die ursach aber/ der Feindschafft zwischen
56 dem Abt und Bischoff ware/ daß/ als
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1 der Abt unlang vorhero ein herrliches Gastmahl
2 angestellet/ worzu er 900 Graven/
3 Freyherren/ Ritter und Edle geladen/ und
4 den Wein aus dem Veltlin / Etschland und
5 Elsaß zufuͤhren liesse/ ihme der Bischoff den
6 Elsasser / weiln etwan die Fuhrleute den Zoll
7 verfahren hatten/ anhalten und hinwegnehmen
8 lassen: welches dann/ wie billich/ den
9 Abt haͤfftig verdrossen/ der auch/ ihm solches
10 zuwidergelten/ wolgesinnt ware.
11 Mit Rudolpho, hatte sich dieser Bischoff
12 ( nahmens Heinrich / ein Grav von
13 Welschen-Neuburg [2] gebohren ) auf
14 vielerley weise verfeindet. Dem von Regensberg /
15 hatte er heimlich mit Geld/ wider
16 Rudolphum huͤlffe gethan/ auch dem Abt/
17 ehe gedachte beleidigung mit dem Wein
18 vorgangen/ Geld und Volck versprochen.
19 Die Stadt Breisach / welche/ nach abgang
20 der Herzogen in Schwaben / ans
21 Reich kommen/ hatte er an sich gezogen:
22 worzu doch Rudolphus mehr recht zu haben
23 vermeinte/ weil er gedachten Herzogen
24 verwandt/ auch ihr getreuer Diener/ gewesen/
25 weil auch diese Stadt im Breißgaw
26 gelegen ware. Eben also hatte er gethan
27 mit der Stadt Neuburg am Rhein / nachdem
28 die Buͤrger ihrem angebohrnen Herrn
29 Gr. Heinrichen von Freyburg / um daß er
30 daselbst eine von Adel genotzuͤchtet/ den gehorsam
31 aufgesagt/ und ihm nicht huldigen
32 wollen. Endlich ware er auch auf des
33 Poͤbels seite/ und billichte deren Frevelthat/
34 weil er wuste/ daß sie die Graven von
35 Habsburg und ihre Lehen-untersassen am
36 meinsten betroffen hatte.
37 Hierzu kame/ noch eine andre Verbitterung.
38 Zu Basel ware A. 1258/ unter
39 den Edlen/ ein zweyspalt entstanden. Es
40 befanden sich daselbst zwey Geschlechte/ die
41 Schaler und Moͤnchen genennt/ welche
42 es an Vermoͤgen und Herrlichkeit den andern
43 weit vorthaͤten/ und dannenhero/ wie
44 gewoͤhnlich/ des Poͤbels Augen vor andern
45 an sich zogen. Wann nun der Adel etwan
46 zu einem Thurnier oder sonst zu einem
47 Schauspiel ritte/ lagen diese beyde den Leuten
48 allemal zuvoͤrderst im mund/ und wann
49 gefragt wurde/ wer die oder die waͤren? fiele
50 allemal die antwort: Es sind die Schaler
51 und Moͤnchen; wann schon andre auch
52 darbey gewesen. Solches verdroß die
53 uͤbrigen so sehr/ daß sie sich von jenen absonderten/
54 ihre Trinkstube/ zu den Seufftzen
55 daselbst/ und einen weissen Stern im rohten
56 Feld/ zum Zeichen/ nahmen. Die vornehmste
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1 unter diesen waren/ die Eptinger /
2 Vitztum / Reichen / Ramsteiner / Ufheimer /
3 Pfaffen und Neuenstein. Auch machten sie
4 ihnen auser der Stadt einen Anhang von
5 Graven und Herren/ als denen von Habsburg /
6 Pfyrt / Freyburg / Badenweiler /
7 und andern. Der Gegentheil wolte diesen
8 nichts bevorgeben: machten demnach auch
9 eine Gesellschaft/ aus denen/ so ihnen verwandt
10 oder sonst verpflicht waren/ nahmen
11 zum Zeichen/ einen gruͤnen Psittich oder
12 Papegey im weissen Feld/ und hielten ihre
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1 Trinkstuben zur Mucken. Dieser Partey
2 zugethane waren/ naͤchst gedachten Schalern
3 und Moͤnchen / die Marschalk / Rotberg /
4 Berenfels / Cammerer / und etliche
5 andere: welche auf ihre seite vermochten/ die
6 Marggr. von Hochberg / die Herren zu Roͤteln /
7 und die Gr. zu Welschen-Neuburg.
8 Weil nun Bischoff Heinrich diß letzten geschlechts
9 ware/ als wurde derzeit die Gesellschafft
10 vom Sittich der andern uͤberlegen:
11 welche dan̅enhero aus der Stadt zu Rudolpho
12 entwiche̅/ und ihn um huͤlffe anruffete̅.
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1 Aber/ zu Rudolphi mit dem Abt zu
2 S. Gallen vorhabendem Vertrag wiederzukehren/
3 nachdem er vermerket/ daß die
4 seinigen ihm hierzu einraͤhtig waͤren/ liesse
5 er sie/ was man vor Schiedsleute hierzu
6 gebrauchen solte/ ihres gefallens rahtschlagen:
7 er aber/ besorgend/ daß ihn eine langweilige
8 Unterhandlung wuͤrde zuviel zeit
9 verliehren machen/ entschlosse sich/ diese
10 verrichtung ihm selber aufzutragen/ und
11 also zugleich Part und Schiedsmann zuseyn.
12 Demnach/ um die erste Nachtwacht/
13 machte er sich mit zwey oder drey Reisigen
14 auf/ unwissend sonst jedermans/ und ritte
15 auf die Stadt Wyl zu. Als er von der
16 Wacht am Thor angeschryen wurde/ begehrte
17 er/ man solte hingehen und dem Abt
18 sagen: Rudolph von Habsburg sey heraussen/
19 der habe mit ihm zureden/ und begehre
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1 eingelassen zu werden. Der Abt/ neben den
2 seinen/ verwunderte sich uͤber der dapfren
3 Freymuͤtigkeit Rudolphi, der/ ohne gegeben
4 geleit/ und darzu fast gantz allein/ sich
5 also seinem offenbaren Feind in die Hand liefern
6 dorfte: wolte es auch erstlich nicht
7 glaͤuben/ oder auch einen betrug vermuhten.
8 Doch hiesse er ihm endlich/ jedoch mit
9 guter Aufsicht/ die Pforte oͤffnen. Rudolphus,
10 fand den Abt uͤber der Mahlzeit/
11 und setzte sich/ auf begehren/ zu ihm an die
12 Tafel: unterdessen stunden des Abts Hofdiener
13 um ihn herum/ und sahen ihn/ vor
14 verwunderung/ nicht anderst an/ als ein
15 Gespaͤnste.
16 Nach eingenommenem Mahl/ sagte
17 er dem Abt diese und dergleichen Worte:
18 Daß ich/ euer Feind/ euch meine "
19 Person vertrauen doͤrfen/ ist die "
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1 "ursach/ weil ich euch so redlich achte
2 "als ich selber bin. Jch bin kommen/
3 "unsere Spaͤne und Jrrungen/ so
4 "mit Waffen nicht sollen vertheidigt
5 "werden/ mit Worten beyzulegen.
6 "Wir stehen gegeneinander in
7 "Kriegsverfassung: dessen ich meinestheils
8 "keine sonders-wichtige
9 "ursach weiß. Diß aber weiß ich/
10 "daß ihr mein Lehenherr seit/ und
11 "mir obliget/ vielmehr vor- als wider
12 "euch Voͤlker ins Feld zufuͤhren:
13 "so will auch euch baͤsser anstehen/
14 "mich euren Lehenmann zuschuͤtzen/
15 "als unterzudrucken. Zwar mehr
16 "nicht werden wir gegeneinander
17 "gewinnen/ als daß unser beyder
18 "Ritter und Knechte erschlagen
19 "werden/ und hingegen unser gemeiner
20 "Feind/ der Bischoff zu Basel / zu
21 "lachen bekomme. Er hat euch und
22 "mich geschmaͤhet; er hat manchen
23 "edlen Rittersman̅ unbillicher weiß
24 "aus Basel verjagt: es ist billich/ daß
25 "wir unsere Rache vereinigen/ und
26 "die Bedrangten vertheidigen. So
27 "nim̅t er auch in seinen Schutz/ einen
28 "hauffen nichtswehrtes Volks/ welches
29 "neulich sich erkuͤhnen doͤrffen/
30 "seine moͤrderische faͤuste in dem
31 "blut unserer Freunde und Verwandten
32 "zubaden/ und das Gastrecht
33 "schaͤndlich gebrochen. Wollen
34 "wir Edlen einander erwuͤrgen/
35 "und diese leben lassen/ die nach
36 "nichts mehr/ als nach unsrem Tode
37 "trachten: wollen wir uns selbst untereinander/
38 "ihnen zur Freude/ leid
39 "zufuͤgen: ach nein wir wuͤrden die
40 "Ehre des Siegs/ die einer vom andern
41 "erlanget/ mit der Schande
42 "unsres eignen Untergangs bemailigen.
43 "Was Frevels werden sie sich
44 "gegen uns noch ferner unterstehen/
45 "wan̅ wir diesen ungestrafft lassen:
46 "Wir werden/ dem Ruhm einer unzeitigen
47 "Guͤtigkeit/ in nachsehung
48 "so grosser Verbrechen/ nachjagend/
49 "in das Netz unsres verderbens fallen:
50 "weil unsre Unterthanen sich
51 "eben dessen werden geluͤsten lassen/
52 "was sie andere haben ungerochen
53 "thun sehen. So lasst uns dann/ wider
54 "sie/ zusammentretten Jch bin
55 "zufrieden/ daß eure Raͤhte in unserer
56 "Sache Richter seyen. Jch laß
Seite 72 Sp. B
1 mich zur Billichkeit finden: von "
2 euch versichert/ daß ihr auch nichts "
3 unbillichs begehren werdet. Jch "
4 bitte nochmals: lasst uns Freunde "
5 werden/ und unsren Zorn wider diejenigen "
6 wenden/ die unsere Feindschafft "
7 verdienet.
8 Diese Rede/ wurde von dem Abt und
9 den seinigen/ beydes mit bewunderung der
10 Großmuͤtigkeit Rudolphi, und mit erfroͤlichung
11 ob seinem begehren/ angehoͤret.
