Unbetitelter Schüleraufsatz [vollständig (?) abgedruckt in AA XVII, 262-269]

Herausgeberanmerkungen stehen in eckigen Klammer in grauer, serifenloser Schrift. Am Rand nachgetragene oder überschriebene Worte sind hoch gesetzt.


Der Satz der identitet und des widerspruchs sind Grundsäze, die nicht weiter bewiesen werden können, und die sich so zu sagen ein ander die Hand bieten. Ich sage nemlich: ein jedes a ist a; will ich ihm beweisen, werde ich schließen müßen: wäre es nicht a, so wäre etwas a und non a zugleich, und dies wäre wider dem Satz des widerspruchs; der Satz des widerspruchs heißt: nichts ist a und non a zugleich: und woher dies? (den axiomata müßen so mit der Vernunft eingesehen werden können, ob sie gleich keinen schlußformigen Beweis fähig sind), ich werde also sagen: weil ein Ding ist das, was es ist, und denn bin ich wieder am Satz der identität, keines von diesen beyden kann also als ein Grund des ändern voraus gesetzt werden.

Alle unsre Urtheile gehen dahin, unsre dunckele Begrife deutlich zu machen. Dunckel sind unsre Begrife, wenn wir keine merkmahle von den Dingen angeben können, wodurch sie von andre unterschieden werden können, sobald wir aber ein Urtheil fest sezen, so schreiben wir dem Dinge entweder eine Bestimung zu, oder wir sprechen ihm eine ab, und in beyde Fällen en[t]decken wir in ein Unterscheidungsstück, völlig identetische [!] Sätze sind also leere Säze; durch die Bestimung, ein Mensch ist ein Mensch, wird mein Begrif von Menschen nicht klarer, weil ich in dem Subiect schon das gedacht habe, was ich im prädicat dencke, und eben so klar gedacht, es würde also auch ein leerer Satz seyn, wann ich gleich eine einzelne Bestimung von dem gantzen Begrife absondere, wenn ich ihm nur mit im Subiect voraus seze, als, der sterbliche Mensch ist sterblich, da ich ohne diesen Urtheil in dem subiect diese Bestimung mit gedacht, und dieser Satz mir also kein neues Unterscheidungsstück verschafet, so ist er ebenfals ein leerer Saz, auf dem Saz der identitet beruht die forme aller bejahende Urtheile und auf dem Satz des widerspruchs die forme aller verneinenden. (Ich sage mit Fleiß nur: die forme; denn in der that bejahen wir auch bey verneinenden Säzen und verneinen bey bejahenden, das Gegentheil nemlich.) wann ich also ein bejahendes Urtheil fälle, als z: B: der Mensch ist sterblich, so seze ich nicht in ihm die Sterblichkeit voraus, und sage, der Mensch sey sterblich, weil er unter seine Bestimungen auch die Sterblichkeit hat, dis wäre so viel, als sagte ich: der sterbliche Mensch ist sterblich, und mein urtheil wäre ein leeres; sondern eben dis zeige ich mit meinem Urtheile erst auf, daß der Mensch unter seine Bestimungen die Sterblichkeit hat, und, daß er nun wircklich sterblich sey, leistet mir der Saz der identitet gewehr; mit den verneinenden Urtheilen verhält es sich ebenso, ich muß unter seine Bestimungen eine removiren, daß ihm diese alsdann wircklich nicht zu kommen kann, dafür ist mir der Saz des widerspruchs.

Directe können nun mit dem Saz der identitet nur bejahende, und mit dem Saz des widerspruchs nur verneinende urtheile bewiesen werden, indirecte aber werde ich nun auch mit dem Saz der identitet verneinende Säze beweisen können; wenn ich nehmlich das non a als ein prädicat ansehe und es mit dem Saz der identitet dem Dinge zu schreibe, so ist von selbst sein gegentheil a geleug[n]et, denn sonst wäre es a und non a zugleich, allein wie umgekehrt? werde ich auch bejahende mit dem Saz des widerspruchs darthun können, wenn ich will beweisen, daß ein Ding a sey, und verneine sein gegentheil non a, wie so ist noch dargethun [lies: darzuthun], daß es a sei? vielleicht kommen keins von beyden zu, der Saz ist nur, daß zwey widersprechende praedicate einem Dinge nicht zu kommen können aber daß sie auch nicht beyde nicht zu kommen können, ist noch nicht bewiesen? Dazu dient mir nun das principium exclusi medii, daß von zwey widersprechende prädicate nothwendig einem jeden Dinge eines zu kommen muß, indem keines von beyden haben, eben so viel ist als beyde haben; und nun kann auch indirecte mit dem Satz des widerspruchs auch bejahende Satze bewiesen werden, denn so bald das Gegentheil vom Dinge removirt wird, muß jenes nothwendig folgen.

Ich setze nun, die von ein tiefsinigen Verstand mit Mühe heraus gebrachte erklahrung des Grundes und Folge, Voraus, nehmlich: ein Grund, ist dasjenige, was nicht vorgestelt werden kann, ohne daß man zugleich etwas, das ihm folgt, sich vorstelt, eine Folge aber umgekehrt, bey deßen Vorstellung man sich ein vorhergehendes gedenken muß. Dieser Verknüpfung wir[d] die Opposition entgegen gesezt, das ist, was nicht ohne eine remotion eines ändern vorgestellt werden kann, zwischen beyden ist ein respectus, so wohl zwischen den verknüpften als zwischen dem entgegengesezten, ja der lezte ist größer und erstreckt sich auf allen möglichen.

Die gründe sind entweder logische oder reele. Die logische sind es nur vermöge der entwicklung; sie bringen nichts verschiedenes hervor, das eine Folge von ihnen ist, sie sind nur gründe von einem Begrif, und zwar insofern nur der Begrif dunckel ist, wird er aber aufgelöset, so finde ich die ofenbare identitet der Folge mit ein theil des grundes. Die Endlichheit ist nur ein grund von der Zufälligkeit, solange dieser Begrif noch die Endlichkeit heißt. Das ist: so lange ich ihm unaufgelöset betrachte, fange ich. ihm aber an in seine Bestandtheile auf zu losen, so Finde ich die Zufälligkeit ofenbar darin, endlich, werde ich sagen, ist dasjenige, was nicht den großen theil der realitet [hat], was diesen nicht hat, kann verändert werden, ist also veränderlich und also zufallig. Hier habe ich nun die zufalligkeit, die mit ein theil von der Endlichkeit aus macht, und die eine folge der erste[n] ist vermöge der identitet, Ein Grund aber, ist erklährt werden [lies: worden], sey etwas, daß man sich ohne etwas auf ihm folgendes nicht vorstellen kann, wie würde nun diese Erklärung auf dem logischen Grund Paßen? Bey diesen ist die Folge mit ein Theil von ihm, kann aber das gantze eher seyn wie seine Theile? allerdinges werde ich diese erklärung müßen auf unsre ideen, die [wir] von diesen Dingen haben, anwenden müßen, weil nehmlich diese identitet erst eingesehen wird, wenn jener Begrif erst auf gelöset ist, in unsre idee muß also nothwendig dieser dunkle Begrif vorher gehen, ehe wir die Folge darin finden. ein ofenbarer identische Saz kann nicht als ein grund eines ändern betrachtet werden, wann nemlich in dem einen Begrif nicht noch andre Bestimungen mehr sind, um daß ich die Folge erst daraus suchen muß. Diese art Gründe sind überhaupt in der Mathematique üblich, in dem bloßen Begrif eines recht wincklichten triangels ist verwickelt, und macht mit ein Theil aus, daß das quadrat der hypotenuse gleich sey u. s. w. ich erkenne aber die 3 linien und den rechten winckel als die Gründe davon, weil ich diese Bestimmung erst per analysie [!] heraus bekommen muß, und also in meiner idee ein spätere Platz einnehmen. ein unendlicher Verstand kann dieses unmöglich als gründe betrachten, so wenig wir sagen können, ob die drey Linien die Gründe der dreyen winckeln sind, oder die drey winckel gründe der dreyen Linien.

Gantz anders verhält es sich mit dem reelen Grund, Dieser bringt etwas hervor, das von ihm unterschieden ist, und daß in dem bloßen Begrif von ihm nicht mit enthalten ist, ein Gott will z: B: und es wird eine Welt, meine Seele will und mein Körper bewegt sich, dieses sind gantz verschiedene Begrife. Der unterschied also zwischen den logischen und reelen Gründen ist handgreiflich, der logische beziehet sich nur auf unsre ideen, die wir von dem Dinge haben, und wir nennen die erste, aus welche wir die andre entwicklen, die Gründe, und jene die Folgen, ob sie gleich in der that eben und dasselbe Ding seyn.

Der reele aber bezieht sich auf den gegenständen selbst. Dieser kann nicht mit der Folge zu gleicher Zeit zu seyn angefangen haben, denn der reele Grund ist es nur vermöge einer wirckung, die Substance muß aber nothwendig die accidentzen vorhergehen, und endlich der logische grund und Folge kann mit unsrer vernunfft eingesehen werden, der reele aber nicht, Dieser Übergang von den reelen grund zu einer Folge ist der Menschlichen Vernunfft untersagt, und alles, was wir davon wißen, ist nur empirisch. ich getraue mir nicht zu unterscheiden, ob nicht dieser unterscheid zwischen logische und reelen Gründe vielleicht ebenfals nur auf unsre Kurtzsichtigkeit beruhet, wer weis, wenn wir von den reelen wesen eine solche klahre Erkenntniß hatten, als wir von logische haben, wer weis: fänden wir nicht alsdann, das diese Bestimmung, vermöge welcher ein Ding ein reeler Grund ist, gleichfals mit ein Theil ihres wesens aus macht, und ebenso nothwendig im Dinge seyn muß als irgend eine logische folge in ein logischen Grund. Die Schwäche meiner Kräfften erlaubt mir nicht, hier ein schieds-Urtheil zu fällen.

Auf dem Saz des widerspruchs — doch ich muß mir noch vorerst ein zweifel wegräumen, der wohl von niemanden als von mir, von ein Säugling in den Wißenschafften, für ein zweifel gehalten werden kann. Ein Grund, habe ich erklähren gehört, ist etwas, bey deßen Vorstellung mann etwas, das ihm folgt, sich vorstellen muß; die Zeit, erklährt Baumgarten, ist die Ordnung der Dinge, die auf einander folgen, wo also Verändrungen sind, die auf einander folgen, da ist zeit, so wie Raum ist da, wo Dinge Neben einander seyn. es muß aber auch, wo keine würckliche auf einander folgende Dinge seyn, wenigstens eine mögliche Zeit seyn, weil mögliche Dinge seyn, die aufeinanderfolgen können, so wie ein möglicher Raum seyn muß, auch da wo keine Dinge neben einander wircklich sind, werde ich nun nach der erklährung des Grundes auch von der mögliche zeit den ersten Moment ebenfals als ein Grund vorstellen, weil ich ihm nicht änderst vorstellen kann, außer zugleich mögliche Dinge, die ihm folgen, zu gedencken? und dieses kann ich mir unmöglich zu geben, den ich werde ihm weder einen logischen noch einen reelen grund nennen können, allein die Falschheit dieses Einwurfs ist ofenbar, den sowohl Zeit als Raum sind ins unendlichen theilbar, es giebt also kein erstes Moment in der Zeit, in dem nicht widrum mögliche Veränderungen auf ein ander folgen können, ohne dies würde es keine Zeit seyn. Kurtz: ein erster Augenblick in der Zeit deucht mir ein Widerspruch zu seyn.

Auf dem Saz des widerspruchs beruhen alle unsre verneinende Urtheile. Ein a und non a ist ein Widerspruch. Die beyde Säze, aus denen der widerspruch bestehet, [heißen] propositiones opposita[e]; nun betrachte ich entweder die beyde Saze allein ohne andre Bestimmungen, mit denen sie verwickelt seyn, und alsden ist es ein ofenbarer widerspruch; oder einer von denen Säzen ist noch mit andre Bestimungen verwickelt, und wann die Contradiction en[t]deckt werden soll, muß der Begrif erst aufgeloset werden: Dies ist ein Contradictio occulta, ein versteckter widerspruch; wenn ich z. E: den widerspruch zwischen die Unendlichkeit und die Zufälligkeit finden will, so werde ich erst den Begrif der Unendlichkeit auflösen müßen, um die Verneinung der Zufälligkeit darin zu treffen. Säze, die bejahend aus gedrückt werden, oder die einen bejahenden Forme haben, ohne daß ich untersuche, ob dem Subiect wircklich dadurch etwas zu komt, oder ob es verringert wird, sind positive Säze; hat aber ein Saz ein verneinenden Forme, so ist er ein verneinender Saz, und zwar in weitern verstand. Bey diesen erwege ich nicht, welches verhaltniß sie beyde auf dem Subiect haben, dem sie zugeschrieben werden; sondern sie werden nur an und für sich betrachtet, allein wird aber ein Saz in verhaltniß mit Seinem Subiect betrachtet, das ist: ob dem Dinge eine Vollkommenheit oder eine Unvollkommenheit dadurch gesezt wird, so ist er im ersten Falle eine wahre realitet und in leztern eine Verneinung in engen Verstande. Wann ich also z: B: diese beyde Säze: Der Mensch ist sterblich: der mensch ist unsterblich: an und vor sich betrachte, so wäre der erste ein positiver Saz, und der andre eine Verneinung in weitern Verstande, betrachte ich sie aber in Beziehung auf den Menschen, so wäre umgekehrt der erste eine Verneinung in erigern verstände, und der andre eine realitet, daher sich wohl zwey positive Saze entgegen gesezt seyn können, nicht aber zwey realiteten, den unter zwey positiven kann einer in sich eine Verneinung des andren enthalten, die aber mit noch andre Bestimungen in ihm verwickelt sind, und alsdenn ist es ein versteckter widerspruch; es verstehet sich, daß es kein ofenbarer geben kann zwischen positiven Säzen. Denn bey einen ofenbaren muß nothwendig ein verneinender Saz Seyn. Allein zwey wahre realiteten können sich unmöglich widersprechen, den gesezt, es wäre in einem eine Verneinung enthalten, die jene realitet aufhebt, so würde sie aufhören eine realitet zu seyn, eine realitet muß immer reele folgen haben, aber eine andre realitet aufheben ist eine wahre verneinung. eben so muß eine jede wahre Verneinung irgend einer realitet entgegen gesezt seyn. Können aber zwey realiteten sich nicht widersprechen, so kann in ein Ding, daß alle mögliche realiteten hat, kein widerspruch seyn (es ist also möglich und folglich auch wircklich u. s. w.).

