Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zum Streit der ... , Seite 440 |
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01 | Zweite Seite |
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02 | Christ in potentia d. i. so viel an ihm lag | ||||||
03 | die wahre Religion sofern sie Offenbahrung ist heißt das Christenthum | ||||||
04 | sofern sie dies nicht ist natürliche Religion. Ein Offenbahrungsglaube | ||||||
05 | der nicht religion ist heißt heydenthum | ||||||
06 | Es scheint zwar daß ohne einen vorhergehenden bestimmten Begrif | ||||||
07 | von Gott es gar keine Religion geben könne: es ist aber ganz umgekehrt | ||||||
08 | die Religion muß vorhergehen und der bestimmte Begrif von Gott nur | ||||||
09 | aus ihr hervorgehen. Die Moral führt durch das Bedürfnis der Vernunft | ||||||
10 | zu ihrem sittlichen Endzwecke (dem höchsten Gut) die Vollendung hinzuzudenken | ||||||
11 | unvermeidlich dahin ein höchstes und zwar vollkommen | ||||||
12 | moralisches Wesen anzunehmen welches ein bestimmter Begrif ist von | ||||||
13 | dem alle eigentliche Religionspflichten abgeleitet werden können: dagegen | ||||||
14 | der Begrif eines höchsten Wesens als Weltschöpfers es gänzlich unbestimmt | ||||||
15 | läßt wie sein Wille beschaffen seyn werde weil man seine Natur kennen | ||||||
16 | müßte um diesen daraus abzunehmen Diesen Weg sind Anaxagoras Plato | ||||||
17 | und die philosophirenden Römer zum moralisch=bestimten Monotheism | ||||||
18 | gekommen und ich möchte einen Sokrates nicht einen frommen Heyden | ||||||
19 | sondern selbst auf die Gefahr darüber ausgelacht zu werden immer einen | ||||||
20 | guten Christen in potentia nennen weil er diese Religion so viel | ||||||
21 | man urtheilen kann gehabt und sie auch als Offenbahrungslehre würde | ||||||
22 | angenommen haben wenn er zur Zeit ihrer öffentlichen Verkündigung | ||||||
23 | gelebt hätte - Die wahre Religion so fern sie zugleich als Offenbahrung | ||||||
24 | erkannt wird heißt Christenthum so fern sie nicht als solche anerkannt | ||||||
25 | wird natürliche Religion. Ein Offenbahrungsglaube ohne jene | ||||||
26 | Religion wäre Heydenthum. Wenn also die Juden außer der Offenbahrung | ||||||
27 | vom Berge Sinai welche sie nur zu einem Volke von besonderer | ||||||
28 | politischer (nämlich theokratischer) Verfassung machen sollte nicht noch | ||||||
29 | eine besondere doch öffentliche blos moralische Religionsunterweisung | ||||||
30 | hatten (wovon wir zwar keine Nachricht haben was wir aber doch aus | ||||||
31 | christlicher Liebe annehmen wollen) so war ihr Glaube nicht einmal | ||||||
32 | natürliche Religion sondern Heidenthum obzwar vielleicht von schicklicherer | ||||||
33 | Form für eine künftige Religion als der anderer Völker ihrer | ||||||
34 | Nachbaren. - Er bedarf also keiner neuen Zusammenberufung desselben | ||||||
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