12 Sie hatten wol ursach/ sich daruͤber zuerfreuen:
13 weil sie/ wider alles Vermuhten/ aus
14 einer grossen gefahr sich errettet sahen/ und
15 denjenigen ihnen Fried anbieten hoͤrten/ von
16 dem sie denselben in kurtzem selber haͤtten erbitten
17 muͤssen/ weil er fast den Sieg schon
18 in handen hatte. Also brauchte/ diß Geschaͤffte/
19 nicht viel wortfechtens. Rudolpho,
20 wurden jaͤhrlich 10 pfund erlassen:
21 hingegen leistete er/ dem Abt und Gotteshaus/
22 den Eyd und Lehenpflicht/ und versprache/
23 dessen Nutzen zubefoͤrdern/ und dessen
24 Schaden und Nachtheil abzuwenden.
25 Der Abt versprach ihm auch eine anzahl
26 Voͤlker/ und ward sein Bundsgenoß wider
27 Basel und den Bischoff.
28 Also kehrte Rudolphus, mit gewuͤnschter
29 Verrichtung/ wieder zu den seinigen/
30 welche sich ob diesem wagstuͤck ja so hoch/
31 als der Abt und seine Leute/ verwunderten.
32 Des andern tags stiessen des Abts Voͤlker
33 zu ihme/ mit denen er alsobald auf Basel zueilete.
34 Alda wurden die Vorstaͤdte gepluͤndert
35 und angezuͤndet/ die Strassen
36 uͤberall beleget/ und die Buͤrger/ so man bekommen
37 mochte/ beraubet und schmaͤhlich
38 hingerichtet. Kurtz sie musten die hand
39 des Raͤchers haͤrtiglich fuͤhlen/ deren sie
40 aber bald in die Rute fielen/ und den Beleidigten
41 genugsamen abtrag thaͤten. Also
42 ward mit den Buͤrgern Friede gemacht/
43 und mit dem Bischoff der Krieg fortgefuͤhret:
44 zu welchem sich Rudolphus, nicht allein
45 mit Waffen/ sondern auch mit List/ geruͤstet.
46 Und mit dieser vorbereitschafft/ wurde
47 der Winter zuruͤcke gelegt.
48 Jm Fruͤling des folgenden 1268sten
49 Jahrs/ machte Rudolphus einen anschlag
50 auf die Stadt Breißach / gegen welcher er
51 mit seinen baͤsten und vertrautsten Reisigen
52 verruckte. Daselbst sprengte er/ und sie ihme
53 nach/ in den Rhein / schwaͤmmten und
54 kamen hinuͤber/ und fielen alsobald in die
55 Stadt/ unwissend und unversehens der
56 Buͤrger/ welche uͤber Rhein nimmermehr
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1 dergleichen Gaͤste gewaͤrtig gewesen/ und
2 solchen Uͤberfall vor unmoͤglich geachtet.
3 Weil sie nun in der eile nicht widerstand
4 thun konten/ musten sie sich an Rudolphum
5 ergeben/ seine besatzung einnehmen/
6 und dem Bischoff die pflicht aufkuͤndigen.
7 Der ort/ wo Rudolphus durch den Rhein
8 gesetzet/ wurde nachmals die Habsburgerfurt
9 genennet. Dem Bischoff thaͤte
10 deiser Streich sehr weh: doch befand er sich
11 zu schwach/ den Ort wieder zuerobern.
12 Demnach vertrug er sich in der guͤte mit
13 Rudolpho, und gab ihme/ vor allen seinen
14 Anspruch an Breißach / 900 Mark Silbers:
15 also wurde ihm diese Stadt wieder
16 eingeraͤumt.
17 Nach diesem kauffte der Bischoff/ von
18 Gr. Gottfried Rudolphi Vettern/ das
19 Schloß Biderthann. Solches verdroß
20 Rudolphum, weil ihme dadurch seine Erb-anwart
21 geschmaͤlert wurde. Also muste
22 ihm der Bischoff/ wolte er anderst mit Frieden
23 von ihm kom̅en/ seinen Anspruch abermals
24 mit 200 Mark abkauffen. Bald darauf/
25 foderte Rudolphus wiederum einen
26 Abtrag von ihme/ einiger schaͤden halber;
27 der ihm aber solches rund abschlagen und
28 "darbey sagen ließ: Er begehre hinfort
29 "nicht mehr d[?]s Graven von Habsburg
30 "Muͤntzmeister zuseyn/ und wolle lieber
31 "das Geld/ so er an ihn begehrte/ mit ihm
32 "verkriegen. Also ist der Krieg A. 1269
33 zwischen ihnen aufs neue angangen.
34 Der Bischoff/ fiele Rudolpho ins
35 Elsaß / eroberte und verbrennte das Staͤdtlein
36 Plodersheim auf der Hart / so erst neulich
37 von dem Graven mit Mauren umfangen
38 worden. Eben also thaͤte er/ mit dem
39 Thurm zu Ottmarsheim / mit Aucken /
40 Froschbach / Gerneck / und andern umligenden
41 Flecken. Darnach machte er sich
42 uͤber Rhein / eroberte das von Rudolpho
43 juͤngst-erbaute Schloß Hertenberg / samt
44 etlichen Flecken. Er gewann auch das faͤste
45 Schloß im Rhein / der Stein genennt/
46 mit huͤlff der Buͤrger zu Rheinfelden / welchen
47 es lang ein dorn in augen gewesen.
48 Rudolphus ware indessen der Stadt
49 Colmar zu huͤlf gezogen/ wider das Schloß
50 Reichenstein / von welchem sie taͤglich
51 beraubet und beschaͤdigt worden: dasselbe
52 eroberte und verbrennte er dazumal/
53 und liesse den nassen Knaben/ so er darauf
54 fande/ ihren verdienten Lohn widerfahren.
55 Dieses Schloß hat er nachmals/ neben andern
56 Raubschloͤssern/ als er Roͤmischer Keyser
Seite 73 Sp. B
1 worden/ in grund zerstoͤret und geschleiffet.
2 Hierauf/ als er vernommen/ wie uͤbel
3 der Bischoff in dem seinigen gehauset/ staͤrkte
4 er sich mit huͤlf seiner Bundsverwandten/
5 auch derer von Zuͤrich / Colmar / und
6 andrer Reichsstaͤdte/ und zoge/ mit hitziger
7 begierde/ sich zuraͤchen/ auf den Bischoff
8 loß. Der Abt von S. Gallen / hatte ihm
9 300 Pferde zugefuͤhret/ dessen Panerherr
10 ware Gr. Eberhard von Lupffen / welcher
11 damals vor den baͤsten und theuersten Ritter
12 gehalten wurde. Also kamen beyde
13 Heere/ bey Seckingen / um Pfingsten/ einander
14 entgegen/ und wolte es sich zu einem
15 Haupttreffen anlassen. Etliche Graven
16 und Herren aber/ kamen dieses grausame
17 Blutvergiessen zuvermitteln/ in dem
18 Kloster Buͤken zwischen Seckingen und
19 Rheinfelden / zusammen/ und brachten es
20 mit beyden Parteyen dahin/ daß sie in einen
21 Anstand auf drey Jahre verwilligten.
22 Es muste aber der Bischoff/ den Brandschaden
23 zu Plodersheim / mit einem stuck
24 Gelds ersetzen. Ehe die beyden Heere voneinander
25 zogen/ ritten/ der Bischoff und
26 Prælat im Feld zusammen/ und sagte jener
27 zu diesem: Herr von S. Gallen / wie hat "
28 es unser liebe Frau je um S. Gallen verdient/ "
29 daß ihr ihr solchen schaden zufuͤgen "
30 helfen? Worauf der Abt geantwortet: "
31 Herr von Basel / wie hat es S. Gall um
32 unser liebe Frau verdient/ daß ihr ihm seinen "
33 Wein/ welchen Ritter und Knecht "
34 haͤtten austrinken sollen/ abgenommen? "
35 Nach diesem/ begaben sich beyde Parteyen
36 wieder anheim/ dankten ihren Bundsgenossen
37 vor die huͤlfe/ beurlaubten die
38 Voͤlker/ nnd begunten wieder aufzubauen/
39 was der Krieg und Brand nidergerissen.
40 Rudolphus soll nachmals/ dem Abt zu
41 gefallen/ Gr. Hugen von Werdenberg /
42 wider die Graven von Montfort zugezogen
43 seyn.
44 Nach verfliessung der drey Anstandsjahre/
45 gienge A. 1272 der Laͤrmen wieder
46 an/ und hatten sich beyde theile aufs neue
47 zum Krieg geruͤstet. Der Bischoff/ die
48 Macht Rudolphi zuschwaͤchen und die seine
49 zustaͤrken/ machte Gr. Ulrichen zu Pfyrt
50 von ihm abspaͤnstig/ deme er seine Gravschafft
51 um 1000 Mark Silbers abkauffte/
52 und wieder zu Lehen gabe. Er hatte auch
53 wiederum auf seiner seiten/ seine Bruͤder/
54 die Graven von Neuburg / ferner die Graven
55 von Arberg und Nidaw / und seine
56 Schwaͤger oder Schwestermaͤnner/ den
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1 Gr. von Togkenburg / die Herren von
2 Roͤteln und Granson. Jngleichen verband
3 er sich mit dem Bischoff zu Straßburg /
4 dem halff er stracks anfangs die Stadt
5 Muͤhlhausen / welche in Rudolphi Schutz
6 und seiner partey ware/ belaͤgern/ als der
7 sie gern wieder an sein Bistum gebracht
8 haͤtte: sie musten aber ungeschaffter dinge
9 mit spott wieder abziehen.
10 Rudolphus hingegen/ hatte seinen
11 Aufritt zu Seckingen / von dar aus er dem
12 Bischoff/ und seinen Helffern/ denen von
13 Neuburg und Rheinfelden / ins Land fiele.
14 Das Schloß Tuͤffenstein / welches der
15 Bischoff von den Freyherren diß nahmens
16 erkaufft und wider ihn befaͤstigt hatte/ gewann
17 er mit sturm/ und machte sie zum
18 steinhauffen. Nicht baͤsser waͤre es auch
19 der Stadt Neuburg ergangen/ wann ihm
20 nicht der Bischoff zuvorgekommen/ und sie
21 staͤrker besetzt und verwahrt haͤtte. Ferner
22 streiffte er bis gen Basel hinan/ und dann
23 fiele er ins Muͤnsterthal / da er dem Bischoff
24 hinter Delsperg viel herrlicher Flecken verbrennet.
25 Zur erwiderung/ wurden Rudolpho
26 und seine Flecken und Doͤrfer auf der
27 Hart / samt dem Staͤdtlein Ottmersheim /
28 in die asche gelegt. Also ward beyderseits
29 nichts an Feindseeligkeit unterlassen.
30 Jn Rudolphi Abwesen/ brachte der
31 Bischoff heimlich zuwegen/ daß die Stadt
32 Seckingen / durch einen boͤsen Buben angezuͤndt
33 wurde/ welche dann/ den 17 Augusti,
34 bis auf zwey Haͤuser jaͤmmerlich verbronnen:
35 hierauf kame er mit seinem Volk/
36 verheerte und zerstoͤrte vollends/ was der
37 Brand uͤbrig gelassen. Als Rudolphus
38 im ruckweg solches erfuhre/ fiele er/ zur widergeltung/
39 in der Nacht nach Bartholomæi,
40 in die Vorstadt zum H. Creutz/ itzt
41 S. Johannis genennt/ welche damals noch
42 nicht in die Mauren und Graͤben mit eingefangen
43 ware/ pluͤnderte und verbrennte
44 dieselbe: das musten die zu Basel ansehen/
45 und geschehen lassen. Jm Decemb. berennte
46 er das vom Bischoff/ zu behuff diß
47 Kriegs/ wiedererbaute Schloß Werr /
48 welches er durch Aufgab eroberte und zu
49 grund richtete: daselbst hat er des Bischoffs
50 Schwester-Sohn/ H. Dietrichen von Roͤteln /
51 gefangen bekommen.
52 Jm folgenden Jahr/ kame es mit diesem
53 Krieg zum hoͤchsten/ und setzte ihm Rudolphus
54 vor/ nimmermehr zuruhen/ er
55 haͤtte dann dem Bischoff den garaus gemacht.
56 Er hatte ein freyes hertzhafftes
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1 Kriegsvolk/ welches er meinst von jugend
2 auf in seiner Kriegsschule zu Ritterthaten
3 angefuͤhret/ ihnen seine loͤbliche Beyspiele
4 vor augen gestellet/ und sie beydes mit
5 Freundlichkeit und heroischem Wesen dermassen
6 gewonnen/ daß sie ihn als ihren
7 Vatter liebten/ ihme allen gehorsam leisteten/
8 und freywillig zu Krieg folgeten: zumal
9 auch gelocket von seiner Demut und
10 Leutseeligkeit/ krafft deren sie an ihme mehr
11 einen Spißgesellen als Obristen hatten.
12 Mit diesem seinem auserlesenen hauffen/
13 ruͤckte er vor Basel / und bracht es der Stadt
14 so nahe/ daß die Buͤrger ihr Feld- und Gartenwerk
15 ungebaut musten ligen lassen. Er
16 hatte aber/ durch sonderbare List/ eine neue
17 Art von ringfaͤrtigen Schiffen/ die man
18 voneinander loͤsen/ zusammenlegen/ und
19 leichtlich mit sich fuͤhren konte/ erfunden:
20 mit diesen/ thaͤte er den Bischoffischen grossen
21 schaden und abbruch. Dann/ wann sie
22 ihn uͤber Rhein zuuͤberfallen vermeinten/ da
23 ware er schon wieder heruͤber gefahren: hingegen/
24 wann sie meinten/ er waͤre jenseits/
25 und sich also dißorts sicher achteten/ da
26 wurden sie von ihm unversehens uͤberfallen
27 und uͤbel empfangen.
28 Rudolphus gebrauchte sich noch eines
29 Lists: naͤmlich/ er machte heimlich/
30 durch Geschenke und Verheissung/ des Bischoffs
31 Bluts- und Bunds-verwandten/
32 von ihme abspaͤnstig: welches er auch leichtlich
33 thun konte/ weil das Gluͤck auf seiner
34 seiten ware. Als ihm nun solches wol von
35 statten gienge/ und taͤglich etliche zu ihm
36 fielen/ dorfte der Bischoff fast keinem
37 mehr trauen: woruͤber er aͤngstig und unlustig
38 wurde/ auch den Krieg wider Rudolphum
39 hinauszufuͤhren verzweiffelte. So
40 dorften auch die seinigen sich nicht mehr
41 aus der Stadt wagen: weil ihnen Rudolphus
42 allenthalben auf den dienst wartete/
43 und die maͤuse wieder in ihre loͤcher jagte.
44 Einsmals sahe ihn der Burgermeister/
45 Hugo Marschalk / mit etlichen Reutern sich
46 vor der Stadt herumtummeln: der dachte/
47 es waͤre der Stadt ein schimpf/ ihrem
48 Feinde soviel hochmuts zuverstatte̅/ wuͤschte
49 derhalben mit vielen Reisigen auf ihn hinaus/
50 und befahle dem Fußvolk/ ihm nachzufolgen.
51 Rudolphus, der eben dieses gewollt/
52 flohe und ließ sich von ihm verfolgen/
53 bis an das ort/ allwo er einen starken
54 Hinterhalt versteckt hatte. Mit denselben
55 wendete er sich unversehens/ und umringte
56 die Basler / welche samt dem Burgermeister
Seite 75 Sp. A
1 der mehrer theil erschlagen und gefangen
2 wurden/ ehe das Fußvolk ihnen zuhuͤlf
3 kommen koͤnnen: welche/ als sie diese Niderlag
4 vernahmen/ zuruͤckwichen/ und sich
5 wieder hinter ihre Mauern verkrochen.
6 Folgends/ im Monat Augusto, ruckte
7 Rudolphus mit hellem hauffen noch naͤher
8 an Basel / umlagerte die gantze Stadt
9 auf der Elsasser-seiten/ und er selbst schlug
10 sein Gezelt auf S. Margarethen Berg.
11 Bey ihm ware/ des Abts zu S. Gallen /
12 der Zuͤricher / und anderer seiner Helfer
13 Kriegsvolk/ sowol auch die vertriebenen
14 Buͤrger von der Gesellschafft des Sterns.
15 Es geschahen etliche Ausfaͤlle/ in welchen
16 sich die Buͤrger von der Gesellschafft des
17 Psittichs dapfer hielten/ und etliche Gefangene
18 in die Stadt brachten: wiewol sie Rudolpho
19 auch viele hinterlassen musten. Jnzwischen
20 wurde/ von den Habsburgischen/
21 S. Georgenthal verwuͤstet/ und das Dorf
22 Clingen in Feuer gesetzt. Kurtz der Bischoff
23 ( der nun alles verlohren/ was er auser
24 der Stadt hatte/ ) und die Stadt/ waren
25 in hochsten aͤngsten: musten demnach abermals
26 um einen Anstand bitten. Jhr untergang
27 waͤre vor der thuͤr gewesen/ wann es
28 GOtt nicht zum Frieden geschickt/ und
29 Rudolphum zu hoͤhern Sachen beruffen
30 haͤtte. Es wurde/ vom 22 Septembr. bis
31 auf halben October, ein Anstand bestim̅et:
32 inzwischen aber Rudolphus, unwissend
33 und abwesend/ zum Roͤmischen Keyser erwehlet.
34 Beyde Parteyen/ erkiesten etliche
35 Herren zu Schiedrichtern/ und uͤbergaben
36 ihnen ihren Span/ durch nachfolgenden/
37 fein kurtz- und altTeutsch-verfassten/
38 Compromiss-Brief.
39 Wir Graue Rudolf von Habsburg
40 und von Kiburg/ Landgraue
41 zu Elßsasee/ tuͦn kunt allirmenlich/
42 daz wir und unsir Ohen/ Graue Henrich
43 von Friburg/ die missehelle/ die
44 wir und die unsiren gegen unsirme
45 Herren(…) dem Bisscoffe von
46 Basil han/ fuͤrlassein han/ an unsirn
47 Ohen(…) den Burggrauen von
48 NurenBerg/ und H. den Marggraue̅
49 von Hahberg/ suͤ zeslichtenne/ hinnan
50 vnz ze Sant Gallen Mez/ dem nehsten/
51 nach Minnen odir nah Rechte.
52 Were abir daz unsir Ohen der vorginannte
53 Burggraue unsir halp/ und
54 der Marggraue unsirs Herren des
55 Bisscoffes halp/ der bi nit moͤhtin sin:
56 so stot ez unsir halp an unsirme Ohenne
Seite 75 Sp. B
1 Grauen Henriche von Fuͦrstenberg/
2 und unsirs Herren des Bisscoffes halp
3 an(…) dem alten von Gerolzeck/
4 oh ze minne odir ze rechte. Oh han
5 wir hinnan unz ze demselben Sant
6 Gallen Mez einen stetin fride gegiben
7 und ginommen/ zuuissen unz und
8 Henrich unsirme Ohenne von Friburg/
9 und allen dien unsiren und unsiren
10 Helfferen/ und unsirme Herren
11 dem vorginannten Bisscoff und allen
12 dien sinen und sinen Helffern/ ane geuerde.
13 Vnd suͤn undir unß und ime
14 die straßseen offinn sin/ nach altem
15 rechte. Dur daz diz allez stete blibe/
16 ane allen argenlist/ so henken wir unsir
17 Jnsigile an diesen Brief/ ze einem
18 Vrkunde. Datum anno 1273.
19 Festo B Mauritii.
20 Bevor wir/ in folgendem 9 Cap. zur
21 Keyser-Wahl Rudolphi schreiten/ ist noch
22 eines anzufuͤhren/ dessen Abr. Hosmann /
23 in der Vorrede seiner Genealogiæ Austriacæ,
24 erwaͤhnet. Als Rudolpho, im Lager
25 vor Basel / durch einen Straßburgischen
26 Historicum, ein Buch/ in welchem/
27 die Kriege der Roͤmer mit den Teutschen /
28 und die Eigenschaften eines Kriegsfuͤrsten/
29 beschrieben waren/ zugeeignet und uͤberreichet:
30 hat er/ nachdem er ein wenig darinn
31 geblaͤttert/ ihme diese Gabe so wol gefallen
32 lassen/ daß er dem Verfasser seine guͤldne
33 Kette/ die er unter dem Kleid und Ruͤstung
34 zutragen pflegte/ neben einem stuck Golds
35 verehret. Als aber Burggrav Friderich von Nuͤrnberg /
36 seiner Schwester Sohn/ so
37 darbey stunde/ nicht wol damit zufrieden
38 ware/ vorgebend/ daß man zu bezahlung des
39 Kriegsvolks noch viel Gelds benoͤtigt sey/
40 auch nicht wissen koͤnne/ wie dieser Krieg
41 noch ablauffen moͤchte; bekame er von Rudolpho
42 diese antwort: Mein laß dirs
43 wolgefallen/ daß auch gelehrte Leute
44 unser Thun loben/ und dadurch uns
45 zum Krieg noch mutiger machen. Und
46 wolte GOtt/ daß ich nur mehr zeit
47 zum lesen eruͤbrigen/ und etliche Unkosten/
48 die ich auf manchen untuͤchtigen
49 Kriegsman̅ wagen muß/ auf gelehrte
50 Leute verwenden koͤnte. Eine loͤbliche
51 That und Rede von einem Kriegshelden
52 welcher die Feder mit der Ritter-Lantze verschwestert/
53 und mit seiner Mildigkeit verdienet/
54 daß durch die Federn der Gelehrten/
55 wie dann geschehen/ sein Namensruhm
56 verewigt werde.
Seite 76 Sp. A
1 Das 9. Capitel.
2 Rudolphi Erwehlung zum Keysertum.
3 Jnnhalt.
4 (]Reichswahltag zu Frankfurt. (} Rudolphus, wird von Chur-Maintz
5 vorgeschlagen. (3) Des Churfuͤrsten Werneri Wahlstimme.
