Kant: Briefwechsel, Brief 842, Von Fabian Emil Reichsgraf zu Dohna.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Fabian Emil Reichsgraf zu Dohna.      
           
  Mallmitz bey Sprottau in Nieder Schlesien      
           
  den 28sten August [1799.]      
           
  Verehrungswürdigster Mann!      
           
  Nur die Wichtigkeit die die Frage für mein Herz hat giebt mir      
  den Muth Sie um eine Antwort zu bitten. Ich habe eine Braut mit      
           
  der ich der innigen Vereinigung der Liebe mit der Achtung in der      
  Freundschaft, nahe zu kommen hoffe, diese hat die Blattern noch nicht      
  gehabt. Ein Vorfall in unsrer Familie wo eine junge Frau von      
  19 Iahren in dem Kindbette die Blattern bekam und ohne Rettung      
  starb, welche Erfahrung man häufig macht, bestimmte meine Braut selbst      
  sich die Blattern einimpfen zu laßen, wodurch sie meinem sehnlichen      
  Wunsche zuvor kam. - Nun lese ich heute in Ihrer Tugendlehre,      
  welche mein Handbuch geworden ist seitdem ich im Iahre 97. Ihr      
  Sistem durch ein Privatissimum beim Professor Beck damals in Halle,      
  habe kennen lernen. Nun fallt mir heute besonders die Stelle wegen      
  der Einimpfung der Blattern unter den Casuistischen Fragen auf. Ich      
  halte sie fur erlaubt, da ich doch mein Leben noch auf etwas Ungewisseres      
  wage, wenn ich es darauf ankommen laße, von einem böseren      
  Gifte, zu einer gefährlicheren Zeit, und unvorbereitet angesteckt zu werden.      
  Ich bitte Sie herzlich lassen Sie mich wissen, was das Gesetz      
  spricht, sobald als möglich. Vielleicht ist die Einimpfung schon geschehen      
  wenn Ihre Antwort komt, aber schonen Sie mich nicht, ich will      
  wissen ob ich geirrt habe, doch werde ich suchen es so lange als möglich      
  auf zuschieben.      
           
  Ich zwinge mich zu schließen: nur so viel von meinem Individuum.      
  Ich bin 22 Iahr alt, Besitzer ansehnlicher Güter und trete in meinen      
  Wirkungskreis mit dem ernstlichen Willen als solcher und als Mensch      
  in jedem Verhältniß meine Pflichten zu erfüllen und frei zu handeln.      
  Sie weiser Mann werden mein unsichtbarer Gefährte sein und es wird      
  mir sehr angelegen sein daß Sie sich der Gesellschaft nicht schämen      
  dürfen. Für so vieles gegebene Licht      
           
    Ihr      
    ewig dankbarer Fabian Emil      
    ReichsGraf zu Dohna.      
           
           
           
     

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