Kant: Briefwechsel, Brief 698, Von Samuel Collenbusch. |
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Von Samuel Collenbusch. | |||||||
30. März 1796. | |||||||
Mein Lieber Herr Prophessor! | |||||||
Ich freue mich das ein Gott ist! Ich freue mich das Er so gütig | |||||||
ist als Er ist! sich freuen das ein Gott ist, sich freuen das Er so | |||||||
gütig ist als Er ist, das ist die allererfreulichste Menschen Pflicht. in | |||||||
Ihrem Büchlein von der Morall und Religion habe ich nicht die | |||||||
aller geringste spur finden können, von dieser allererfreulichsten Menschen | |||||||
Pflicht. | |||||||
in der vorrede zu Ihrer Religion sagen sie: "die Morall, so fern | |||||||
"sie auf dem Begriffe des Menschen, als eines freien, eben darum | |||||||
"aber auch sich selbst durch seine vernunft an unbedingte gesetze Bin"denden | |||||||
wessens gegründet ist, bedarf weder der jdee eines anderen | |||||||
"wessens über ihm, um seine Pflicht zu Erkennen, noch einer | |||||||
"anderen Triebfeder als des gesätzes selbst, um sie zu beobachten, | |||||||
"wenigstens ist es seine eigene Schuld, wen sich ein solches Bedürfnü | |||||||
an ihm vorfindet, dem aber als dan auch durch nichts anders | |||||||
"abgeholffen werden kan; weill was nicht aus ihm selbst und seiner | |||||||
"freiheit entspringt, keinen ersatz für den Mangel seiner Morallität | |||||||
"abgiebt - sie bedarf also zum Behuf ihrer selbst, so wohl obiektiv | |||||||
"was das wollen, als subiektiv was das können betrift keines weeges | |||||||
"der Religion. | |||||||
Die Thiere haben keine vernunft, der mangel der vernunft ist | |||||||
die ursache das die Thiere sich nicht darüber freuen können das ein | |||||||
Gott ist, sie können sich nicht darüber freuen das Gott so gütig ist | |||||||
als Er ist. es ist mir aber unbegreiflich, was die ursache sein mag, | |||||||
das mein vernünftiger Bruder, Immanuel Kant nicht eben so wohl | |||||||
als ich, sich darüber freuen kan , oder sich nicht darüber freuen will | |||||||
das Gott so gütig ist als Er ist. sie sind Ia ein vernünftiges | |||||||
wessen, was haben sie für Hindernüsse in sich selbst, oder ausser sich | |||||||
selbst, wodurch Ihre freiheit so unermeßlich eingeschrencket worden ist, | |||||||
wodurch Ihre freiheit so unermeßlich klein geworden ist, das sie sich | |||||||
nicht darüber freuen können, oder nicht freuen wollen, das Gott so | |||||||
gütig ist als Er ist. Sie sind so vernünftig daß das Radicale Böse | |||||||
im Menschen von Ihnen nicht geläugnet wird, sie läugnen auch nicht | |||||||
daß das Radicale Böse, die freiheit im guten sehr einschräncket,die | |||||||
freiheit im guten sehr hindert, und gleich wohl reden sie in Ihrer | |||||||
vorrede zur Religion von der freiheit des Menschen als ob die freiheit | |||||||
des Menschen so unermeßlich Groß währe, das dieselbe durch die | |||||||
allergrösten jnnerliche, und äusserliche Hindernüsse nicht im aller Mindesten | |||||||
eingeschrencket werden könte, da sie doch als ein vernünftiger | |||||||
Mensch aus der Francösischen Revolutions Geschichte es wissen können | |||||||
das die furcht für der Guillotine die freiheit vieller Tausend Francosen | |||||||
nicht wenig eingeschrencket hat. Eine solche einschränckung Ihrer freiheit, | |||||||
haben sie, mein Bruder, in Königs=berg nicht zu fürchten. was | |||||||
ist es denn für ein hindernüß, die Ihre freiheit so enge einschrencket, | |||||||
das sie sich nicht eben so wohl als ich, sich darüber freuen können, oder | |||||||
wollen, das Gott so gütig ist als Er ist? Wen ich so wie es billig | |||||||
ist, von Ihnen so gute gedancken habe als von mir, so kan ich nicht | |||||||
begreiffen, das sie als ein vernünftiges wessen etwas solten bedürffen | |||||||
um sich über Gottes Gütigkeit zu freuen, so wohl obiektiv was das | |||||||
wollen betrift als auch subiektiv was das können betrift. | |||||||
Weill die Thiere unvernünftig sind, weill den Thieren die vernunft | |||||||
mangelt, so ist dieses die ursache, das den Thieren subiektiv | |||||||
das können, und obiektiv das wollen mangelt. Es ist mir aber unbegreiflich, | |||||||
was die ursache sein mag, das meinem vernünftigen | |||||||
Bruder Immanuel Kant entweder obiektiv das wollen, oder subiektiv | |||||||
das können mangelt. ob Ich Ihr allgemeines gesetz der morall jrrig | |||||||
oder richtig verstehe das weiß ich nicht. Ich Hoffe aber sie werden | |||||||
aus liebe zur Pflicht Ihres eigenen gesetzes mir antworten, mir | |||||||
schreiben, was doch die Heimliche ursache sein möchte das sie sich nicht, | |||||||
eben so wohl als ich sich darüber freuen können, das Gott so gütig | |||||||
ist als Er ist. Ich verharre in dieser Erwartung zu sein ein Pflicht | |||||||
Liebender | |||||||
Freund und Diener | |||||||
Gemarcke den 30 Mertz | S: Collenbusch | ||||||
1796 | |||||||
[ abgedruckt in : AA XII, Seite 066 ] [ Brief 697 ] [ Brief 698a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |