Kant: Briefwechsel, Brief 547, Von Iohann Samuel Fest. |
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Von Iohann Samuel Fest. | |||||||
Hayn unweit Leipzig, d. 30 Nov. 1792. | |||||||
Lange genug habe ich Ew. HochEdelgeb. litterarischen Charakter | |||||||
auf Kosten des so sehr gerechten und schuldigen Zutrauen zu dem | |||||||
moralischen so angestaunt, daß ich den Versuch nicht wagen konnte, | |||||||
einen gewissen mir sehr angelegentlichen, und an sich selbst schon sehr | |||||||
erheblichen, Wunsch in eine wirkliche Bitte zu verwandeln. Ich benutze | |||||||
die ebenso zutrauensvolle als ehrerbietige Stimmung, worin ich so | |||||||
eben die Kritik der praktischen Vernunft aus der Hand lege, Sie, verehrungswürdigster | |||||||
Herr Professor, zu ersuchen, oder lieber nur bescheiden | |||||||
anzufragen: ob es Ihnen nicht möglich und gefällig sei, die | |||||||
Grundzüge Ihres Systems der Beruhigung im Leiden aufzusetzen, | |||||||
und mir solche theils zu meiner eignen Belehrung, theils zum | |||||||
öffentlichen Gebrauch in einer periodischen Schrift, die ich unter dem | |||||||
Titel: Beiträge zur Beruhigung u. Aufklärung wie auch zur nähern | |||||||
Kenntniß der leidenden Menschheit herausgebe, und wovon gegen | |||||||
Ostern das 3 St. des 3 B. gedruckt werden soll - gütigst mitzu theilen. | |||||||
Ich habe vor 9 Iahren ein ganzes Buch über die Vortheile der | |||||||
Leiden geschrieben. Ie näher ich mich an die kritische Philosophie | |||||||
wage, und die Schranken meiner Einsichten kennen lerne: desto weniger | |||||||
finde ich in meinem eignen Beruhigungssystem noch die vorige mir | |||||||
so wohlthätig gewesene Ueberzeugung, (ob ich gleich nie blos von | |||||||
sinnlichen Vortheilen gesprochen, sondern auf die moralischen die | |||||||
Aufmerksamkeit vorzüglich zu lenken gesucht) und doch fehlet es mir | |||||||
an hinlänglicher Einsicht des bessern. Einem Manne wie Ihnen darf | |||||||
ich nicht erst meinen desfalsigen Gemüthszustand schildern, und eben | |||||||
so wenig Gründe meiner Vermuthung angeben, daß tausende ihn mit | |||||||
mir gemein haben möchten. Bei vielen derselben habe ich gewiß das | |||||||
Gefühl des Bedürfnisses nach etwas bessern selbst mit herbeigeführt, | |||||||
und dies macht mirs zur Pflicht, für die Befriedigung desselben einen | |||||||
Versuch zu wagen. | |||||||
Zwar hatte mir Ihr würdiger Schüler Heydenreich eine ausführlichere | |||||||
Entwickelung seiner Ideen über die Beruhigung versprochen, | |||||||
ia in dem letzten Stück der genannten Beiträge (Herr von Baczko in | |||||||
Königsberg besitzt diese Schrift) schon ein paar Blätter Vorrede dazu | |||||||
geliefert. Allein es ist mir so gut, als gewiß, daß es bei dieser Vorrede | |||||||
auch bleiben wird. Denn bei seiner anhaltenden Kränklichkeit | |||||||
wird er täglich von Buchhändlern um die Lieferung und Fortsetzung | |||||||
größerer Werke so gedrängt, und muß seine Lebenskräfte so übermäßig | |||||||
anstrengen, daß ich fürchte, dieses herrliche Genie wird über den Arbeiten | |||||||
für seine Erhaltung bald für diese Welt zu Grunde gehen. Ich | |||||||
bin es meinem lieben Freunde schuldig, wenigstens mein Mahnen, das | |||||||
nun schon 3 Vierteliahre vergebens gewesen, zu seiner Schonung bald | |||||||
völlig einzustellen. Welch eine reiche Schadloshaltung für meine in | |||||||
Erwartung gesetzten Leser und mich würde es sein, wenn der Verehrungswürdige | |||||||
Meister selbst ins Mittel träte! | |||||||
Ich überlasse es getrost blos der eignen Wichtigkeit des Gegenstandes | |||||||
meiner Bitte, entweder Ew HochEdelgeb. für denselben wirklich | |||||||
zu bestimmen, oder doch meine Bitte zu entschuldigen. | |||||||
Mit tiefgehender Empfindung habe ich die Ehre mich zu nennen | |||||||
Ew. HochEdelgeb. | |||||||
erfurchtsvollesten | |||||||
Verehrer | |||||||
Ioh. Samuel Fest. | |||||||
Prediger. | |||||||
Sollte ich so glücklich sein, mit einer gütigen Antwort erfreuet | |||||||
werden zu können: so bitte ich dieselbe - auf meine Kosten - an | |||||||
die Weidmannische Buchhandl. in Leipzig anzuweisen. | |||||||
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