Kant: Briefwechsel, Brief 549, An Iacob Sigismund Beck. |
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| An Iacob Sigismund Beck. | |||||||
| 4. Dec. 1792. | |||||||
| Da Sie mir, Würdiger Mann, in Ihrem Briefe vom 10ten Novembr. | |||||||
| einen Aufschub von 4 Wochen bis zu meiner Antwort gelassen | |||||||
| haben, welchen dieser Brief nur um wenig Tage übersteigen wird, so | |||||||
| glaube ich beygehende kleine Anmerkungen werden nicht zu späth anlangen. | |||||||
| - Hiebey muß ich vorläufig erinnern: daß, da ich nicht annehmen | |||||||
| kann, daß in der mir zugeschickten Abschrift die Seiten und | |||||||
| Zeilen mit Ihrer in Händen habenden eben correspondiren werden, | |||||||
| Sie, wenn Sie die Seite der Abschrift, die ich citire, nach den Anfangsworten | |||||||
| eines Perioden, die ich hier durch Häckchen " " bemerke, | |||||||
| nur einmal aufgefunden haben, Sie, wegen der Gleichformigkeit der | |||||||
| Abschrift, die correspondirende Seiten in Ihrem Manuscript wohl auffinden | |||||||
| werden. - Denn das mir zugeschickte mit der fahrenden | |||||||
| Post an Sie zurück zu senden würde die Antwort an Sie gar zu sehr | |||||||
| verweilen, sie aber mit der reitenden Post abzusenden ein wenig | |||||||
| zu kostbar seyn: indem Ihr letzter Brief mit dem Mscrpt mir gerade | |||||||
| 2 Rthlr postporto gekostet hat, welche Kosten der Abschreiber leicht um | |||||||
| 3/4 hätte vermindern können, wenn er nicht so dick Papier genommen | |||||||
| und mehr compreß geschrieben hätte. | |||||||
| Seite 5 heißt es von der Eintheilung: "Ist sie aber synthetisch, so | |||||||
| muß sie nothwendig Trichotomie seyn" dieses ist aber nicht unbedingt | |||||||
| nothwendig, sondern nur, wenn die Eintheilung 1) a priori, | |||||||
| 2) nach Begriffen (nicht, wie in der Mathematik, durch Construction | |||||||
| der Begriffe) geschehen soll. So kan man z. B. die | |||||||
| reguläre Polyedra in fünferley Korper a priori eintheilen, indem | |||||||
| man den Begrif des polyedri in der Anschauung dargelegt. Aus | |||||||
| dem bloßen Begriffe desselben aber würde man nicht einmal die | |||||||
| Moglichkeit eines solchen Körpers, viel weniger die mögliche | |||||||
| Mannigfaltigkeit derselben ersehen. | |||||||
| S. - 7. Anstatt der Worte (wo von der Wechselwirkung der Substanzen | |||||||
| und der Analogie der wechselseitigen Bestimmung der | |||||||
| Begriffe in disjunctiven Urtheilen mit jener geredet wird) "Iene | |||||||
| hängen zusammen indem sie": Iene machen ein Ganzes aus | |||||||
| mit Ausschließung mehrerer Theile ausser demselben; im disjunctiven | |||||||
| Urtheil u. s. w. | |||||||
| S. - 8. Statt der Worte am Ende des Absatzes "das Ich dencke | |||||||
| muß alle Vorstellungen in der Synthesis derselben begleiten" | |||||||
| begleiten können. | |||||||
| S. - 17. Statt der Worte "Ein Verstand, dessen reines Ich denke" | |||||||
| Ein Verstand dessen reines Ich bin u.s.w. (denn sonst würde | |||||||
| es ein Wiederspruch seyn zu sagen daß sein reines Denken ein | |||||||
| Anschauen seyn würde.) | |||||||
| Sie sehen, l. Fr. daß meine Erinnerungen nur von gringer Erheblichkeit | |||||||
| seyn; übrigens ist Ihre Vorstellung der Deduction richtig. | |||||||
| Erläuterungen durch Beyspiele würden manchem Leser zwar das Verständnis | |||||||
| erleichert haben; allein auf die Erspahrung des Raums mußte | |||||||
| auch gesehen werden. | |||||||
| Hrn Eberhards und Garven Meynung von der Identität des | |||||||
| Berkleyschen Idealisms mit dem critischen, den ich besser das Princip | |||||||
| der Idealität des Raumes und der Zeit nennen könnte, verdient | |||||||
| nicht die mindeste Aufmerksamkeit: denn ich rede von der Idealität in | |||||||
