Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 292 |
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01 | Verbindlichkeit, ihn in seinen Handlungen als Princip zum Grunde zu | |||||||||
02 | legen, hinreichend ist. Denn weil die moralische Gesetze, welche die | |||||||||
03 | Gründe der Verbindlichkeit enthalten, (g auch auf der Vernunft beruhen | |||||||||
04 | und also ) obiectiv unveränderlich seyn, so kan so fern Vernunftglaub | |||||||||
05 | Vernunft Gewisheit statt finden. Diese kan aber nicht Vernunftgewisheit | |||||||||
06 | (certitudo logica) heissen, weil sie nicht blos aus theoretischen Vernunftprincipien | |||||||||
07 | folgt sondern als Principien, sondern blos um practischer Maximen | |||||||||
08 | willen nothwendig als wahr angenommen werden muß, und darf, | |||||||||
09 | weil diese Maximen auf moralischen Gesetzen, welche obiective Unveranderlichkeit | |||||||||
10 | haben, beruhen, so darf man einen solchen Vernunftglauben | |||||||||
11 | nicht moralischen Glauben, sondern man kan ihn moralische gewisheit | |||||||||
12 | nennen. So würden die Sätze: Es ist ein Gott, es ist ein künftiges | |||||||||
13 | Leben, für die speculative Erkentnis nur einen Vernunftglauben abgeben | |||||||||
14 | und dennoch als für moralisch gewis ange gelten; denn weil nur durch | |||||||||
15 | sie alle gegründete Hindernisse (g Einwürfe gegen ) die Verbindlichkeit nach | |||||||||
16 | moralichen Gesetzen aufgehoben werden (nämlich die, so von der Betrachtung | |||||||||
17 | hergenommen sind, daß Beobachtung oder Übertretung der | |||||||||
18 | letzteren nach dem bloßen Laufe der Natur keinen diesen proportionirten | |||||||||
19 | Effect haben könnten), diese aber obiective Gewisheit so ist eben obiectiv | |||||||||
20 | ihre Annehmung eben s um dieser ihrer Nothwendigkeit willen und obiectiven | |||||||||
21 | Unveranderlichkeit willen ebenfals eine unveränderliche practisch nothwendig, | |||||||||
22 | und es ist unmöglich, daß Gründe zum Gegentheil seyn könnten, | |||||||||
23 | weil sonst auch gründe zum Gegentheil der Moralität statt finden könnten | |||||||||
24 | und diese also selbst zweifelhaft und ungewis seyn würde. | |||||||||
25 | S. IV: | |||||||||
26 | Unter Dogmata versteht man apodictische Sätze aus Begriffen. | |||||||||
27 | Daher enthält Mathematik zwar apodictische Sätze, aber keine Dogmata, | |||||||||
28 | weil sie nicht aus Begriffen, sondern nur durch deren Construction möglich | |||||||||
29 | sind. Die Sätze, daß zwischen zwey Puncten nur eine gerade Linie möglich | |||||||||
30 | oder in einem jeden Triangel die Summe aller Winkel zweyen rechten | |||||||||
31 | gleich seyn, davon das erste ein Axiom, das zweyte ein demonstrirtes | |||||||||
32 | Theorem ist, sind Mathemata, d.i. Erkentnisse, die deren (g Einsicht und ) | |||||||||
33 | Gewisheit intuitiv (g dabey aber doch apodictisch ) ist; daß aber alles | |||||||||
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