Kant: Briefwechsel, Brief 632, Von Ioachim Heinrich Campe. |
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Von Ioachim Heinrich Campe. | |||||||
27. Iuni 1794. | |||||||
Verehrungswürdiger Mann, | |||||||
Zum Erstaunen aller denkenden und gutgesinnten Menschen verbreitet | |||||||
sich hier das Gerücht, daß es der blinden Glaubenswuth gelungen | |||||||
sey, Sie in den Fall zu setzen, entweder die Wahrheiten, die Sie | |||||||
ans Licht gezogen und verbreitet haben, für Unwahrheiten zu erklären, | |||||||
oder Ihr Amt, daß Sie so sehr verherrlichet haben, niederzulegen. | |||||||
Ich will zwar zur Ehre des ablaufenden Iahrhunderts noch hoffen | |||||||
und wünschen, daß dieses empörende Gerücht eine Erdichtung sey; | |||||||
sollte es sich aber dennoch wirklich so verhalten; sollte der Lehrer des | |||||||
Menschengeschlechts den Königsbergischen Lehrstuhl wirklich nicht mehr | |||||||
betreten dürfen, und sollte für Sie, edler Mann, auch nur die geringste | |||||||
Verlegenheit - sey's in Ansehung Ihrer körperlichen oder geistigen | |||||||
Bedürfnisse - daraus entstehen: so erlauben Sie mir eine Bitte, | |||||||
durch deren Erfüllung Sie mich sehr glücklich machen würden. Sehen | |||||||
Sie in diesem Falle sich als den Besitzer alles dessen an, was ich | |||||||
mein nennen darf; machen Sie mir und den Meinigen die Freude zu | |||||||
uns zu kommen, und in meinem, ziemlich geräumigen Hause, welches | |||||||
von dem Augenblicke an das Ihrige seyn wird, die Stelle eines Oberhaupts | |||||||
meiner kleinen Familie einzunehmen; genießen Sie hier aller der | |||||||
Ruhe, Bequemlichkeit und Unabhängigkeit, welche dem Abend Ihres | |||||||
so sehr verdienstlichen Lebens gebühren; und seyn Sie versichert, da | |||||||
Sie den Meinigen und mir jeden Lebensgenuß dadurch ausnehmend | |||||||
erhöhen und versüßen werden. Ich bin zwar nicht reich,aber da ich | |||||||
weniger Bedürfnisse als Andere habe, deren Einkünfte und bürgerliche | |||||||
Verhältnisse den meinigen gleich sind: so bleibt mir, nach Abzug dessen, | |||||||
was ich zum Unterhalt meiner kleinen Familie bedarf, immer noch | |||||||
mehr übrig, als zur Verpflegung eines Weisen nöthig ist. | |||||||
Ausser der allgemeinen Verpflichtung, die jeder denkende Mensch | |||||||
jetzt fühlen muß, Ihnen, wofern Sie sich auch nur in der mindesten | |||||||
Verlegenheit befinden sollten, die Hand zu reichen, habe ich für meine | |||||||
Person noch die besondere, daß Sie einst unter ähnlichen Umständen | |||||||
eine ähnliche Sorge für mich ausserten. Denn noch stehen die gütigen | |||||||
Anerbietungen, die Sie mir machten, da ich Dessau verließ, mit | |||||||
frischen Buchstaben in meinem Gedächtniß angeschrieben, und werden, | |||||||
so lange ich denken kann, darin nie verlöschen. | |||||||
Aber wirklich ist es nicht Dankbarkeit, sondern reine Eigennützigkeit, | |||||||
was mich angetrieben hat, Ihnen meine obige Bitte vorzutragen: | |||||||
denn ich fühle es gar zu stark, wie sehr Sie durch Erfüllung derselben | |||||||
mein Glück erhöhen würden. | |||||||
Ich wiederhole also diese Bitte auf die dringendste Weise, selbst | |||||||
auf die Gefahr hin, daß sie zudringlich scheinen kann. Aber wenn sie | |||||||
dies auch selbst in Ihren Augen scheinen sollte: so werden Sie doch | |||||||
dies bin ich von Ihrer Güte versichert - der Quelle meiner Zudringlichkeit | |||||||
Gerechtigkeit widerfahren lassen. Diese ist die herzlichste Theilnahme | |||||||
und die lauterste Verehrung, die ein Sterblicher für den | |||||||
andern empfinden kann. | |||||||
Campe | |||||||
Braunschweig den 27: Iun. 94. | Schulrath. | ||||||
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