Kant: Briefwechsel, Brief 748, Von Matern Reuß.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Matern Reuß.      
           
  Wurzburg 21. April. 1797.      
           
  Verehrungswürdigster Herr Professor.      
           
  Es kan Ihnen nicht gleichgültig seyn, zu erfahren, daß ihre Grundsätze      
  auf dem Boden des kathol. Teutschlandes immer festeren Fu      
  setzen, nur in den oestreichischen Staaten haben sie noch keine öffentliche      
  Aufnahme erhalten, desto mehr Anhänger aber in Geheim. Nun      
  fehlte es noch an einem, von einem Katholiken geschriebenen Lehrbuche;      
  des Zutrauns wegen, welches der kathol. Staat und die Lehrer      
  in demselben auf mich setzen, hielt ich es für Pflicht, ihre Grundsätze      
  so in ein Lehrbuch zusammenzufassen, wie ich weis, daß es seyn      
  müsse, um nützlich zu werden: sie erhalten den ersten Theil, und in      
  demselben nichts, was nicht ihr Eigenthum wäre; wenn ich das wegrechne,      
  wo ich geirret habe. Ich konnte und wollte nichts Neues aufstellen,      
  froh, ihren Grundsätzen Eingang verschaffet zu haben. Wenn      
  ich hie und da scheine, von Ihnen abzugehen, so geschahe es, damit      
  es nicht schiene, daß ich blind nachbethe. sie haben also keinen Grund,      
  das Ding zu lesen, es seye denn dieser, daß sie mir nach Gelegenheit      
  ihr Urtheil darüber mittheilen wollten; welches, wenn es anders für      
  mich so günstig ausfallen sollte, daß sie meine Arbeit für nicht ganz      
  unnütze hielten, bey meinem Fürsten und unseren Gelehrten, die durch      
  mich Ihre Gesinnung zu erfahren wünschen, diese vortheilhafte Wirkung      
  haben würde, daß diese von mir hörten, ich habe mich noch ihres      
  Beyfalls und ihrer Freundschaft zu erfreuen, worauf diese Herrn sich      
  Vieles zu Gut thun, weil unsere hohe Schule vor allen katholischen die      
  erste war, auf welcher ihre Grundsätze offentlich erklärt worden sind.      
           
  in der Vorrede finden sie einen Beytrag zur Geschichte der kr[itischen]      
  Ph[i]l[osoph]ie im kathol. Deutschland. Stang empfiehlt sich bestens; Phlie      
  ist sein einziges studium - er sucht eine Professur. schon war es beschlossen      
           
  daß wir sie noch einmal besuchen wollten, aber die unruhigen      
  und theueren Zeiten hindern uns bis jetzt. Ihr dienstfertigster Freund.      
           
  Reuss. Prof.      
           
  N. S. Dank für die Rechtslehre, und Tugendlehre, die erstere      
  war mir sehr willkommen zu meiner Arbeit, die 2te erwarte ich (nach      
  ihrem schreiben an Stang) von der Ostermesse; nun können unsere      
  Lehrer des Naturrechts, u. der Moraltheologie, die sich immer noch      
  in etwas spreizten, bey ihren Zuhörern, die alle Kantisch gesinnt      
  sind, nicht mehr bestehen.      
           
           
           
     

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