| Ansehung der Form der Vorstellung: jene aber machen daraus | |||||||
| Idealität derselben in Ansehung der Materie d. i. des Objects und | |||||||
| seiner Existenz selber. - Unter dem angenommenen Nahmen Änesidemus | |||||||
| aber hat jemand einen noch weiter gehenden Scepticism vorgetragen: | |||||||
| nämlich daß wir gar nicht wissen können ob überhaupt unserer | |||||||
| Vorstellung irgend etwas Anderes (als Object) correspondire, | |||||||
| welches etwa so viel sagen möchte, als: Ob eine Vorstellung wohl | |||||||
| Vorstellung sey (Etwas vorstelle). Denn Vorstellung bedeutet eine | |||||||
| Bestimmung in uns, die wir auf etwas Anderes beziehen (dessen Stelle | |||||||
| sie gleichsam in uns vertritt). | |||||||
| Was Ihren Versuch betrifft den Unterschied der Dichtigkeiten | |||||||
| (wenn man sich dieses Ausdrucks bedienen kan) an zweyen Körpern, | |||||||
| die doch beyde ihren Raum ganz erfüllen, sich verständlich zu machen, | |||||||
| so muß das moment der acceleration aller Körper auf der Erde hiebey, | |||||||
| meiner Meynung nach, unter sich doch als gleich angenommen werden, | |||||||
| so: daß kein Unterschied derselben, wie zwischen dx und dy, angetroffen | |||||||
| wird, wie ich in meinen vorigen Briefe angemerkt habe und die Qvantität | |||||||
| der Bewegung des einen, mit der des andern verglichen, (d. i. | |||||||
| die Masse derselben) doch als ungleich können vorgestellt werden, wenn | |||||||
| diese Aufgabe gelöset werden soll; so daß man sich so zu sagen die | |||||||
| Masse unter demselben volumen nicht durch die Menge der Theile | |||||||
| sondern durch den Grad specifisch verschiedenen Theile, womit sie, | |||||||
| bey eben derselben Geschwindigkeit ihrer Bewegung, doch eine verschieden | |||||||
| Größe derselben haben könne denken könne. Denn, wenn es | |||||||
| auf die Menge ankäme, so müßten alle ursprünglich als gleichartig, | |||||||
| folglich in ihrer Zusammensetzung unter einerley Volumen nur durch | |||||||
| die leere Zwischenräume unterschieden gedacht werden ( qvod est contra | |||||||
| hypothesin ). - Ich werde Ihnen gegen Ende dieses Winters meine | |||||||
| Versuche, die ich hierüber wärend der Abfassung meiner Metaph: | |||||||
| Anf. Gründe der N. W. anstellete, die ich aber verwarf, mittheilen, | |||||||
| ehe Sie an die Epitomirung derselben gehen. - Zum Behuf Ihres | |||||||
| künftigen Auszugs aus der Critik der U. Kr. werde Ihnen nächstens | |||||||
| ein Pack des Manuscripts von meiner ehedem abgefaßten Einleitung | |||||||
| in dieselbe, die ich aber blos wegen ihrer für den Text unproportionirten | |||||||
| Weitläuftigkeit verwarf, die mir aber noch Manches zur vollständigeren | |||||||
| Einsicht des Begrifs einer Zweckmaßigkeit der Natur beytragendes zu | |||||||
| enthalten scheint, mit der fahrenden Post zu beliebigem Gebrauche zuschicken. | |||||||
| - Zum Behuf dieser Ihrer Arbeit wollte ich auch rathen | |||||||
| Snells, noch mehr aber Spaziers Abhandlungen, oder Commentarien | |||||||
| über dieses Buch in Überlegung zu ziehen. | |||||||
| Den Titel, den Sie ihrem Buche zu geben denken: Erläuternder | |||||||
| Auszug aus den crit: Schriften des K. Erster Band, der die | |||||||
| Crit. der specul: u. pract: Vernunft enthält, billige ich vollkommen. | |||||||
| Ubrigens wünsche Ihnen zu dieser, so wie zu allen ihren Unternehmungen, | |||||||
| den besten Erfolg und bin mit Hochachtung und Ergebenheit | |||||||
| Der Ihrige | |||||||
| Koenigsberg | I Kant | ||||||
| den 4ten Dec: 1792 | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 393 ] [ Brief 548 ] [ Brief 550 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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