Kant: Briefwechsel, Brief 13, An Iohann Gotthelf Lindner.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Iohann Gotthelf Lindner.      
           
  28. Oct. 1759.      
           
  Hochedelgebohrner Herr      
           
  Hochzuehrender Herr Magister      
           
  Ich bediene mich der Bereitwilligkeit des Herren Behrens Ew:      
  Hochedelgeb: vor die gütige attention die Sie mehrmalen in Ansehung      
  meiner zu äußern beliebt haben meinen verbindlichsten Dank abzustatten      
  um desto mehr da ich das Glück einen so würdigen u. schätzbaren      
  Freund an ihm erlangt zu haben zum Theil der Idee beymeße      
  die Sie wie ich vermuthe nach Ihrer gütigen Art ihm von mir zum      
  voraus werden gegeben haben. Ich erkenne die Empfehlungen der von      
  Riga hieher geschickten Studierenden als eine Verbindlichkeit die mir      
  auferlegt ist von ihrem Betragen Rechenschaft oder Nachricht abzustatten      
  und kan in Ansehung der Herren Schwartz u. Willmsen dieses auf eine      
  mir und Ihnen angenehme Art thun indem diese beyde Herren den      
  AnfangsEifer der gemeinhin nicht lange zu dauren pflegt mit soviel      
  regelmäßigkeit souteniren daß ich von ihnen die besten Folgen erwarte.      
  Ich wünsche daß ich von Herren Holst auch rühmen könte daß er      
  außer seiner allgemeinen Gefälligkeit wodurch er sich Liebe erwirbt auch      
  durch eben dergleichen Tüchtigkeit in Ansehung der HauptAbsicht seines      
  Hierseyns bedacht wäre Ansprüche auf wahre Hochachtung zu machen.      
  Ich weis nicht welche kleine Verleitungen oder entbehrliche Zeitkürzungen      
  ihn abziehen mögen allein meiner Meinung nach würde es etwas zu      
  Abhelfung dieser Hinderniße beytragen wenn man es gut fände daß er      
  in unserer Gesellschaft darinn HE. Schwartz speißt gleichfals speisen      
  möchte. Denn weil er daselbst alle Tage exponirt wäre mir Rechenschaft      
  zu geben so würden die Ausflüchte bald alle erschöpft seyn      
           
  Ich bin recht sehr erfreut von jedermann zu erfahren daß Ew:      
  Hochedelgeb. gewußt haben ihre Verdienste auf einem Schauplatze wo      
  man vermögend ist sie zu schätzen u. zu belohnen zu zeigen und da      
  es Ihnen gelungen ist sich über die elende Buhlereyen um den Beyfall      
  und die abgeschmackte Einschmeichelungskünste hinweg zu setzen      
  welche hier großthuerische kleine Meister die höchstens nur schaden können      
  denen auferlegen welche gerne ihre Belohnung verdienen und nicht erschleichen      
  möchten. Ich meines theils sitze täglich vor dem Ambos      
  meines Lehrpults und führe den schweeren Hammer sich selbst ähnlicher      
           
  Vorlesungen in einerley tacte fort. Bisweilen reitzt mich irgendwo eine      
  Neigung edlerer Art mich über diese enge Sphäre etwas auszudehnen allein      
  der Mangel mit ungestühmer Stimme so gleich gegenwärtig mich anzufallen      
  und immer warhaftig in seinen Drohungen treibt mich ohne Verzug      
  zur schweren Arbeit zurück - - intentat angues atque intonat ore .      
           
  Gleichwohl vor den Ort wo ich mich befinde und die kleine Aussichten      
  des Uberflußes die ich mir erlaube befriedige ich mich endlich mit      
  dem Beyfalle womit man mich begünstigt und mit den Vortheilen die      
  ich daraus ziehe, und träume mein Leben durch.      
           
  Alhier zeigte sich neulich ein Meteorum auf dem academischen      
  Horizont. Der M. Weymann suchte durch eine ziemlich unordentlich      
  und unverständlich geschriebene dissertation wieder den Optimismus      
  seinen ersten Auftritt auf diesem Theater, welches eben so wohl als das      
  Helferdingsche Harlequins hat solenn zu machen. Ich schlug ihm wegen      
  seiner bekannten Unbescheidenheit ab ihm zu opponiren aber in einem      
  programmate welches ich den Tag nach seiner dissertation austheilen lies      
  und das HE. Behrens zusamt einer oder der andern kleinen Piece      
  Ihnen einhändigen wird vertheidigte ich kürzlich den optimismus      
  gegen Crusius ohne an Weymann zu denken. Seine Galle war gleichwohl      
  aufgebracht. Folgenden Sontag kam ein Bogen von ihm heraus      
  darinn er sich gegen meine vermeinten Angriffen vertheidigte und      
  den ich künftig übersenden werde weil ich ihn jetzo nicht bey Hand      
  habe, voller Unbescheidenheiten Verdrehungen u. d. g.      
           
  Das Urtheil des Publici und die sichtbare Unanständigkeit sich      
  mit einem Cyclopen auf Faustschläge einzulaßen und überhaupt die      
  Rettung eines Bogens der vielleicht wenn seine Vertheidung herauskomt      
  schon unter die vergeßene Dinge gehört geboten mir auf die      
  anständigste Art das ist durch schweigen zu antworten. Das sind      
  unsere große Dinge wovon wir kleine Geister uns wundern daß draußen      
  nicht mehr davon gesprochen wird.      
           
  Herr Freytag Prof: Kypke D. Funck alles was sie kennt und eben      
  darum liebt grüßen sie aufs verbindlichste. Ich wünsche und hoffe      
  daß es Ihnen auf alle Art wohl gehe und bin mit wahrer Hochachtung      
           
    Ew: Hochedelgeb:      
  Koenigsb: ergebenster treuer Diener      
  d 28. Oct: Kant      
  1759.        
           
           
           
           
     

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