Kant: Briefwechsel, Brief 822, Von Carl Wilhelm Cruse. |
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Von Carl Wilhelm Cruse. | |||||||
25. Oct. 1798. | |||||||
Wohlgeborner Herr | |||||||
Hochzuverehrender HErr Professor! | |||||||
Ew. Wohlgebornen mus es bekannt seyn, daß seit dem Anfange | |||||||
der Regierung unsers itzigen Monarchen der Plan gemacht ist, eine | |||||||
eigene Universität für die deutschen Provinzen des Rußischen Reiches | |||||||
zu stiften. Man ist gegenwärtig mit den Mitteln zur Ausführung | |||||||
desselben beschäftigt, aber bis dato so wenig fortgerückt, daß man noch | |||||||
nicht einmal über den Ort dieser neuen Anstalt einig geworden ist | |||||||
und daher auch nicht bestimmen kann, unter welchen Modifikationen | |||||||
das akademische Gymnasium zu Mitau fernerhin bestehen wird. Da | |||||||
man inzwischen eine schon bestehende und itzt bey dem Verbote des | |||||||
Besuchens fremder Universitäten doppelt nothwendigen Anstalt nicht so | |||||||
lange unbrauchbar lassen will; so werden die erledigten Professuren | |||||||
nach wie vor auf den Vorschlag Sr Exzellenz des Gouverneurs besetzt | |||||||
und einige meiner Freunde haben mich aufgefordert, mich zu der durch | |||||||
den Tod des HErrn Professor Schulz erledigten Lehrstelle der Geschichte | |||||||
zu melden. Auch habe ich das Versprechen Sr Exzellenz des Gouverneurs | |||||||
und Geheimenraths von Lambsdorff sich für mich zu interessiren, | |||||||
nur mus ich ein Zeugnis der guten Anwendung meiner Universitäts | |||||||
Iahre beybringen. Bey meiner Abreise von Königsberg hatte ich vergessen, | |||||||
mich damit zu versorgen, weil ich damals durchaus nicht absehen | |||||||
konnte, dessen je zu bedörfen. | |||||||
ich wende mich demnach an Ew Wohlgebornen mit der Bitte, mir | |||||||
ein Zeugnis auszuwirken, daß ich in der Periode meiner akademischen | |||||||
Laufbahn vom Iahr 1781 bis 1784 mich vorzüglich auf das Studium | |||||||
der Geschichte und Mathematik gelegt habe. Freylich glaube ich nicht, | |||||||
daß sich darüber ein förmliches Facultaets Zeugnis wird geben lassen; | |||||||
indessen glaube ich, mich auf die Bekanntschaft von Ew. Wohlgebornen | |||||||
und der HErren Professoren Kraus und Schulz berufen zu dörfen, die | |||||||
in den beyden genannten Fächern meine Führer waren und deren Beyfalls | |||||||
ich mir damals schmeichelte. | |||||||
Wäre die Zeit nicht so kurz, daß ich sogar die Ausfertigung dieses | |||||||
Zeugnisses möglichst zu beschleunigen bitten mus; so würde ich Ew Wohlgebornen | |||||||
bitten mir die Bedingungen gütigst anzuzeigen, unter welchen | |||||||
ich in Abwesenheit den Gradum Magistri Philosophiae erhalten könnte. | |||||||
So aber darf ich mich itzt blos darauf beziehen, daß ich das Glück | |||||||
habe, Ew Wohlgebornen von Seiten meines Charackters bekannt zu | |||||||
seyn und daß dieser es mir nicht erlauben würde, das Zeugnis ehrwürdiger | |||||||
Männer aufzufordern, wenn ich mir nicht bewust wäre, da | |||||||
ich den Posten, um welchen ich werbe, mit Nutzen ausfüllen werde und | |||||||
daß dieses Zeugnis mir ein neuer Antrieb seyn wird durch verdoppelte | |||||||
Thätigkeit meinen unvergeßlichen Lehrern Ehre zu machen | |||||||
ich wiederhohle meine Bitte um möglichste Beschleunigung der | |||||||
Sache, weil man in Mitau alle Professuren besetzt zu haben wünscht, | |||||||
ehe über den Ort der neuen Universität entschieden wird und erwarte | |||||||
von Ew Wohlgebornen sonst geäußerten gütigen Gesinnungen gegen | |||||||
mich, daß Sie derselben gütigst willfahren werden. | |||||||
ich habe die Ehre mit der allervollkommensten Hochachtung zu seyn | |||||||
Ew. Wohlgebornen | |||||||
Riga, | gehorsamst ergebenster | ||||||
den 14/25 Octobr | Carl Wilhelm Cruse | ||||||
aus Königsberg in Preußen | |||||||
1798 | |||||||
[ abgedruckt in : AA XII, Seite 259 ] [ Brief 821 ] [ Brief 823 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |