Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zum Streit der ... , Seite 458 |
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01 | Die Vorhersagung eines künftigen moralischen Erfolgs aus den im | ||||||
02 | Menschengeschlecht gegebenen theils sittlichen inneren, theils physischen | ||||||
03 | äußeren, Gelegenheitsursachen (die nicht ermangeln können einzutreten) | ||||||
04 | geht also aus einer Idee der practischen Vernunft in der Ordnung der | ||||||
05 | Categorie der Modalität auf folgende Art hervor. | ||||||
06 | Das Beharrliche Fortschreiten des Menschengeschlechts zum Bessern | ||||||
07 | ist möglich; denn es ist Pflicht desselben in der unabsehlichen Reihe aller | ||||||
08 | Zeugungen und dem gantzen Umfange der Gesellschaftlichen Verhältnisse | ||||||
09 | auf unserem Glob' dahin zu wirken. | ||||||
10 | Die zum Erfolg der verlangten begebenheit (Geschichte der künftigen | ||||||
11 | Zeit) theils moralisch hinwirkende innere theils physisch dahin nöthigende | ||||||
12 | äußere Ursachen sind wirklich; denn theils ist in allen ihres Vernunftgebrauchs | ||||||
13 | mächtigen Menschen ein Lebhaftes Gefühl der Lust am Gelingen | ||||||
14 | mithin auch ein subjectiver Grund zur Beförderung einer solchen fortschreitenden | ||||||
15 | Weltbegebenheit, theils nöthigt der in der menschlichen | ||||||
16 | Natur gewurtzelte Hang zum Kriege der alle Guten Zwecke der Menschen | ||||||
17 | rückgängig zu machen droht zur Bewirkung und steter Erhaltung einer | ||||||
18 | solchen weltbürgerlichen Verfassung derselben welche zum moralischen | ||||||
19 | Fortschreiten hinleitet. | ||||||
20 | Die Wirkung aus jenen Ursachen ist nothwendig und kann als | ||||||
21 | Geschichte des Menschengeschlechts für die künftige Zeit aus den gegenwärtigen | ||||||
22 | Vorzeichen vorhergesagt werden. | ||||||
23 | Freylich wird der Politiker der die moralische Anlage im Menschengeschlecht | ||||||
24 | als Bloße Träumerey verlacht und Alles von der selbstsüchtigen | ||||||
25 | Neigung erwartet in diesem Argument keine Beweiskraft sondern erbettelte | ||||||
26 | Principien vornehmlich im Obersatze antreffen. Aber der Unglaube | ||||||
27 | an Tugend überhaupt und an die Kraft einer rein moralischen | ||||||
28 | Triebfeder ist es was seine Aussichten Beschränkt und ihn sagen läßt: | ||||||
29 | es wird wohl immer in der Welt beym Alten Bleiben und ferner so zugehen | ||||||
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