Kant: Briefwechsel, Brief 791, Von Marcus Herz.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Marcus Herz.      
           
  25. Dec. 1797.      
           
  Verehrungswürdiger Lehrer      
           
  Der große allen bekannte Meckel verlangt dem großen alles kennenden      
  Kant durch mich so wenig bekannten und so wenig kennenden      
  Herz empfohlen zu seyn, und ich würde mit der Befriedigung dieses      
  überflüßigen Verlangens großen Anstand genommen haben, wenn sie      
  nicht zugleich eine so erwünschte Veranlassung wäre meinen Namen      
  wieder einmal in dem Andenken meines unvergeßlichen Lehrers und      
  Freundes aufzufrischen, und ihm wieder einmal zu sagen, welche Seeligkeit      
  die Erinnerung an die ersten Iahre meiner Bildung unter seiner      
  Leitung noch immer über mein ganzes Wesen verbreitet und wie brennend      
  mein Wunsch ist ihn in diesem Leben noch einmal an mein Herz      
           
  zu drücken! Warum bin ich nicht ein großer Geburtshelfer, Staarstecher      
  oder Krebsheiler, der einmal über Königsberg zu einem vornehmen      
  Russen gerufen wird? - Ach ich habe leider nichts in der      
  Welt gelernt! Die wenige Geschicklichkeit die ich besitze ist auf jedem      
  Dorfe in Kamschatka zehnfach zu haben, und darum muß ich in dem      
  Berlin versauern und auf das Glück, Sie, ehe einer von uns die Erde      
  verläßt, noch zu sehen, auf immer resigniren!      
           
  Um so stärkender ist mir dafür jede kleine Nachricht von Ihnen      
  aus dem Munde eines Reisenden, jeder Gruß den ich aus dem Briefe      
  eines Freundes von Ihnen erhalte. Laben Sie mich doch öfter mit      
  diesen Erquikungen und erhalten mir noch lange Ihre Gesundheit und      
  Freundschaft.      
           
    Ihr ergebenster      
  Berlin den 25ten Decemb. Marcus Herz      
  1797.        
           
           
           
     

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