Kant: Briefwechsel, Brief 850, An Iohann Benjamin Erhard.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Iohann Benjamin Erhard.      
           
  20. Dec. 1799.      
           
  Hochgeschätzter Freund!      
           
  Einen Brief von Ihnen zu erhalten - und zwar aus Berlin:      
  um da nicht zu hospitiren, sondern zu wohnen, - erheitert mich durch      
  meine sonst trübe Gesundheitsanlage, welche doch mehr Unbehaglichkeit      
  als Krankheit ist, schon durch den Prospect, mit litterarischen Neuigkeiten      
  von Zeit zu Zeit unterhalten und aufgefrischt zu werden.      
           
  Was das erstere betrifft: so besteht es in einer spastischen Kopfbedrückung,      
  gleichsam einem Gehirnkrampf, von dem ich mir doch      
  schmeichle daß, da er mit der ausserordentlich langen Dauer einer weit      
  ausgebreiteten Luftelectricität, so gar vom Iahr 1796 an bis jetzt,      
  fortgewähret hat, (wie es schon in der Erlanger Gel. Zeitung angemerkt      
  worden und mit dem Katzentodt verbunden war) und, da diese      
  Luftbeschaffenheit doch endlich einmal umsetzen muß, mich befreyet zu      
  sehen ich noch immer hoffen will      
           
  Daß Sie das Brownsche System adoptiren und in Credit zu      
  setzen suchen ist, was die formale Principien derselben betrifft, meinem      
  Urtheile nach wohl gegründet. wenn gleich die materialen zum Theil      
  waghälsig seyn möchten Vielleicht könnte man mit ihm sagen: der      
  krank[hafte Zustand] ist = x und der Artzt bekämpft nur die Symptome;      
  zu deren Kenntniß er Weisheit bedarf, um die Indicationen derselben      
  aufzufinden. Doch ich verirre mich aus meiner Sphäre.      
           
  Was mich aber sehr freuet ist: daß sich zugleich HE William      
  Motherby, der jetzt in Berlin seinen medicinischen Cursus macht, da      
  ist; mit welchem ich bitte in Conversation zu treten; der eben so wie      
  sein würdiger Vater mein vorzüglicher Freund, ein heiterer wohldenkender      
  junger Mann ist. Dieser hat mir seine in Edimburg im      
  vorigen Iahr gehaltene Inaugural=Disputation dedicirt ( de Epilepsia )      
           
  und ich bitte ihm dafür zu danken. - Rechtschaffenheit ist sein und      
  seiner Familie angebohrner Character und es wird Ihnen, so wie      
  ihm, ihr Umgang unterhaltend und erbaulich seyn. - Gelegentlich      
  bitte ich auch Herren D. Elsner, Sohn unseres jetzigen Rectoris      
  Magnifici, M. D. gelegentlich von mir zu grüßen: einen jungen Mann,      
  der viel Talent hat und binn mit Ergebenheit und Hochachtung      
           
    Ihr      
  Königsberg treuer Freund und Diener      
  den 2O sten Dec. 1799 I Kant      
  N. S. Einlage bitte zu bestellen.        
           
           
           
     

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