Und nun erst glaube ich die Eintheilung meines weisen Lehrers ein zu sehen zwischen der logischen und reelen oppositition [!].Die logische nemlich bestehet aus einem positiven oder auch reelen Saz mit seiner verneinung, sie mögen ofenbar oder versteckt seyn, Die reele aber bestehet aus zwey positiven Säzen, die sich ein ander widerstreiten. Nun dencke ich ein klaren begrif von diesen Unterschied zu haben. es ist bewiesen worden, daß von zwey widersprechende prädicaten einem jeden Dinge eines zu kommen muß, weder beyde können ihm zu gesprochen noch beyde ab gesprochen werden, und warum können nicht beyde removirt werden? weil dis ebenso viel ist, [als] wenn ihm beyde zugeschrieben werden, Dieses ist nur bey der logische oppositition [!], wo ein bejahender, und verneinender Satz einander widerstreiten, aber bey der reele können die opposita sich so entgegen gesezt seyn, daß zwar beyde zusammen nicht seyn können, aber sie können beyde entfernt seyn, die Ursach lieget darin, weil [es] bei zwey positiven noch ein drittes giebt, bey jener aber nicht, und das princip. Exclusi medii gehet nur da, wo es kein Drittes giebt. Ein jedes Ding muß z: B. seyn entweder a oder non a, ich muß vergnügt oder nicht vergnügt seyn, aber nicht: ein jedes Ding muß a. oder b. seyn, ob es Gleich beyde zusammen nicht seyn kann, ich muß nicht vergnügt oder traurig seyn, den es giebt noch ein drittes: c; ich kann nemlich im Stande der Gleichheit seyn. zusammen können also zwey entgegen gesezte Säze nicht in einem Subiect seyn, aber wohl beyde entfernt. Der Korper, der von 2 gleiche entgegen gesezte Kräffte nach verschiedener [!] Gegenden getrieben wird, verhält sich in ansehung der Kräffte wie ein zero und bleibt in Ruhe, bey der logische also komt ein ens negatiuum heraus, das Ding kann sich nicht als ein zero verhalten, sondern / nihil. Bey den reelen aber verhalt es sich als ein zero. ich glaube nicht zu irren, wann ich sage, daß nur bloß positive Säze sich widersprechen können, nicht aber wirckliche realiteten, denn einer realitet entgegen gesezt seyn ist eine wahre Verneinung. Dieses scheinet mir darum erheblich zu seyn, weil ich ohne dem den Beweis der Existentz Gottes apriori zu entbehren glaube.

Auf der art schmeichle ich mir die bisher von meinem theueren Lehrer vorgetragene Lehre von den ersten Gründen unsrer Erkentniß begrifen zu haben, Glücklich, wann es keine bloße Schmeichley ist, aber nicht weniger glücklich, wenn derselbe mir meine, auf den von ihm mir vorgebahnten Fußsteg begangene Fehltritte anzuzeigen die Gewogenheit hätte.