Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 275 |
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01 | was man zu wissen vorgiebt, vornehmlich a priori zu wissen, der Gegenstand einer | ||||||
02 | Wissenschaft überhaupt nur seyn könne oder nicht; den es wäre ungereimt, in solchem | ||||||
03 | Falle von Warscheinlichkeiten und sogar übergroßen so gut wie gewissen Warscheinlichkeiten | ||||||
04 | reden zu wollen, wo man das Erfahrungsgesetz verläßt und sich mit Ideen | ||||||
05 | in unendliche Feld bloßer Möglichkeiten wagt, die nichts mit Erfahrungsgegenständen | ||||||
06 | gemein haben, und davon die Urtheile sich also nicht den Erfahrungsgesetzen mehr oder | ||||||
07 | weniger nähern können. | ||||||
08 | Das Begehrungsvermögen, so fern es unter der Vorstellung einer | ||||||
09 | Regel bestimmbar ist, heißt der Wille. Wenn die Regel als der unmittelbare | ||||||
10 | Bestimmungsgrund des Willens betrachtet wird, so ist Bestimmung | ||||||
11 | des Willens durch dieselbe, obiectiv, d. i. durch Vernunft betrachtet, Verbindlichkeit, | ||||||
12 | ist enthält sie nur das das (g Allgemeine der ) Verknüpfung | ||||||
13 | eines andern Bestimmungsgrundes mit dem Willen, so heißt ist die Bestimmung | ||||||
14 | des Willens nach dieser Regel (g obiectiv ) durch die Vernunft | ||||||
15 | pragmatische Nöthigung. Beyde sind Imperativen. Ist keiner der Be= | ||||||
16 | stimmungs der von der Regel unterschiedene Bestimmungsgrund blos als | ||||||
17 | möglicher Gegenstand des Begehrungsvermögens anzusehen, so ist er gar | ||||||
18 | kein Bestimmungsgrund des Willens sondern blos der Handlung als | ||||||
19 | Mittels durch die Vernunft, und die Begierde bestimmt den Willen. | ||||||
20 | Dieses ist alsdann die formale practische Nöthigung. | ||||||
21 | Die Critik der practischen Vernunft legt die Unterscheidung der empirisch=bedingten | ||||||
22 | practischen Vernunft von der reinen und gleichwohl doch | ||||||
23 | practischen Vernunft zum Grunde und frägt: ob es eine solche, als die | ||||||
24 | letzte ist, gebe. Die Möglichkeit davon kan sie a priori nicht einsehen, weil | ||||||
25 | es das Verhaltnis eines Realgrundes zur Folge betrift, also muß etwas | ||||||
26 | gegeben seyn, was lediglich aus ihr entspringen kan; und aus der Wirklichkeit | ||||||
27 | kan auf die Moglichkeit geschlossen werden. Die moralische Gesetze | ||||||
28 | sind von der Art, und dieses muß so bewiesen werden, wie wir die Vorstellungen | ||||||
29 | von Raum und Zeit als Vorstellungen a priori bewiesen, nur | ||||||
30 | mit dem Unterschiede, daß diese Anschauungen jene aber bloße Vernunftbegriffe | ||||||
31 | betrift. Es ist hier nur der Unterschied, daß da im theoretischen | ||||||
32 | Erkentnis die Begriffe keine Bedeutung und die Grundsätze keinen Gebrauch | ||||||
33 | als nur in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung haben, im | ||||||
34 | practischen dagegen viel weiter, nämlich auf alle vernünftige Wesen überhaupt | ||||||
35 | gehen und von allen empirischen Bestimmungsgründen unabhängig, | ||||||
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