6 (4) Pfaltzgr. Ludwigen wird die Erwehlung aufgetragen: (5) der
7 erklaͤret Rudolphum zum Roͤm. Keyser. (6) rudolphus wird zu Aach
8 gekroͤnet. (7) Vermaͤhlung seiner 3 Toͤchter.
9 ZU der zeit ( moͤgen wir
10 wohl/ mit dem Buch
11 der Richter/ reden ) ware
12 kein Koͤnig in Jsrael /
13 und ein jedlicher thaͤt/
14 was ihn recht duͤnkte.
15 Von dem Hauptlosen
16 Unwesen des Roͤmischen Reichs/ welches/
17 nunmehr in die 22 Jahre/ entweder gar keinen/
18 oder nur auslaͤndische Keyser gehabt/
19 die sich des Reichs wenig angenommen/ ist
20 droben im 6 Cap. mit mehrerm gesagt
21 worden. Mit dieser Unruhe/ ergienge es
22 endlich nach dem gemeinen Spruͤchwort:
23 Wann ein ding zum hoͤchsten kommt/ muß
24 es wieder aufhoͤren.
25 Um diese zeit/ wurde von Pabst Gregorio 10,
26 ( zuvor Theobaldus genennet/
27 ViceCom. von Placentz / welcher A. 1271 /
28 nachdem der Roͤmische Stul auch in 3 Jahre
29 ledig gestanden/ erwehlt worden ) ein
30 Concilium zu Lyon in Frankreich gehalten.
31 Dieser/ nachdem er weißlich in betrachtung
32 gezogen/ wasmassen das Schiff
33 des Roͤmischen Reichs/ ohne Steuermann/
34 Segel und Ruder/ in gefahr des verderblichen
35 Schiffbruchs schwebete/ vermahnte
36 die Fuͤrsten des Reichs durch Briefe und
37 Botschafft/ daß sie/ ohne fernern verschub/
38 aus ihrem mittel einen Keyser erwehlen/ in
39 der Erwehlung aber nicht auf ihren Eigennutzen/
40 sondern auf des Reichs Wolfart bedacht
41 seyn/ und eine Person aussehen solten/
42 deren Weißheit und Dapferkeit dieser
43 Wuͤrde und Buͤrde gewachsen seyn moͤchte:
44 und da sie dißfalls laͤnger verziehen wuͤrden/
45 wolte er selbst/ tragendem Amts halber/
46 die Glieder des zerruͤtteten Reichs wieder
47 unter ein Haupt zu bringen/ fuͤrsehung
48 einwenden. Etliche schreiben/ die Fuͤrsten
49 seyen dazumal allbereit in der Wahl ernstlich
50 begriffen/ auch zu dem ende zu Frankfurt
51 (]versammlet gewesen: daß also der
52 Pabst sie allein zu einer lautern unparteyischen
53 Wahl/ durch seine Botschafft ermahnen
Seite 76 Sp. B
1 wollen. Recht zusagen/ so ist diese Regung/
2 beyde des Pabsts und der Reichsfuͤrsten/
3 urspruͤnglich hergeflossen/ aus gnaͤdigem
4 Raht und Vorsicht Goͤttlicher Majestaͤt:
5 welche/ nicht allein des bishero von
6 seiner Zornrute gestaͤupten armen Teutschlandes
7 sich wieder erbarmen/ sondern auch
8 unsren Rudolphum, und seine Nachkommenschaft/
9 nun endlich auf den ihme langst-zuverordneten
10 hoͤchsten Ehrenthron setzen
11 und erheben wollen.
12 Alle Fuͤrsten des Reichs/ hatten sich
13 auf diesem Wahltag eingefunden: auser
14 denjenigen/ der da solte erwehlt werden/ der
15 ihme auch seine Erwehlung im geringsten
16 nicht eingebildet/ sondern/ gehoͤrter massen/
17 der zeit vor Basel zu feld gelegen. Es
18 wurde damals zu frankfurt offentlich geredt
19 und gesungen: Der Roͤmische Adler
20 ruhe in dem Nest des Loͤwens: welches
21 eine Sibylla von dieser Zeit soll geweissagt
22 haben. Man dachte aber nicht an Rudolphum,
23 sondern jederman deutete es auf
24 den Koͤnig in Boͤheim / oder auf den Pfaltzgraven.
25 Herzog Heinrich in Bayrn / ware/
26 durch seinen Gesandten/ und K. Ottocar
27 in Boͤheim / durch seine Geschenke und
28 Gaben/ zugegen/ mit welchen dieser die
29 Roͤmische Kron zuerkauffen gedachte: wie
30 wol er hernach/ als er sein Verlangen nicht
31 erlanget/ sich trotziglich vernehmen lassen/
32 er habe dieser Wuͤrde nie begehret/ und wolle
33 lieber ein maͤchtiger Boͤhmischer Koͤnig/
34 als ein armer Roͤmischer Keyser seyn. Er
35 soll auch seine Gesandten mit dem Seckel
36 nach Lyon zum Pabst geschickt haben/ der
37 ihnen aber diese antwort gegeben: Man bedoͤrffe
38 keines Sklaven; es seyen noch viel "
39 fuͤrtreffliche Teutsche Fuͤrsten/ denen die "
40 Keyserl. Wuͤrde besser anstehen werde. "
41 Die Boͤhmische Chronik Hagecks und Dubravii,
42 schreibet hievon viel ein anders:
43 naͤmlich es sey 2 Jahre vorher/ A. 1271
44 im Monat Augusto, der Churfuͤrst von
45 Coͤln vom Reich nach Prag gesendt worden/
Seite 77 Sp. A
1 ihm die Wahl und den Willen der
2 Chur- und Fuͤrsten/ daß er Roͤmischer Koͤnig
3 seyn solte/ anzukuͤnden: der aber/ auf
4 einraht seines obersten Cammerherrn Andreæ von Rzizan /
5 solche Ehre mehr vor eine
6 Buͤrde als Wuͤrde achtend/ sich dessen
7 soll gewidert haben. Es stimmt aber diese
8 Genuͤglichkeit nicht wol ein/ mit Ottocari
9 bekandter Ehrsucht. So weiß man auch
10 in andern Geschichtschrifften nichts von einem
11 Reichswahltag/ der in selbigem Jahr
12 solte vorgangen seyn. Doch bleibt es zu
13 des Lesers gutachten gestellet/ was ihme
14 hiervon zu glaͤuben belieben mag.
15 Es ware anfangs/ dieser Wahl halber/
16 ein harter zweyspalt unter den Fuͤrsten.
17 Einen Fremden dorften sie nicht wehlen:
18 weil/ in vorigen jahren/ die Keyserliche
19 Wuͤrde/ zu des Reichs Verderben uͤber
20 Meer und Alpen gewandert/ und Teutschen
21 Landen mit keinem unteutschen Koͤnig
22 geholffen ware. Demnach gedachten
23 sie zuhaus zusuchen/ was sie draussen nicht
24 finden mochten. Gleichwol kame ihnen
25 auch dieses Suchen schwer an: weil sie
26 nunmehr der Freyheit gewohnt waren/ und
27 keiner gern einen andern uͤber sich setzen
28 wolte/ deme er hernach seines bisherigen
29 Thuns halber muͤste rechenschaft geben.
30 Die unbeflecktesten aber/ wolten diese Last
31 lieber einem andern aufladen/ als dieselbe
32 uͤber ihre eigene schultern nehmen. Grav
33 Mainhard zu Tirol / ein Herr grosses nahmens
34 und ansehens/ schluge den Churfuͤrsten
35 ihrer dreye vor/ als naͤmlich/ Herzog
36 Bernharden in Kaͤrndten / Grav Albrechten
37 zu Goͤrtz den aͤltern/ und Grav Rudolfen von Habsburg.
38
39 Der Churfuͤrst von Maintz / Wernerus,
40 nachdem er unsren Rudolphum benennen
41 hoͤren/ erinnerte sich seiner Dankpflicht
42 gegen diesem Graven/ von welchem
43 er dortmals in Jtalien und wieder heraus
44 begleitet worden. Wie er nun dazumal gewuͤnschet/
45 GOtt wolte ihn nicht sterben
46 lassen/ er haͤtte dann diesen guten dienst vergolten:
47 also hielte er diß vor eine gelegenheit/
48 sich seiner Pflicht zuentledigen. Demnach
49 beschlosse er bey sich selbst/ ihm seine
50 Wahlstimme zugeben/ und/ wo moͤglich/
51 ihn auf den Keyserthron zubefoͤrdern. Und
52 nachdem er ein weißer und verstaͤndiger
53 Herr ware/ als wuste er seinen Mit-ChurFuͤrsten
54 die Verdienste Rudolphi beweglichst
55 beyzubringen. Als aber etliche/ insonderheit
56 Marggrav Otto zu Brandenburg /
Seite 77 Sp. B
1 Ottocari Schwester-Sohn/ ihn zu
2 arm und onmaͤchtig achten/ und derentwegen
3 verwerffen/ hingegen Ottocarum, der
4 ihnen das maul geschmiert/ als einen reichen
5 und maͤchtigen Koͤnig/ einschieben
6 wolten: erwiese er ihnen das widerspiel/
7 und daß man/ in erwehlung eines Reichshaupts/
8 auf die Gaben/ nicht des unbestaͤndigen
9 Gluͤcks/ sondern des Gemuͤts/
10 zusehen haͤtte.
11 Jch glaͤube nicht/ ( sagte er/ im "
12 vollen Fuͤrstenraht ) daß jemals soviel "
13 Fuͤrsten und Staͤnde des H. Reichs/ "
14 von desselben Wolfart zu rahtschlagen/ "
15 so einmuͤtiglich zusam̅en getretten: "
16 hat auch vielleicht das "
17 Reich einer solchen Versammlung "
18 niemals so hoch/ als itzund/ vonnoͤten "
19 gehabt. Das Teutsche Vatterland/ "
20 setzet nun alle seine Hoffnung "
21 auf die erwehlung eines neue̅ "
22 Keysers: mit einer einigen Handlung/ "
23 werde̅ wir viel tausend Wuͤnsche "
24 entweder erfuͤllen oder zu nicht machen. "
25 Zwar es ist leicht/ die Tugenden/ "
26 eines Keysers erzehlen: aber "
27 schwer ist es/ einen Keyser erwehlen. "
28 Es moͤgen wol viele derer "
29 seyn/ die gern regiren moͤchten: "
30 aber derer sind wenig/ die regiren "
31 koͤnnen. Bey andern Menschen "
32 ists genug/ wann sie in einer einigen "
33 Tugend fuͤrtrefflich sind: aber bey "
34 dem hoͤchsten Regenten/ sucht man "
35 alle Fuͤrtrefflichkeiten/ weil er uͤber "
36 alle erhaben wird. Was wird dan̅ "
37 von ihm zuhalten oder zuhoffen "
38 seyn/ wann er/ an stat einiges Tugendruhms/ "
39 mit allen Lastern "
40 pranget: Wir brauchen einen gerechten "
41 Keyser/ der dem Reich "
42 nichts entziehe/ sondern das entzogene "
43 wieder herzubringe: der ein "
44 Richter/ und nicht ein Fuͤhrer/ sey/ "
45 der offentlichen Landraͤuber. Wir "
46 brauchen keinen Keyser/ dessen "
47 Macht und Reichtum nur seine "
48 Boßheit waffnet/ die Unschuld unterzudrucken: "
49 der den Untern ein "
50 Fuͤrbild sey der Ehbrecherey/ der "
51 Grausamkeit/ des Ubermuts/ und "
52 anderer Untugenden/ welche er "
53 an andern zustraffen verordnet "
54 wird. Sonsten/ kan zwar ein jeder/ "
55 wann das Meer windstill ist/ sich "
56 zum Steuerruder setzen: aber/ wan̅ "
Seite 78 Sp. A
1 "Wind und Meer das Schiff bestuͤrmen/
2 "und andere/ einer da der
3 "ander dorthin/ sich verkriechen/ da
4 "hat man eines erfahrnen und nohtfaͤsten
5 "Steuermanns vonnoͤten/
6 "der den Winden und Wellen wisse
7 "einhalt zuthun. Einen solchen
8 "Keyser brauchen wir itzund/ der/
9 "das zerruͤttete Reich der Gefahr
10 "des Untergangs zuentfuͤhren/ Witz
11 "und Kraͤfften habe. Wir haben
12 "vonnoͤten eines Keysers/ der da
13 "reich sey an Tugenden: den aͤuserlichen
14 "Reichtum muß er nicht eben
15 "mitbringen/ sondern den hat er bey
16 "der Keyserlichen Wuͤrde zuholen.
