Kant: Briefwechsel, Brief 605, Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. |
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| Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. | |||||||
| Berlin den 23ten November 1793. | |||||||
| Hochzuehrender Herr Professor, | |||||||
| Ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen vor ungefähr 14 Tagen | |||||||
| ein kleines Fäßchen mit Teltower Rüben zu überschicken, und ich würde | |||||||
| Sie auch schon davon benachrichtigt haben, wenn ich nicht gewünscht | |||||||
| hätte, Ihnen zugleich das erste Stück der philosophischen Bibliothek | |||||||
| die ich mit dHE. Prof. Fischer gemeinschaftlich herausgebe übersenden | |||||||
| zu können; allein da der auswärtige Druck die Sache ins | |||||||
| weite zieht, so habe ich mich schon entschließen müssen, Ihnen das | |||||||
| Werkchen nachzuschicken, damit Sie nicht die Rüben erhalten ohne davon | |||||||
| benachrichtigt zu sein. Ich wünsche nichts mehr als daß sie Ihren | |||||||
| Beifall erhalten mögen; dafür habe ich gesorgt, daß sie wirklich aus | |||||||
| Teltow sind. | |||||||
| Sie werden sich wundern, daß ich die philosophische Bibliothek | |||||||
| auswärts drucken laße, allein HE. Hermes haben es für gefährlich | |||||||
| halten, einen Auszug aus Heidenreichs natürlicher Religion drucken | |||||||
| zu laßen und in dem ersten Bogen eine solche Menge Correkturen | |||||||
| gemacht, daß ich mich zum auswärtigen Druck entschließen mußte. | |||||||
| Seine Correkturen sind Meisterstücke, und verdienten wohl als ein Aktenstück | |||||||
| der Berliner Censur gedruckt zu werden, wenn ich nicht die Ruhe | |||||||
| liebte. Er will Gott für kein Individuum gelten laßen, man soll | |||||||
| durch Tugend sich nicht der Glückseeligkeit würdig, sondern fähig | |||||||
| machen, und was des Zeugs alles mehr ist. Ich erwarte nun ob er | |||||||
| das Buch verbieten wird; thut er dis, so bin ich entschlossen gegen | |||||||
| ihn zu klagen. Mich hat er hingegen noch glimpflich behandelt, HE. | |||||||
| Prof. Grillo, ein Mann von 60 Iahren wollte einen Auszug aus Ihrer | |||||||
| Religion innerhalb den Grenzen der Vernunft drucken laßen, dem hat | |||||||
| er wie einem Schulknaben Knittel am Rande des Msc. gemacht. | |||||||
| Wäre Grillo nur nicht zu friedliebend. | |||||||
| Sie sehen wir stehen unter harten Zuchtmeistern, und Hermes hat | |||||||
| selbst zu meinem Verleger gesagt, er erwarte nur den Frieden, um | |||||||
| mehrere Cabinetsordres, die er im Pulte habe, ans Tagslicht zu bringen. | |||||||
| Ietzo besuchen diese Herren die Schulen und examiniren die Kinder, | |||||||
| unter andern erzählt man ein Examen von Woltersdorf in der Schule | |||||||
| des grauen Klosters was wirklich merkwürdig ist. Ganz dasselbe herzusetzen, | |||||||
| wäre Zeitverlust, aber nur die beiden ersten Fragen: W. Wie | |||||||
| alt bist Du mein Sohn? K. 9 Iahr. W. Wo warst Du denn vor | |||||||
| 10 Iahren? -! Uebrigens ist die Sache keine Erdichtung eines | |||||||
| lustigen Kopfs, sondern strenge Wahrheit. | |||||||
| Das neue Gesetzbuch wird nunmehro eingeführt, aber mit 4 Abänderungen, | |||||||
| wovon mir die eine entfallen ist. 1. wird aus der Vorrede | |||||||
| die Anpreisung weggelaßen, daß die Monarchie die beste Regierungsform | |||||||
| sei, weil sich dis von selbst versteht. 2. der Artikel wegen | |||||||
| der Ehe an der linken Hand ausgestrichen und 3. der Artikel über | |||||||
| die Strafen der Geisterbeschwörer aufgehoben. | |||||||
| Wie es mit dem Kriege werden wird, weiß niemand. Gestern | |||||||
| versicherte mich jemand, daß wir an Östreich eine Forderung von | |||||||
| 45 Millionen machten unter welcher Bedingung wir den Krieg allein | |||||||
| fortsetzen wollten. Gewiß ist es wohl, daß wir zu Anfange des Kriegs | |||||||
| den Östreichern viel Vorschüsse gethan haben, weil bei ihnen nicht alles | |||||||
| so ordentlich ist, als bei uns. Man erwartet hier einen außerordentlichen | |||||||
| Gesandten von Östreich. Die Prinzen werden in 8 Tagen erwartet, | |||||||
| so auch der König, der jetzt in Potsdam ist. Lucchesini, der | |||||||
| Schwager von Bischofswerder geht als Gesandter nach Wien. Iedermann | |||||||
| wünscht sehnlich den Frieden. | |||||||
| Gern möchte ich Ihnen noch vieles schreiben aber ich habe vergessen, | |||||||
| daß der Brief vor 5 Uhr auf der Post sein muß und es ist | |||||||
| gleich 5 Uhr. - Ich empfehle mich Ihrer fortdaurenden Freundschaft | |||||||
| und bin mit der höchsten Achtung | |||||||
| Ihr | |||||||
| dankbarer Schüler | |||||||
| I G C Kiesewetter. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 468 ] [ Brief 604 ] [ Brief 606 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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