Kant: Briefwechsel, Brief 784, An Iohann Heinrich Tieftrunk. |
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An Iohann Heinrich Tieftrunk. | |||||||
13. Oct. 1797. | |||||||
Hochgeschätzter Freund! | |||||||
Ihre Verhandlungen mit Herrn Beck (den ich hiermit meiner | |||||||
Hochachtung zu versichern bitte) deren Ausschlag hoffentlich beiderseitige | |||||||
Einhelligkeit in der Absicht sein wird, habe mit Vergnügen vernommen. | |||||||
Ebenso auch Ihren Vorsatz eines erläuternden Auszugs aus meinen | |||||||
critischen Schriften; imgleichen daß Sie mir die Mitwirkung dazu | |||||||
erlassen wollen, nehme ich dankbar an. - Bei dieser Gelegenheit bitte | |||||||
ich zugleich meiner hypercritischen Freunde Fichte u. Reinhold mit der | |||||||
Behutsamkeit zu gedenken, deren ihre Verdienste um die Wissenschaft | |||||||
vollkommen werth sind. | |||||||
Daß meine Rechtslehre bei dem Verstoß gegen manche schon für | |||||||
ausgemacht gehaltene Principien viele Gegner finden würde war mir | |||||||
nicht unerwartet. Um desto angenehmer ist es mir zu vernehmen da | |||||||
sie Ihren Beifall erhalten hat. Die Göttingische Recension im 28. Stück | |||||||
der Anzeigen, die, im Ganzen genommen, meinem System nicht ungünstig | |||||||
ist, wird mir Anlas geben in einer Zugabe manche Mißverständnisse | |||||||
ins Klare zu setzen, hin u. wieder auch das System zur | |||||||
Vollständigkeit zu ergänzen. | |||||||
Meinen Freund, HE. Professor Poerschke bitte ich wenn sich dazu | |||||||
Veranlassung finden möchte, wegen seiner im Ausdruck etwas zu heftigen | |||||||
Manier, die doch mit sanften Sitten verbunden ist, mit Wohlwollen | |||||||
zu behandeln. - Mit seinem Grundgesetz: Mensch sey Mensch | |||||||
hat er wohl nichts anderes sagen wollen, als: Mensch als Thierwesen | |||||||
bilde dich zum moralischen Wesen aus etc. - Indessen weiß er von | |||||||
diesem Ihrem Urtheil imgleichen meiner Apologie nichts. | |||||||
Zu Ihrem Vorschlage einer Sammlung u. Herausgabe meiner | |||||||
kleinen Schriften willige ich ein; doch wollte ich wohl daß nicht ältere | |||||||
als von 1770 darin aufgenommen würden, so daß sie mit meiner | |||||||
Dissertation: de mundi sensibilis et intelligibilis forma etc. anfange. | |||||||
- In Ansehung des Verlegers mache ich keine Bedingungen u. verlange | |||||||
keinen Vortheil, der mir etwa zufallen sollte. Die einzige ist, | |||||||
daß Sie mir den Aufsatz aller Pieéen vorher mittheilen möchten. | |||||||
Inliegende Briefe empfehle ich Ihrer gütigen Bestellung, die Auslagen | |||||||
für diejenigen, die für einen Theil des Weges müssen frankirt | |||||||
werden, um bis dahin zu gelangen, wo die preuß. Posten nicht hinreichen, | |||||||
bitte zu machen und mir den Belauf derselben zur Wiedererstattung | |||||||
zu melden. | |||||||
Es könnte wohl sein daß mich der Tod während dieser Anstalten | |||||||
überraschte. In diesem Falle würde unser Herr Professor Gensichen | |||||||
zwei Abhandlungen in meiner Commode antreffen, deren eine ganz, | |||||||
die andere beinahe ganz fertig liegt (und zwar seit mehr als zwei | |||||||
Iahren) über deren Gebrauch er alsdann Ihnen Nachricht geben würde | |||||||
- doch bleibt dieses unter uns; denn vielleicht gebe ich sie noch bei | |||||||
meinem Leben heraus. | |||||||
Meine Langsamkeit in Beantwortung der mir zugekommenen Briefe, | |||||||
werden Sie mir nicht zur Schuld anrechnen; mein Gesundheitszustand | |||||||
macht sie mir, bei der unter Händen habenden Arbeit, zur Nothwendigkeit; | |||||||
vielmehr sein Sie von der wahren Hochachtung versichert, mit | |||||||
der ich jederzeit bin | |||||||
Ihr | |||||||
Königsberg | ergebenster treuer Diener | ||||||
den 13. Octobr. | I Kant. | ||||||
1797 | |||||||
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