17 "Das Freulein Germania / sucht ihr
18 "nicht einen reichen Freyer/ sondern
19 "einen treuen klugen Verwalter ihrer
20 "Reichtuͤmer. Er soll auch
21 "Macht und Gewalt bey ihr finden:
22 "aber Muht/ Verstand und Bescheidenheit
23 "muß er mitbringen/ sich
24 "deren recht zugebrauchen. Alles
25 "in eines zufassen: Wir haben vonnoͤten
26 "eines Keysers/ dessen Eifer
27 "in der Religion, Dapferkeit im
28 "Kriegen/ Ehr-ansehen in Geschaͤfften/
29 "Klugheit im Rahtschlagen/
30 "und Gluͤckseeligkeit in Vollziehung
31 "derselben/ offentlich bekandt
32 "und beruͤhmt sey. Jm uͤbrigen wird
33 "er nicht arm kommen/ wann er bey
34 "sich hat das baͤste Gold/ und den
35 "wahren Reichtum/ der Gottesliebe/
36 "Weißheit und Gerechtigkeit.
37 "Einen solchen werden wir nicht haben/
38 "an dem Koͤnig in Boͤheim.
39 "Die Teutsche Freyheit/ wuͤrde unter
40 "seinem Schirm mehr seufftzen
41 "als jauchtzen. Er ist gewohnt/ uͤber
42 "Sklaven zuherrschen. Er wuͤrde
43 "uns/ vor die Kron die wir ihm aufsetzen/
44 "ein Joch an die Haͤlse werffen.
45 "Von dem uͤbrigen/ ist aus seinem
46 "bisherigen Thun und Lassen
47 "zuurtheilen. Aber einen solchen
48 "werden wir haben/ an Rudolpho von Habsburg:
49 "dessen Verdienste
50 "meines Lobspruchs nicht benoͤtigt
51 "sind/ weil schon lange das Geruͤcht
52 "mit tausend Zungen von ihm redet.
53 "Seine Liebe zur Gerechtigkeit/ haben
54 "Straßburg / Zuͤrich / Colmar
55 "und andere bedraͤngte Staͤdte des
56 "Reichs/ zu ihrem baͤsten: aber seine
Seite 78 Sp. B
1 strenge Dapferkeit/ die Bedraͤngere/ "
2 mit ihrem Schaden/ erfahren. "
3 Er hat langst verdient/ ein "
4 Keyser zuseyn: weil er sich langsthero "
5 bemuͤht/ der Reichsglieder "
6 Schutzherr zuseyn. Lasst es seyn/ "
7 daß andere auch kriegen koͤnnen: "
8 aber nicht so weißlich/ nicht so dapfer/ "
9 nicht so gluͤck- und sieghafft/ "
10 wie Rudolphus. Lasst es seyn/ daß "
11 auch andere siegen koͤnnen: aber "
12 mit grossem Unkosten. Rudolphus, "
13 ist den seinen ein Beyspiel der Genuͤglichkeit/ "
14 und kan mit kleinen "
15 Mitteln grosse Sachen verrichten: "
16 da andere viel verderben/ und wenig "
17 erwerben. Andere/ muͤssen das "
18 Volk herbey noͤtigen/ oder an sich "
19 kauffen: Rudolphi aus Majestaͤt "
20 und Freundlichkeit gemischtes Ansehen/ "
21 macht jederman ihme freywillig "
22 zulauffen. Andere/ muͤsten "
23 sich erst um Volk bewerben/ und "
24 die geworbene allererst zum Krieg "
25 abrichten: aber Rudolphus hat allbereit/ "
26 nicht nur ein grosses/ sondern "
27 auch ein versuchtes Heer auf den "
28 Beinen/ und ist ihme fast der gantze "
29 Oberlaͤndische Adel anhaͤngig. "
30 Er hat Leute bey sich/ die mit ihme "
31 in dem Harnisch aufgewachsen/ "
32 und gleichsam eisern worden: "
33 deren einer mehr thun kan/ als zehen "
34 ungeuͤbte. Und/ welches das "
35 vornehmste/ Rudolphus ist fuͤrmaͤchtig/ "
36 weil er sich befleisst/ denjenigen "
37 auf seiner seite zuhaben/ der "
38 die Allmacht selber ist. Mit GOtt "
39 und seinem Dienst/ pflegt er alle seine "
40 Verrichtungen anzufangen: wie "
41 solte er sie dann anderst/ als gluͤcklich/ "
42 enden koͤnnen: Ferner/ so ist "
43 er/ des Standes/ ein geFuͤrster "
44 Grav/ ein Landgrav im Elsaß: "
45 altes und solches Stammens/ der "
46 viel gekroͤnter Ahnen zehlet. Er "
47 ist reich genug an Land und Leuten. "
48 Elsaß / Habsburg / Kyburg / "
49 Baden und Lentzburg / sind Herrschafften/ "
50 deren jede vordessen einen "
51 Graven herrlich und reichlich unterhalten. "
52 So ist er auch erzogen "
53 worden/ an dem Hof eines fuͤrtrefflichen "
54 Keysers/ von dem er "
55 Keyserliche Tugenden hat lernen "
56 koͤnnen. Abermals/ ist er in einem "
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1 "solchen Alter/ welches/ wegen langer
2 "Erfahrung/ ihn der Kriegs-
3 "und Friedens-Kuͤnste vollkom̅en-habhafft
4 "beglaubet. Kurtz wir
5 "wuͤrden an ihm haben/ einen Herculem,
6 "der das H. Reich/ von den
7 "Zweytrachten/ Raubereyen und
8 "Frevel-Kriegen/ als verderblichen
9 "Pesten und Bestien/ reinige und
10 "saubere. Uberdas/ pranget dieser
11 "gluͤckseelige Vatter/ mit sechs an
12 "Leib- und Gemuͤts-Schoͤnheit
13 "uͤbertrefflichen Toͤchtern: durch
14 "deren Ausstattung an die Fuͤrsten
15 "des Reichs/ die Glieder mit dem
16 "Haupt/ un̅ sie selbst untereinander/
17 "verschwaͤgert/ und also das Reich
18 "in das Band der Einigkeit kan zusammen verknuͤpffet
19 "werden.
20 Mit diesen und dergleichen Empfehlungs-Worten/
21 brachte Bisch. Wernerus
22 soviel zuwegen/ daß ihm die andere beyde
23 Geistliche Churfuͤrsten/ Heinricus, Erzb.
24 zu Trier / ein Herr von Vinstingen / (}
25 und Seyfried, Erzb. zu Coͤln / ein Herr von
26 Westerburg / (3) ( Gelenus setzt dessen
27 Vorfahrern/ Engelbertum, Gr. von Falkenberg /
28 der erst A. 1275 soll gestorben
29 seyn/ ) alsobald beystimmig wurden. Die
30 drey Weltlichen/ hatten meinst den Beschluß
31 dieser Rede/ von den Toͤchtern Rudolphi,
32 zu ohren gefasst/ und solches ihnen
33 sonders belieben lassen. Dieweil aber
34 von andern Fuͤrsten andere vorgeschlagen
35 wurden/ und insonderheit Ottocari Zorn
36 und Gewalt/ sofern ihm ein anderer vorgezogen
37 wuͤrde/ zufuͤrchten ware: als konten
38 sie der Wahl halber gar nicht einig werden.
39 Endlich/ damit sie nicht unverrichter
40 sachen wieder voneinander zoͤgen/ oder
41 aber/ wie vordessen/ durch eine zweytraͤchtige
42 Wahl das Reich zweyhaͤuptig werden
43 moͤchte: solchem vorzukommen/ gaben sie/
44 nach langer erwaͤgung/ Pfaltzgr. Ludwigen /
45 als damals dem achtbarsten unter allen
46 Reichsfuͤrsten/ vollkommene macht und
47 gewalt/ einen Keyser zubenennen/ mit versprechen/
48 daß sie denjenigen/ welchen er benennen
49 wuͤrde/ ohne einige widerrede einmuͤtiglich
50 bestaͤttigen wolten. Der Pfaltzgrav
51 wegerte sich lang/ diß Geschaͤffte zuuͤbernehmen/
52 entschuldigte sich und sagte:
53 "Es sey eine schwere und gefaͤhrliche sache/
54 "daß er allein von soviel andern urtheilen/
55 "und einen aussuchen solte/ der
56 "allen gefalle. Auf seinen Ausspruch/
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1 wurde Einer herrschen/ und die andern "
2 alle dienstbar und unterworfen seyn "
3 muͤssen: und dannenhero/ wegen erhebung "
4 eines/ und uͤbergehung sovieler/ die "
5 sich dadurch beleidigt achten moͤchten/ "
6 ihme Feindschafft und Ungunst auf den "
7 Hals wachsen. Weil sie aber nicht ablassen
8 wolten/ willigte er endlich in ihr Begehren:
9 in betrachtung/ daß er gleichwol den
10 Erwehlten ihm hiedurch verbuͤndlich machen/
11 und also nicht allein ihm selber/ sondern
12 auch seinen Nachkommen/ viel Ehre
13 und Nutzen zuwenden wuͤrde.
14 Ob Burggrav Fridrich / Rudolphi
15 Schwester-Sohn/ diesem Wahltag von
16 anfang beygewohnet/ ist nicht aufgeschrieben
17 zufinden/ auch nicht vermutlich/ weil er
18 ohnezweifel bey Rudolpho im Lager geblieben.
19 Er hat aber/ zu ende dessen/ sich
20 darbey eingefunden: entweder vom Pfaltzgraven
21 beruffen/ oder daß er/ nach getroffenem
22 Anstand mit dem Bischoff/ aus eigner
23 bewegnis/ die Versammlung anzuschauen/
24 einen Ritt dahin thun wollen. Diesen
25 nun/ fragte der Pfaltzgrav/ ob er / wann
26 Rudolphus Keyser wuͤrde/ ihn versichern
27 koͤnte/ daß er einen gnaͤdigen Herrn an ihm
28 haben/ und seiner Toͤchter eine zur Gemahlin
29 erlangen/ wuͤrde? Diese Frage thaͤt der
30 Pfaltzgrav/ weil er vor etlichen Jahren seine
31 Gemahlin/ eine gebohrne Herzogin von
32 Brabant / aus argwahn begangenen Ehebruchs/
33 aber unschuldig/ hinrichten lassen/
34 und daher von ihren Befreundten bey dem
35 neuen Keyser sich einer Anklag besorgte:
36 wiewol er/ auf eingebrachte Erkaͤntnis ihrer
37 Unschuld/ diese That so sehr soll bereuet
38 haben/ daß er in einer Nacht gantz grau
39 worden. Der Burggrav gedachte wol/
40 Rudolphus wuͤrde nicht allein der Keyserlichen
41 Wuͤrde sich erfreuen/ sondern auch/
42 zu unterstuͤtzung derselben/ sich gerne mit
43 einem so maͤchtigen Fuͤrsten befreunden.
44 Demnach versprach er dem Pfaltzgraven
45 in die hand/ daß er sich beydes zu Rudolpho
46 solte zuversehen haben. Eben dergleichen
47 Antwort bekamen auch von ihme/
48 Herz. Albrecht zu Sachsen und Marggr.
49 Otto zu Brandenburg / als sie gleichfalls/
50 ein jeder eine von Rudolphi Toͤchtern/ ihnen
51 ausbedingten. Etliche halten dafuͤr/
52 diese drey Fuͤrsten haben darum an die
53 Wahl Rudolphi dieses Heurat-beding
54 geknuͤpffet/ damit/ wann sie des Keysers
55 Tochtermaͤnner waͤren/ er sie/ wegen dessen/
56 so sie dem Reich entzogen/ unangefochten
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1 lassen/ und seiner Toͤchter Nachkommen
2 damit beerben moͤchte.
3 Als nun endlich die Fuͤrsten auf den
4 Pfaltzgraven drungen/ und ihm nicht laͤnger
5 verschub geben wolten: trate er auf/
6 widerholte kuͤrtzlich die gegenwaͤrtige des
7 Reichs Angelegenheiten/ denen nach nohtdurft
8 vorzustehen/ er keinen tuͤchtigern
9 wuͤste/ als den Hochgebohrnen Fuͤrsten/
10 Rudolphum, Graven zu Habsburg / und
11 Landgraven im Elsaß; welchen er auch hiemit/
12 ihrem Befehl zu folg/ zum Roͤmischen
13 Koͤnig wolte ernennet haben. Er hatte diese
14 Rede kaum vollendet/ da fieng die gantze
15 Versammlung an zu ruffen: Rudolphus
16 ist Roͤmischer Koͤnig Gluͤck zu dem
17 Koͤnig RudolphoDiß geschahe den
18 29sten Septembr. dieses 1273sten Jahrs/
19 eben am Tag Michaelis, des Erz-Engels
20 und Himmels-Heerfuͤrstens: weil Rudolphus,
21 gleich als ein irdischer Engel/ aus
22 dem Raht der hochheiligsten Gottheit abgeordnet
23 ware/ dem Reich neue Wolfart und
24 Frieden zubringen/ und wider dessen Feinde
25 einen sieghafften Heerfuͤhrer abzugeben.
26 Nachdem nun also die Erwehlung
27 Rudolphi einmuͤtiglich gutgeheissen worden/
28 wurde alsofort/ des Reichs Erbmarschalk/
29 H. Heinrich von Pappenheim / (4)
30 abgefaͤrtigt/ ihn/ im Nahmen der Churfuͤrsten/
31 als einen Roͤmischen Koͤnig zugruͤssen/
32 und nach Frankfurt zu fordern/ von dannen
33 sie mit ihm nach Aach zur Kroͤnung reisen
34 wolten. Aber Burggrav Friderich /
35 wolte diesem Abgesandten zuvorkommen/
36 und das erste Botenbrod erlangen/ sowol
37 auch Rudolpho der dreyen Fuͤrsten Befreundung
38 antragen. Demnach machte er
39 sich eilends auf/ und kame einen tag eher
40 an/ in der Stadt Bruck / oder wie andere
41 wollen/ im Lager zu Basel. Er hatte sonst
42 die gewonheit und freyheit/ als Rudolphi
43 Vetter und vertrauter Freund/ unangemeldt
44 in sein Gemach einzutretten: aber vor
45 dißmal ließ er sich zuvor ansagen. Rudolphus,
46 der von seiner Erwehlung nichts
47 wuste/ auch dieselbe ihm nicht traumen lassen/
48 verwunderte sich uͤber dieser ungewoͤhnlichen
49 Hoͤflichkeit/ und vermuhtete
50 fast etwas ungleiches. Der Burggrav/ so
51 bald er eingelassen worden/ gruͤssete Rudolphum
52 mit einer tieffen Reverenz und
53 Ehrverneigung/ erzehlte ihm folgends alles/
54 was zu Frankfurt vorgangen/ wie er/
55 durch einhaͤllige Wahl/ zum Roͤmischen
56 Koͤnig erkohren/ auch zu empfahung der
Seite 80 Sp. B
1 Kron erfordert wuͤrde. Darneben/ nach
2 abgelegtem Gluͤckwunsch/ erwaͤhnte er gegen
3 ihm/ wasmassen ihnen die drey Churfuͤrsten
4 die Eidamschafft/ und Vermaͤhlung
5 seiner Toͤchter/ mit eingedingt haͤtten.
6 Rudolphus erstutzte ob dieser Botschafft/
7 wolte auch solcher anfangs nicht
8 glauben zustellen/ bis ihn der Burggrav
9 dessen mit hoher betheurung nachmals versicherte/
10 auch hinzusetzte/ wie daß der von
11 Pappenheim ehist ankommen/ und ihm
12 eben dieses von des Reichs wegen andeuten
13 wuͤrde. Wie er nun von Natur ein demuͤtiger
14 Herr ware/ und ihm selber nicht viel
15 zueignete/ also achtete er sich viel zu unwuͤrdig/
16 uͤber soviel Fuͤrsten und Herren
17 zuherrschen. Auch in betrachtung damahligen
18 Zustands im Reich/ sahe er wol/ daß
19 diese Wuͤrde eine schwere Buͤrde mit sich
20 braͤchte/ welche zuertragen ihm schwer fallen
21 wuͤrde. Doch hielte er es endlich vor
22 eine Goͤttliche Versehung/ dankete GOtt
23 vor dieses Ehrgluͤck/ und beschlosse/ beydes
24 in die Wahl und Heuraten zuverwilligen.
25 Des folgenden tags/ kame der Reichsmarschalk/
26 eroͤffnete ihme/ mit Vorweisung
27 der Churfuͤrsten Hand und Sigel/
28 dasjenige/ wessen er allbereit einen vorschmack
29 hatte. Was Freude diese ankuͤndigung
30 bey den seinen erwecket/ und mit
31 was gluͤckwuͤnschungen er hierauf beehret
32 worden/ ist leichtlich zuerachten. Rudolphus
33 aber gedachte seiner Regierung/ mit
34 Begnadigung/ einen anfang zumachen:
35 befahle demnach alle Gefangene frey ledig
36 zulassen; schickte folgends Burggr. Fridrichen
37 in die Stadt Basel zum Bischoff/
38 und liesse ihm seine Gnade und Frieden anbieten.
39 Das Geschrey hiervon/ ware allbereit
40 vorangelauffen/ und als es dem Bischoff
41 vor ohren gekommen/ ward er daruͤber
42 theils bestuͤrtzt/ theils unwillig/ schluge
43 sich selbst wider das Haupt/ und sagte:
44 Setze dich faͤst/ lieber Christeoder "
45 Rudolf wird dich noch selber vom "
46 Stul stossen. Jch glaͤube/ wann ein "
47 Gluͤck vom Himmel faͤllt/ so muß "
48 es allein diesen Graven treffen. "
49 Gleichwol sahe er nun die aͤuserste nohtwendigkeit/
50 sich unter Rudolphum zu demuͤtigen.
51 Demnach ließ er ihme/ durch einen
52 Gesandten/ gluͤckwuͤnschen: und nachdem
53 er sich mit Burggr. Fridrichen unterredet/
54 kame er selber zu ihm hinaus ins Lager.
55 Alda wurde ein Vertrag zwischen ihnen
56 beyden beschlossen: und wie man schreibet/
Seite 81 Sp. A
1 so hat er Rudolpho, wegen zugefuͤgten
2 Schadens/ mit 900 Mark Silbers
3 abtrag thun muͤssen. Wiewol nun/ der
4 Bischoff und andere uͤbelgesinnte/ Rudolpho
5 dieses Gluͤck mißgoͤnneten/ so hatten
6 doch die von Zuͤrich und Straßburg / neben
7 andren Staͤdten/ eine hertzliche Freude
8 daruͤber/ welche dann/ durch ihre Abgeordnete/
9 nebenst dem Gluͤckwunsch/ ihn mit
10 ansehnlichen Geschenken bedieneten.
11 Die Stadt Neuburg am Rhein / ware
12 vordessen den Grave̅ von Freyburg zustaͤndig
13 gewesen. Gr. Conrad / hatte zwee̅ Soͤhne
14 verlassen/ Gr. Eggen und Gr. Heinrichen:
15 jenem ward Freyburg / diesem aber
16 Neuburg und Badenweiler / zugetheilet.
17 Als nun Gr. Heinrich / vorhabens die Stadt
18 in Eidspflicht zu nehmen/ nach Neuburg
19 kommen/ schwaͤchete er ( wie auch droben
20 schon erwaͤhnt worden ) einem vornehmen
21 Burger sein Weib: dadurch wurde die
22 Burgerschafft entruͤstet/ wolten ihm nicht
23 schweren/ sondern jagten ihn zur Stadt
Seite 81 Sp. B
1 hinaus/ und untergaben sich dem Bischoff
2 zu Basel / eben dazumal/ als der Krieg
3 zwischen ihm und Rudolpho aufflammete.
4 Der muste sie aber vor dißmal/ wie dem
5 Vertrag einverleibt worden/ wieder abtretten.
6 Rudolphus, weil die verbitterte
7 Burgerschafft Gr. Heinrichen durchaus
8 nicht zum Herrn haben wolten/ nahme die
9 Stadt in des Reichs Schutz: doch straffte
10 er die Burger/ um den zehenden Pfennig
11 von aller ihrer Haabe/ mit welchem Geld
12 er den Graven befriedigte. Nach der Zeit
13 ist diese Stadt/ wie im 5 Cap. anregung
14 geschehen/ an Oesterreich gelanget.
15 Als nun Rudolphus sich mit dem Bischoff
16 vertragen/ zoge er/ mit seiner Gemahlin
17 und Kindern/ auch mit dem Volck/ so er
18 bey sich hatte/ auf Frankfurt zu: allwo er
19 von den Chur-Fuͤrsten und Staͤnden aufs
20 herrlichste eingeholet/ folgends nach Aach
21 (5) ansehnlichst begleitet/ und alda mit gewoͤhnlichen
22 Ceremonien zum Roͤmischen
23 Koͤnig gekroͤnt worden.
24 K. Rudolphi Kroͤnungs-Handlung.
25 Christicolúm Regis, Christi Crux, nobile Sceptrum:
26 hoc manus, acillum mens pia, rite gerat.
27 Vicit in hoc Signo, Signati Cæsar amator.
28 Quem, Rex Christe, regis, Rex erit ille potens.
29 Christi Creutz/ ein rechtes Zepter vor der Chris̉ten Koͤnig' ist:
30 wann das Creutz sie in der Hand/ Christum in dem Hertzen/ tragen.
31 Diß thaͤt Rudolf: hat dadurch sieghaft seine Feind geschlagen.
32 Ein Regent/ regirt ihn Christus/ ist mit Großmacht wolgeruͤst.
Seite 82 Sp. A
1 Nach vollbrachter Kroͤnung/ begehrte
2 K. Rudolphus von den Fuͤrsten/ ihme
3 den gewoͤhnlichen Eid abzulegen/ auch hiemit
4 anzugeloben/ daß sie ihm alles/ was
5 dem Reich entzogen worden/ wieder ans
6 Reich wolten bringen helffen. Als aber die
7 Fuͤrsten/ ( vielleicht/ wegen dieser seiner angehaͤngten
8 strengen Anforderung/ etwas
9 unentschlossen/ und weil sie zum theil nicht
10 gern wider sich selber schwoͤren wolten/ )
11 solchem nachzukommen ausflucht suchten/
12 mit vorwand/ wie daß kein Zepter/ zu welchem
13 sie schwoͤren koͤnten/ vorhanden waͤre:
14 hat K. Rudolphus ein Crucifix vom
15 Altar ergriffen/ ihnen solches gezeiget/ und
16 "gesagt: Sehet hier/ diß Zeichen/ an
17 "welchem die Welt erloͤst worden/
18 "will ich an stat eines Zepters/ wider
19 "meine und des Reichs Feinde/ gebrauchen.
20 Durch diese Christ-dapfre
21 Rede/ wurden die Fuͤrsten bewogen/ daß sie
22 das Crucifix andaͤchtig kuͤsseten/ auch K.
23 Rudolpho unverzuͤglich den Eid leisteten/
24 und ihm alle Huͤlffe versprachen. Soviel
25 vermochte sein großmuͤtiges Vertrauen
26 auf den Allmaͤchtigen/ dessen sich desto
27 mehr zuerinnern/ er ihme dessen Creutzbild
28 sonders lieb seyn lassen/ und es allezeit bey
29 sich gefuͤhret: wovon hernach/ in beschreibung
30 der Schlacht mit Ottocaro, ein mehrers
Seite 82 Sp. B
1 folgen soll. Es hat auch der hochheiligste
2 Gecreutzigte ihn in diesem seinem
3 Vertrauen staͤrken/ und seine Widerwaͤrtige
4 schrecken/ auch seine Rede bekraͤfftigen
5 wollen/ indem er/ die folgende Nacht/ gleich
6 uͤber der Kirchen/ darinn die Kroͤnung geschehen/
7 ( wie Alb. Cranzius aufgezeichnet )
8 ein hell-leuchtendes guͤldnes Creutz am
9 Himmel erscheinen lassen: welches von viel
10 tausend Menschen/ beydes mit Andacht
11 und Verwunderung/ angeschauet worden.
12 Es hat auch die Erde/ die Gluͤckseeligkeit
13 dieser Zeit vermehren/ und das Jahr
14 der Kroͤnung Rudolphi auch mit ihrem
15 Gut kroͤnen wollen/ anzudeuten/ daß/ mit
16 diesem neuen Keyser/ des Reichs alt-erstorbene
17 Wolfart wieder neu hervorgruͤnen/
18 aufbluͤhen und reichlich fruchtbringen
19 wuͤrde: indem naͤmlich so eine Wolfeile gewesen/
20 daß man ein vierteil Weitzen um
21 22 pfennig/ ein vierteil Rocken um 16 pfennig/
22 ein Hun um 2 pfennig/ eine Mandel
23 Eyer um 1 pf. auch 8 Heeringe um 1 pf.
24 kauffen und geniessen koͤnnen.
25 Rudolphus ward/ im 55sten Jahr
26 seines Alters/ und zwar an einem Dienstag
27 d. 21 Octobris, am dritten Tag nach dem
28 Fest Lucæ des Evangelisten/ zum Roͤm.
29 Koͤnig gekroͤnt: wovon zur selbigen zeit/
30 nachfolgende Reimverse aufgesetzt worden:
Seite 82 Sp. C
17 Zuvor ist gedacht worden/ wasmassen
18 die 3 Churfuͤrsten jeder eine von Rudolphi
19 Toͤchtern begehret/ auch Burggr. Friderich
20 hieruͤber sein Jawort erhalten. Diese
Seite 82 Sp. D
1 nutzliche Heuraten nun ins werk zusetzen/
2 wurde/ durch fernere fleissige Unterhandlung
3 Churf. Werners zu Maintz / nach beschehener
4 Kroͤnung/ diß Geschaͤffte soweit
Seite 83 Sp. A
1 eroͤrtert/ daß bald darauf die ansehnliche
2 Beylager Pfaltzgrav Ludwigs mit Fr.
3 Mechtild / Herz. Albrechts zu Sachsen mit
4 Fr. Agnes / und Marggr. Ottens mit Fr.
5 Hedwig / daselbst zu Aach angestellet und
6 hochfeyerlich vollzogen worden. Jst wol
7 vor eine ungemeine ja unerhoͤrte Gluͤckseeligkeit
8 zuachten/ daß die Gemahlin Rudolphi,
9 unter 7 Toͤchtern/ die sie ihm gebohren/
10 vor dißmal die drey aͤltsten mit 3
11 Churfuͤrsten/ und nach der zeit/ wie wir hoͤren
12 werden/ die uͤbrigen dreye mit 3 Koͤnigen/
13 vermaͤhlet gesehen.
14 Pfaltzgrav Ludwig / hatte vorher zwo
15 Gemahlinnen gehabt/ als naͤmlich Fr. Anna,
16 Herz. Conrads zu Glogaw in Slesien /
17 und vor ihr Fr. Maria, Herz. Heinrichs
18 in Brabant / Tochter/ der H. Elisabeth
19 Enklin/ eine schoͤne Fuͤrstin/ welche er/
20 wie zuvor erwehnt/ aus falschem Argwahn
21 deß Ehebruchs/ hinrichten lassen. Ungeacht
22 dessen/ ließ sich Fr. Mechtild mit ihm vermaͤhlen/
23 ủm/ also Freundschafft und Frieden
24 im Reich stifften zu helffen: wie sie dann
25 durch ihre Freund- und Holdseeligkeit/ ihren
26 Gemahl nachmahls zubewegen wuste/ daß
27 er K. Rudolpho in seinen Kriegen maͤchtigen
28 beystand geleistet. Von ihrer/ wie auch
29 Fr. Agnes, Nachkommenschaft/ soll zu
30 Ende diß 1. Buchs gesagt werden.
31 Von Marggr. Otten / ist nicht viel
32 gewißes zuschreiben. Er wird/ in den Historien/
Seite 83 Sp. B
1 Otto der Kleine genennet. Sein
2 Vatter/ Otto 3, hatte mit Beata, K.
3 Ottocari in Boͤheim Schwester/ ihn und
4 seine Bruͤder/ Johannsen den Prager / Otten den Langen /
5 und Albrechten / gezeuget.
6 Es haben aber damals auch/ von seines
7 Vatters aͤltern Bruder Johanne 1, vier
8 Soͤhne/ als Conrad / Johannes 1, Otto
9 mit dem Pfeil/ und Ericus Erzbischoff zu
10 Magdeburg / gelebet. Albizius gibt Conrado,
11 aber Reusnerus gedachtem Ottoni dem Kleinen /
12 den Tittel eines Churfuͤrsten.
13 So schreiben auch etliche/ dieser Otto habe
14 mit Fr. Hedwig / nicht vor dißmal zu Aach /
15 sondern erst 3 Jahre hernach A. 1278/
16 nach der Niderlag K. Ottocari, zu Jglaw
17 in Maͤhren / beylager gehalten. Es laͤsst
18 sich auch vermuhten/ daß er seines Vettern
19 Ottocari halber/ der in die Wahl Rudolphi
20 nicht gewilligt/ mit dieser Heurat noch
21 etwas zuruͤck gehalten habe. Dem sey nun/
22 wie ihm wolle/ so ist doch gewiß/ daß er diß
23 Fraͤulein geheuratet/ und sie/ wegen ihrer
24 Schoͤnheit und Tugend dermassen geliebet/
25 daß er/ als sie ihm durch fruͤhzeitigen
26 Tod hinweggenommen worden/ keine
27 andere mehr lieben moͤgen/ sondern in ein
28 Kloster gegangen und geistlich worden. Er
29 soll mit ihr einen Sohn und 2 Toͤchter gezeuget
30 haben/ welche aber alle vor ihme/ und
31 er selber/ bald nach seiner Gemahlin/ A.
32 1304/ todes verblichen.
Seite 84 Sp. A
1 Das 10 Capitel.
2 K. Rudolphi Reichsgeschaͤffte.
3 Jnnhalt.
4 (]k. Rudolphus, reiset durchs Reich/ und belohnt zu Maintz
5 Jac. Muͤllers getreue Dienste:(} bespricht sich mit dem Pabst/
6 zu Losanna. (3) Sein 1 Reichstag/ zu Nuͦrnberg: daselbst/ fuͤhrt
7 er in die Cantzeleyen die Teutsche Sprach ein. (4) K. Ottocar,
8 macht das Reich unruhig. (5) K. Rudolphi 2. Reichstag/ zu Augsburg.
9 (6) Ottocari Gesandschafft zum Reichstag. (7) Des Reichs
10 Gesandschafft an Ottocarn: der wird in die Acht erklaͤret.
11 NAchdem nun zu Aach /
12 die Kroͤnung und Fuͤrstliche
13 Hochzeiten/ vollbracht
14 waren/ liesse K.
15 Rudolphus, bevor sie
16 voneinander reiseten/ die
17 Fuͤrsten zusam̅enberuffen/
18 befahle ihnen/ daß jeder/ des Reichs
19 Ruhe und Wolfart zubefoͤrdern/ in seinem
20 Land und an den Graͤntzen die Raubereyen
21 ausrotten solte/ und beschiede sie/ auf naͤchstkuͦnfftigen
22 Sommer/ zu einem Reichstag
23 nach Nuͦrnberg / alda er ferner des Reichs
24 notdurft mit ihnen abhandeln wolte. Hierauf
25 reisete er mit seiner Gemahlin/ ( in geleitschafft
26 Werneri Erzbisch. zu Maintz /
27 Bisch. Fridrichs zu Speyer / Abt Ulrichs
28 zu S. Gallen / Pfaltzgrav Ludwigs und
29 Herz. Albrechts / seiner Eidame/ auch vieler
30 anderer Graven und Herren/ welche in
31 dem Brief/ womit er auf dieser Reise der
32 Stadt Speyr Freyheiten bestaͤttigt/ als
33 Zeugen benennet worden/ ) auf Coͤln / und
34 fuͦrter den Rhein herauf/ da er Maintz / Hagenaw
35 /Worms / Speyr / Straßburg /
36 Basel / und andre Reichsstaͤdte besuchte:
37 welche alle ihn Koͤniglich empfiengen/ und
38 ihme mit Freuden huldigten/ hingegen von
39 ihme die bestaͤttigung ihrer Freyheiten erlangten.
40
41 Zu S. Gallen waren/ nach absterben
42 Abt Berchtolds / durch Zweytracht des
43 Convents/ zween Aebte/ als Ulrich von Guͦttingen
44 und H. Rumold von Ramstein /
45 erwehlt worden/ welche dann um die Abtey
46 kriegten/ und keiner dem andern weichen
47 wolte. K. Rudolphus nahme/ auf dieser
48 Reise/ Convent und Burgerschafft daselbst
49 in Eid und Geluͤbde/ liesse sie dem
50 Reich schwoͤren/ und setzte dem Gottshaus
51 einen Schirmherrn oder Kastenvogt von
52 des Reichs wegen/ naͤmlich H. Ulrichen von Ramschwag:
53 (]also hatten die Moͤnche
Seite 84 Sp. B
1 gekriegt/ wie die Maͤuse und Froͤsche/ bis
2 ihnen der Adler auf die hauben gegriffen.
3 Abt Ulrich(} zoge K. Rudolphi Hofstat
4 nach/ seine bestaͤttigung auszubringen/ und
5 hatte sich/ als derselbe zu Coͤln ein zeitlang
6 still gelegen/ so praͤchtig gehalten/ daß ihn
7 der Keyser muste aus der Herberg loͤsen:
8 wofuͦr ihme der Abt die Herrschafft Gruͦningen
9 verkaͤufflich abgetretten/ so Hr.
10 Walthern von Elgkow verpfaͤndet ware/
11 und hernach von dem Keyser an Habsburg
12 eingeloͤst worden.
13 Zu Maintz (3) ist K. Rudolphus /
14 eben am tag Martini, eingeritten/ alda er
15 von dem Erzbischoff und der Stadt aufs
16 herrlichste bewirtet worden. Jn dieser
17 Stadt/ hielte er seinen ersten Reichs-verhoͤrtag/
18 liesse diejenigen vor sich/ so ihme
19 nachgereiset/ verliehe die Lehen/ und liesse einem
20 jeden gnaͤdige abfertigung wiederfahren.
21 Jnsonderheit hat er seinen lieben getreuen
22 Zuͦrichern / die ihm in vergangenen
23 Kriegen dapfern beystand geleistet/ nicht allein
24 die alten bestaͤttigt/ sondern auch viel
25 neue herrliche Freyheiten ertheilet/ und unter
26 andern ihr Stadt-Paner mit einem
27 rohten Schwenkel/ deme die Freyheit mit
28 rohtem Wachs zusigeln anhaͤngig/ Koͤniglich
29 gezieret.
30 Vor andern aber liesse er seine Gnade
31 spuͤren/ obgedachten Jacob Muͦllern / welchen
32 er/ vor allen anwesenden Fuͦrsten/ zum
33 Ritter schluge/ auch mit stattlichen Guͤtern
34 und hohen Ehren-aͤmtern begabte. Als
35 die Fuͤrsten sich hieruͤber verwunderten/
36 und ihn fragten/ warum er diesem Manne/
37 dessen schlechtes Herkommen ihnen bekandt
38 vare/ so grosse Ehre anthaͤte/ und sich soviel
39 gegen ihm demuͦtigte? erzehlte er ihnen/
40 wasmassen er von ihme/ wie oben erwehnt
41 worden/ im Treffen mit dem von Regensberg /
42 da er von Feinden umgeben/
43 und nunmehr auf der schwelle des Todes
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1 gewesen/ mit unglaͤublicher Dapferkeit mitten
2 aus des Feinds haͤnden errettet und
3 entfuͤhrt worden/ auch sonst an ihme einen
4 treuen und dapfern Kriegsgesellen gehabt.
5 "Diesem und andern seines gleichen/
6 "sagte er/ bin ich/ zu dankbarer Erkaͤntniß
7 "ihrer Verdienste/ viel Gnaden
8 "schuldig/ welche ich ihnen um
9 "soviel billicher bezahlen werde/ weil
10 "mich GOtt faͤhig gemacht/ Gnaden
11 "zuertheilen. Und will ich auch
12 "hiemit andern meinen Dienern und
13 "Freunden ein Beyspiel zur nachfolge
14 "vorstellen/ daß sie/ mir und dem
15 "Reich treulich dienend/ und sich der
16 "Dapferkeit befleissend/ mich auch
17 "zu ihrem Schuldner machen. Diese
18 antwort hat den Fuͤrsten sonders wol gefallen/
19 als aus welcher sie sein recht-Koͤniglichs
20 Gemuͦte abmerken konten.
21 Von Maintz / daselbst er sich etwas
22 lang aufgehalten/ begab sich K. Rudolphus
23 ferner den Rhein herauf/ auf Worms
24 und Speyr / und von dannen auf Straßburg /
25 alda er mit den Buͤrgern/ als auch
26 seinen lieben getreuen Schutzverwandten/
27 froͤliche Weihnachten hielte.
28 Von Straßburg ruͤckte er fort/ durch
29 sein Eigentum das Elsaß / auf Basel zu/
30 alda er im eingang des folgenden 1274sten
31 Jahrs/ am 12 Januarii, seinen Eintritt hielte/
32 und sowol von dem Bischoff und der
33 Clerisey/ als von der Burgerschafft/ aufs
34 praͤchtigste ( zwar wolvermutlich nicht ohne
35 heimlichen Neid und Widerwillen/ ) eingeholt
36 wurde. Der Bischoff kam ihm entgegen/
37 nicht/ wie zuvor/ in einem Kuͤriß/
38 sondern in seinem Bischofflichen Schmuck
39 und Ornat, nicht mit einem Kriegsheer/
40 sondern mit einer demuͤtigen Procession,
41 und ließ die Pristerschafft singen den Festgewoͤhnlichen
42 Respons: Tu es, qui venturus
43 es, Domine, quem exspectamus, etc.
44 K. Rudolphus haͤtte wol ursach gehabt/ ihme
45 mit dem Deposuit zuantworten: aber/
46 gleichwie er zuvor ihn zu zuͤchtigen gewust/
47 also wuste er auch itzt seiner zuverschonen/
48 und ware bey ihm aller vorigen Feindschafft
49 vergessen. Und wiewol er sich itzt haͤtte raͤchen
50 koͤnnen/ so hat doch die edle Sanftmut
51 in seinem Gemuͤte fuͤrgedrungen/ also
52 daß er dieser Stadt nicht weniger Gnade/
53 als andren/ erwiesen. Die Edlen der Gesellschafft
54 vom Stern/ sind vor dißmal mit
55 K. rudolpho wieder in Basel eingezogen/
56 und in ihren alten Stand eingesetzet/ auch
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1 eine vergessenheit voriger Handlungen beyden
2 Parteyen anbefohlen worden: wiedann
3 auch noch selbiges Jahr/ Matthis von Eptingen /
4 Ritter/ aus der Gesellschafft vom
5 Stern/ zum Burgermeister erwehlt worde̅.
6 K. Rudolphus hatte inzwischen mit
7 Pabst Gregorio, welcher eben damals/
8 nach endung des Concilii zn Lyon, gegen
9 Rom ruͦckreisfaͤrtig ware/ sich durch Botschafft
10 dahin verglichen/ daß sie beyde/ zu
11 Losanna am Genfer-See / zusammenkommen/
12 und sich miteinander besprechen
13 wolten. Diesem nach reisete er von Basel
14 strakswegs/ durch seine Grav- und Herrschafften/
15 auf Losanna zu/ alda er vom
16 Pabst freundlich empfangen/ und zum Roͤmischen
17 Koͤnig bestaͤttigt wurde. Dißmal
18 soll der Pabst K. Rudolphum beredt haben/
19 einen Heerzug und Meerfart ins H.
20 Land/ zu rettung der armen bedrangten
21 Christen daselbst/ vorzunehmen: worzu er
22 ihm 200000 Cronen angebotten/ auch ferner
23 allen fuͤrschub versprochen/ wie er dann
24 allbereit/ zu behuff dieses Kriegs/ alle Geistlichen
25 um den Zehenden ihres Einkom̅ens/
26 und jedes Haupt in der Christenheit/ junge
27 und alte/ jaͤhrlich um einen Pfennig angelegt
28 hatte. Andere schreiben/ K. Rudolphus
29 habe dazumal dem Paͤbstlichen Stul
30 die Stadt Ravenna samt dem Exarchat,
31 sonst das Land Romandiola genennt/ ( weil
32 er wol wuste/ auch am Hof und in den Zuͦgen
33 K. Friderici 2 selbst gesehen und erfahren/
34 daß wegen dieser Herrschafft alle
35 Zweytrachten zwischen den Paͤbsten und
36 Keysern sich angesponnen/ ) abgetretten: jedoch
37 mit der bedingnis/ daß er und seine
38 Nachfolger am Stul zu Rom / den Krieg
39 wider die Unglaubigen auf ihren Kosten allein
40 fuͤhren/ und die Roͤmischen Koͤnige dessen
41 uͤberheben solten. Selbiger Vertrag
42 und Ubergab/ soll nachmals/ von allen
43 Bischoffen und Praͤlaten des Reichs/ mit
44 Unterschrifft und Sigel bekraͤfftigt worden
45 seyn. Diese deß Pabsts und Keysers
46 Zusammenkunft/ setzen etliche in das vorhergehende
47 Jahr/ und ziehen an/ diese alte
48 Verse:
49 Bis sexcenti septuaginta tresǵ steteré
50 anni, Lausannæ dum Rex etc Papa fuére.